An sechzig deutschen Hochschulen konnte sog. Zivilklauseln durchgesetzt werden, eine Selbstverpflichtung von wissenschaftlichen Einrichtungen wie Universitäten ausschließlich für zivile und friedliche Zwecke zu forschen. Doch mit der „Zeitenwende“ ist Aufrüstung und Militarisierung angesagt. Bayern marschiert voran: Mit dem „Bundeswehrförderungsgesetz“ sollen Zivilklauseln untersagt und die Hochschulen für Bundeswehr und Rüstungsindustrie geöffnet werden. Es regt sich Widerstand.
2011 hat sich in Deutschland die Initiative "Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel" gegründet. Gewerkschaften, Studierenden-, Wissenschafts- sowie Friedensorganisationen arbeiten darin zusammen. Ihr Ziel, Friedensbewegungen an den Hochschulen zu stärken, und Hochschulen als Orte für Studien, Lehre und Forschung, wo sinnvolle Beiträge zur ausschließlich friedlichen und nicht-militärischen Lösung der Probleme und Konflikte dieser Welt geleistet werden. Das Gründungsdokument der Initiative vom 4. Juni 2011 zitiert Albert Einstein:
„Es gäbe genug Geld, genug Arbeit, genug zu essen, wenn wir die Reichtümer der Welt richtig verteilen würden, statt uns zu Sklaven starrer Wirtschaftsdoktrinen und -tradition zu machen. Vor allem aber dürfen wir nicht zulassen, dass unsere Gedanken und Bemühungen von konstruktiver Arbeit abgehalten und für die Vorbereitung eines neuen Krieges missbraucht werden.“
Um Hochschulen des Friedens zu schaffen, sollen Zivilklauseln an den Hochschulen verankert werden. Eine Zivilklausel ist eine Selbstverpflichtung von wissenschaftlichen Einrichtungen wie Universitäten, ausschließlich für zivile und friedliche Zwecke zu forschen. Das setzt voraus, dass die Universität nicht für Einrichtungen der Bundeswehr oder der Rüstungsindustrie forscht, also keine Drittmittelkooperationen mit diesen Einrichtungen eingeht. Dank des Engagements von Studierenden und GewerkschafterInnen ist es mittlerweile gelungen, an über 60 deutschen Universitäten solche Zivilklauseln zu verankern (http://www.zivilklausel.de).
„Zeitenwende“: „Eine Beschränkung auf zivile Nutzung ist unzulässig“
Doch in Deutschland ist derzeit die „Zeitwende“ und mit ihr Aufrüstung und Militarisierung angesagt. Bundeswehr und Rüstungsindustrie drängen vehement an die Hochschulen. Besonders dreist geschieht das derzeit in Bayern mit dem neuen “Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern”, das der bayerische Landtag Mitte Juli 2024 beschlossen hat. Mit dem „Bundeswehrförderungsgesetz“ sollen Zivilklauseln an bayrischen Hochschulen untersagt werden, damit eine “reibungslose Zusammenarbeit” und ein “ungehinderter Zugang der Bundeswehr zu Forschung und Entwicklung an Hochschulen sichergestellt” werden. Wörtlich heißt es im Gesetzestext: “Erzielte Forschungsergebnisse dürfen auch für militärische Zwecke der Bundesrepublik Deutschland oder der NATO-Bündnispartner genutzt werden” und: “Eine Beschränkung der Forschung auf zivile Nutzungen (Zivilklausel) ist unzulässig”. Denn, so heißt es in der Gesetzesbegründung: Zivilklauseln seien “angesichts der bestehenden sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht hinnehmbar”; schließlich gehe es darum “das Forschungs- und Wissenschaftspotential der bayerischen Hochschulen auch zugunsten militärischer Forschung und Entwicklung” zu sichern. Statt der Friedenspflicht der Zivilklausel soll ein Militarisierungsgebot kommen.
Zwang zur Einbindung der Bundeswehr an Schulen
Alle staatlichen Schulen sollen “im Rahmen der politischen Bildung” und zu “Fragen der Sicherheits – und Verteidigungspolitik” enger mit “Jugendoffizieren” und “Karriereberatern der Bundeswehr” zusammenarbeiten, auch zur “beruflichen Orientierung über Berufs- und Einsatzmöglichkeiten” bei der Bundeswehr. Bisher konnten Schulen und Lehrkräfte selbst entscheiden, ob sie die Bundeswehr in den Sozialkundeunterricht einbinden, jetzt wird es praktisch zum Zwang. Dies beeinträchtigt die Gewissensfreiheit der Schüler und Schülerinnen, die auf diese Weise einseitig beeinflusst werden.
In der Gesetzesbegründung heißt es, “Aufgabe des Staates” sei es, “unsere Gesellschaft auf die grundlegend veränderte sicherheitspolitische Lage vorzubereiten”, die Auswirkungen auf fast alle Lebensbereiche habe. Auch Bayern müsse “im Rahmen seiner (Regelungs-) Kompetenzen dazu beitragen, die Bundeswehr zu stärken, die Rahmenbedingungen für die Erfüllung der Aufgaben der Bundeswehr wie auch der Stationierungsstreitkräfte bestmöglich auszugestalten sowie den Rückhalt in der Bevölkerung für unsere Soldatinnen und Soldaten zu festigen”. Offensichtlich ganz im Sinne der bundesregierungsamtlich ausgerufenen militärischen “Zeitenwende” und des staatlichen Bemühens, die Bundeswehr umfassend “gesellschaftsfähig” und Gesellschaft “kriegstüchtig” zu machen. Und tatsächlich gibt es bereits Pläne des Bundesbildungsministeriums, das Militär in Schulen noch intensiver werben zu lassen und Hochschulen für Militär- und Rüstungsforschung stärker zu öffnen.
EU-Militarisierungspflicht
Mit diesem „Bundeswehrförderungsgesetz“ wird auch die Aufrüstungsverpflichtung der Art. 42 des EU-Vertrag konkret. „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“, heißt es im EU-Vertrag. Dieser Artikel, mit dem die EU endgültig zur Aufrüstungsunion wurde, entfaltet auch im Hochschulbereich zunehmend seine Wirkung. Seit 2021 gibt es einen eigenen mit zunächst 8 Milliarden Euro dotierter EU-Topf, um große Rüstungsprojekte kozufinanzieren. Ein Drittel der Gelder sollen der Rüstungsforschung dienen. Mit diesem Gesetz prescht Bayern bei der Militarisierung der Hochschulen voran.
Widerstand
Doch es regt sich Widerstand. Schon im Vorfeld der Beschlussfassung haben 1.500 Personen – darunter der Liedermacher Konstantin Wecker, die Theologin Dr. Margot Käßmann, der Arbeitsrechtler Prof. Dr. Wolfgang Däubler, der ehemalige IG Metall-Chef Jürgen Peters und der Bürgerrechtler, Jurist und Publizist Dr. Rolf Gössner – eine Petition gegen das Gesetz unterschrieben. Nun bereitet die Deutsche Friedensgesellschaft Bayern (DFG – VK) in Zusammenarbeit mit der GEW Bayern eine Popularklage gegen das „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern“ vor. Die Argumentation: Das bayerische Gesetz greift unverhältnismäßig und verfassungswidrig in Wissenschafts- und Forschungsfreiheit sowie in die Autonomie bayerischer Hochschulen ein und befördert die Militarisierung von Schulen und Wissenschaft, von Lehre und Forschung. Deshalb muss der bayerische Verfassungsgerichtshof schnellstmöglich mit der verfassungsrechtlichen Überprüfung dieses Militärförderungsgesetzes befasst werden.
Bis zum 30. November 2024 werden noch Mitkläger*innen und Unterstützer*innen für die Popularklage gesucht. Nähere Informationen: https://dfg-vk.de/klage-gegen-das-bayerische-bundeswehrgesetz/
(Oktober 2024)