ImageEnde 2008, Anfang 2009 ließ die Israelische Armee 1,5 Millionen Tonnen Sprengstoff auf Gaza niedergehen. Zwei Jahre danach ist die Situation für die Bevölkerung in Gaza nach wie vor dramatisch, wie ein Bericht von "Ärzte für Menschenrechte - Israel" zeigt. Die Solidarwerkstatt fordert: Gaza-Blockade sofort aufheben, militärische Kollaboration mit der Israelischen Armee beenden! Beiliegend ein "Manifest der Jugend von Gaza".


In diesen Tagen jährt sich der Krieg Israels gegen Gaza zum zweiten Mal. Dieser Krieg brachte unermessliches Leid: Nach einem Bericht des britischen Fachmagazins "The Lancet" vom Februar 2009 sind schätzungsweise 1,5 Millionen Tonnen Sprengstoff auf Gaza abgeworfen worden, das macht pro Kopf der Bewohner eine Tonne! Ergebnis: Rund 1.400 getötete Palästinenser, 5.600 Verletzte; ein Drittel der Opfer waren Kinder. Israel gab die Zahl der eigenen Opfer mit 13 an, zehn Soldaten, von denen vier durch eigenes Feuer, und drei Zivilpersonen, die durch Raketenangriffen aus Gaza getötet wurden.

Zwei Jahre nach diesem Krieg ist die Situation der Bevölkerung in Gaza nach wie vor dramatisch. Die „Ärzte für Menschenrechte – Israel“ dokumentieren das in ihrem aktuellen Bericht *) zur Ernährungsunsicherheit und zur Gesundheitssituation der Bevölkerung in Gaza.

- 61% der Bevölkerung Gazas leidet unter Ernährungsunsicherheit
- 90-95% der Wasserquellen sind verschmutzt
- 71% der Haushalte sind von internationaler Hilfe abhängig

Keine Mobilität, wirtschaftliche Rückentwicklung, prekäre Versorgung – die physische und psychische Gesundheit der Bevölkerung von Gaza verschlechtert sich zusehends. Das Resümee der Israelischen Menschenrechtsorganisation: „Mit der Politik des ‚Humanitären Minimums’, welche Israel seit 2007 durch die Blockade des Gazastreifens verfolgt, werden kontinuierlich elementarste Grundbedürfnisse verletzt.“ Der Bericht der Ärzte für Menschenrechte - Israel (PHR-IL) beschreibt wie Besatzung und Blockade des Gazastreifens durch Israel eine Situation der Abhängigkeit und der Rückentwicklung geschaffen haben. Dabei wird den Palästinensern ein menschenwürdiges Leben verweigert. Der Bericht behandelt die Nahrungsmittelunsicherheit, sowie die mangelhafte Abwasser- und Wasserinfrastruktur, die Grundlagen für ein gesundes Leben darstellen. Fazit: Die israelische Blockade des Gazastreifens fügt der Gesundheit der 1,5 Millionen Einwohner schwere – auch langfristige - Schäden zu.

Die Politik des "Humanitärem Minimums" erlaubt lediglich, dass internationale Hilfe die Menschen mit dem Allernotwendigsten versorgt. Damit wird aber die gesamte Bevölkerung von Gaza in Abhängigkeit gehalten und jede Entwicklung verhindert.

Friedens- und Neutralitätspolitik für die Nahost-Region

Angesichts dieser Situation erneuert die Solidar-Werkstatt ihre Forderungen an eine eigenständige österreichische Friedens- und Neutralitätspolitik für die Nahost-Region:

1. Sofortige Initiative auf allen internationalen Ebenen:
- für die Aufhebung der Blockade von Gaza und humanitäre Hilfe für die notleidende Bevölkerung
- für die Einstellung aller Waffenlieferungen an Israel und andere Regime in der Nahostregion
- für eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten - unter Einbeziehung Israels!

2. Gemeinsame Nahost-Initiativen mit anderen neutralen und blockfreien Staaten zur friedlichen Lösung des Israel-Palästina-Konflikts. Gerade die Großmächte USA und EU tragen mit ihrer neokolonialen Politik (Rüstungsexporte, Großmachts- und Erdölinteressen) nicht zur Lösung des Nahost-Konfliktsbei, sondern gießen ständig neues Öl ins Feuer dieses Konflikts.

Kollaboration mit der israelischen Armee sofort beenden!

Sollen diese Forderungen Bestandteil der österreichischen Außenpolitik werden, braucht es freilich eine Bewegung von unten für ein neutrales und weltoffenes Österreich. Denn die derzeitige Regierung samt der grün-blau-orangen „Opposition“ hat sich der Teilnahme an der EU-Militärmacht mit all den damit verbundenen bornierten Großmachtsinteressen in der Nahost-Region verschrieben. Verteidigungsminister Darabos hat 2007 die Militärkooperation des Bundesheeres mit der Israelischen Armee eingefädelt. Diese militärische Zusammenarbeit, die auch nach dem Überfall auf Gaza unvermindert fortgesetzt wurde, umfasst vor allem den Bereich der Ausbildung und dient offensichtlich dazu, österreichische Soldaten auf Kriegs- und Besatzungsmissionen im Rahmen von EU-Battlegroups-Einsätzen vorzubereiten, für die sie seit dem 1.1.2011 bereit stehen. Diese Teilnahme Österreichs an EU-Kampftruppen wird von allen Abgeordneten im österreichischen Parlament mitgetragen, keine einzige Parlamentspartei stellt die militärische Kooperation Österreichs mit der Israelischen Besatzungsarmee in Frage. Die Solidarwerkstatt wiederholt daher die bereits früher gemeinsam mit anderen Friedensorganisationen erhobene Forderung nach sofortiger Beendigung dieser vollkommen neutralitätswidrigen Kollaboration.

*) "Humanitäres Minimum"
Die Verantwortung Israels für die Unsicherheit in der Nahrungsmittel- und Wasserversorgung im Gazastreifen, Studie der „Ärzte für Menschenrechte – Israel“
Deutsche Kurzfassung
http://medico.de/media/zusammenfassung-humanitaeres-minimum.pdf
Englische Langfassung:
http://medico.de/media/phr-il-humanitarian-minimum.pdf



Manifest der Jugend von Gaza

Die Solidarwerkstatt hat sich immer gegen die Ethnisierung sozialer und politischer Konflikte gewendet, auch im Israel-Palästina-Konflikt. Die Menschen in Israel dürfen nicht gleichgesetzt werden mit der Politik der israelischen Regierung, gleiches gilt für den Gaza-Streifen und die dortige Hamas-Regierung. Das zeigen kritischen Berichte von israelischen Friedens- und Menschenrechtsgruppen, das zeigt aber auch ein jüngst erschienenes Manifest der Jugend von Gaza, das die alptraumartigen Zustände im „größten Freiluftgefängnis“ der Welt anprangert. Auslöser für diesen Aufruf war die Schließung des regierungsunabhängigen Jugendzentrums Sharek am 30.11.2011. Die Proteste dagegen waren von der Polizei brutal niedergeschlagen worden.



The Manifesto of Gazan Youth - FREE GAZA YOUTH!

Fuck Hamas. Fuck Israel. Fuck Fatah. Fuck UN. Fuck UNWRA. Fuck USA! Wir, die Jugend von Gaza haben die Schnauze voll von Israel, der Hamas, der Besatzung, den Menschenrechtsverletzungen und der Gleichgültigkeit der Internationalen Gemeinschaft! Wir würden am liebsten schreien und diese Mauer des Schweigens, der Ungerechtigkeit und der Gleichgültigkeit durchbrechen, wie die israelischen F16 die Schallmauer; schreien mit der ganzen Kraft unserer Seele, um die gigantische Frustration rauszulassen, die uns in der geschissenen Situation, in der wir leben, innerlich verzehrt; wir sind wie Läuse zwischen zwei Fingernägeln, leben in einem Albtraum innerhalb eines Albtraums, da ist kein Raum für Hoffnung, kein Raum für Freiheit. Wir haben es satt, in diesen politischen Auseinandersetzungen festzustecken; haben die pechschwarzen Nächte satt, in denen Flugzeuge über unseren Häusern kreisen; haben es satt, dass unschuldige Bauern in der Pufferzone abgeknallt werden, weil sie ihr Land bestellen; haben die bärtigen Typen satt, die überall rumrennen und ihre Macht missbrauchen und junge Leute verprügeln oder einsperren, die für das auf die Straße gehen, woran sie glauben; wir haben die Mauer der Schande satt, die uns vom Rest des Landes abschottet und uns in einem winzigen Fleckchen Land einsperrt; wir haben es satt, als Terroristen dargestellt zu werden, als hausgemachte Fanatiker, die Taschen gefüllt mit Sprengstoff und die Augen voller Hass; wir haben die Gleichgültigkeit satt, mit der die Internationale Gemeinschaft uns begegnet, die sogenannten Experten in der Formulierung von Betroffenheit und in der Verabschiedung von Resolutionen, aber Feiglinge, wenn es darum geht, irgendwas von dem, was sie beschließen, auch umzusetzen; wir haben die Schnauze gestrichen voll davon, ein beschissenes Leben zu führen, von Israel gefangen gehalten, von der Hamas verprügelt und vom Rest der Welt total ignoriert zu werden.In uns wächst eine Revolution heran, eine riesige Unzufriedenheit und Frustration, die uns zerstören wird, wenn wir keinen Weg finden, diese Energie in etwas umzusetzen, was den Status Quo in Frage stellt und uns irgendeine Art Hoffnung gibt.

Der letzteTropfen, der unser Herz vor Frustration und Hoffnungslosigkeit überlaufen ließ, war das, was am 30. November geschah, als Sicherheitsleute von der Hamas mit ihren Knarren, ihren Lügen und ihrer Aggressivität zum Sharek Youth Forum (
www.sharek.ps), einer der führenden Jugendorganisationen, kamen, alle rauswarfen, manche ins Gefängnis brachten und Sharek verboten weiter zu machen. Ein paar Tage später wurden Demonstranten vor Sharek geschlagen und manche eingelocht. Wir erleben wirklich einen Albtraum in einem Albtraum. Es ist schwer, in Worten zu beschreiben, unter was für einem Druck wir leben. Mit Müh und Not haben wir die Operation Gegossenes Blei überstanden, als uns Israel in Grund und Boden gebombt, Tausende Wohnungen und noch viel mehr Leben und Träume zerstört und ausgelöscht hat. Die Hamas sind sie nicht losgeworden, wie sie eigentlich vorhatten, aber eins haben sie geschafft: uns Angst einzujagen, die wir nicht mehr loswerden, und uns alle mit posttraumatischem Stress-Syndrom zu infizieren, weil es kein Entkommen gab.

Wir sind Jugendliche, auf deren Herzen eine große Last liegt. Wir tragen eine Schwermut in uns, die so drückend ist, dass wir es kaum schaffen, den Sonnenuntergang zu genießen. Wie sollten wir auch, da düstere Wolken am Horizont aufziehen und sich Bilder elender Erinnerungen einstellen, sobald wir nur die Augen schließen. Wir lächeln, um den Schmerz zu verbergen. Wir lachen, um den Krieg zu vergessen. Wir hoffen, um nicht gleich und auf der Stelle Selbstmord zu begehen. Während des Angriffs beschlich uns die Gewissheit, dass Israel uns auslöschen und von der Erde verschwinden lassen wollte. In den letzten Jahren hat die Hamas alles daran gesetzt, unsere Gedanken, unser Verhalten und unsere Bestrebungen zu beherrschen. Wir sind eine Generation junger Leute, die daran gewöhnt sind, durch Raketenbeschuss bedroht zu sein, eine Generation mit der scheinbar nicht erfüllbaren Mission, unter diesen Umständen ein normales, gesundes Leben zu führen, und werden dabei nur zähneknirschend von einer mächtigen Organisation geduldet, die sich in unserer Gesellschaft wie ein Kebsgeschwür ausgebreitet hat, Chaos und Verwüstung produziert und dabei in alle lebendigen Zellen, Gedanken und Träume dringt und sie zerstört, während sie die Menschen unter ihrem Terrorregime lähmt - ganz abgesehen davon, dass wir in einem Gefängnis leben, einem Gefängnis, das von einem sich als „demokratisch“ bezeichnenden Land betrieben wird. Die Geschichte wiederholt sich auf das Grausamste, und es scheint niemanden zu kümmern. Wir haben Angst. Hier in Gaza haben wir Angst davor, in den Knast zu kommen, verhört, geschlagen, gefoltert, bombardiert, getötet zu werden. Wir haben Angst vor dem Leben, denn jeder einzelne Schritt, den wir tun, will genau kalkuliert und überlegt sein, allenthalben gibt es Einschränkungen, wir können uns nicht bewegen, wie wir wollen, sagen, was wir wollen, tun, was wir wollen, manchmal können wir nicht mal denken, was wir wollen, weil die Besatzung unsere Herzen und Hirne auf eine so gräßliche Weise besetzt hat, dass es wehtut und uns danach ist, vor Frust und Wut endlos Tränen zu vergießen!

Wir wollen nicht hassen, wir wollen all das nicht empfinden, wir haben keine Lust mehr, Opfer zu sein. ES REICHT! Schmerz, Leiden, Kontrolle, Einschränkungen, unlautere Rechtfertigungen, Terror, Folter, Ausflüchte, Bombardierungen, schlaflose Nächte, getötete Zivilisten, schwarze Erinnerungen, elende Zukunft, quälende Gegenwart, entgleiste Politik, fanatische Politiker, religiöser Scheißdreck, Einkerkerung - es reicht! WIR SAGEN SCHLUSS DAMIT! Das ist nicht die Zukunft, die wir wollen!Drei Dinge wollen wir: Wir wollen frei sein. Wir wollen ein normales Leben führen können. Wir wollen Frieden. Ist das zu viel verlangt? Wir sind eine Friedensbewegung aus jungen Leuten in Gaza und mit Unterstützern anderswo, und wir werden keine Ruhe geben, solange die Wahrheit über Gaza nicht überall auf der Welt bekannt ist und zwar so, dass stille Zustimmung oder dröhnende Gleichgültigkeit nicht mehr möglich sind.Das ist das Manifest der Jugend von Gaza für Veränderung!Wir werden damit beginnen, die Besatzung, die uns umgibt zu zerschlagen, wir werden uns aus diesem mentalen Kerker befreien und unsere Würde und unsere Selbstachtung zurückgewinnen. Wir werden aufrecht gehen, auch wenn man uns angreift. Wir werden Tag und Nacht daran arbeiten, diese miesen Bedingungen, unter denen wir leben, zu ändern. Wo wir auf Mauern treffen, werden wir Träume errichten.

Wir hoffen nur, dass du, ja du, der du dies gerade liest, uns dabei unterstützen kannst. Um rauszukriegen, wie, schreib an unsere Wand oder kontaktiere uns direkt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!Wir wollen frei sein, wir wollen leben, wir wollen Frieden.FREE GAZA YOUTH!