ImageAuch in Israel stehen immer mehr Menschen gegen die Kriegspolitik ihrer Regierung auf. Zehntausende demonstrierten am 3. Jänner in Tel Aviv gegen den Krieg. Die zentralen Forderungen: „Stoppt das Töten! Stoppt die Belagerung! Stoppt die Besetzung!“ Rechtsextremisten attackieren die Friedensdemonstration. Wir bringen Auszüge aus der - ungehaltenen - Rede von Uri Avneri (Gush Shalom)

Zur selben Zeit als Ehud Barak der Armee befahl, die blutige Bodenoffeensive gegen Gaza zu starten, marschierten einige Zehntausend aus ganz Israel in Tel Aviv gegen den Krieg. Alle vier Fahrspuren der Ibn Gvirol St, einer der größten Durchfahrtsstraßen, waren voller Demonstranten, die die zwei Kilometer von der Rabin Square zum Cinemateque mit Sprechchören und Transparenten marschierten.

„Man baut keinen Wahlkampf auf den toten Körpern von Kindern!“

„Man baut keinen Wahlkampf auf den toten Körpern von Kindern!“, riefen die Demonstranten in Hebräischen Rhythmen. „Waisen und Widwen sind keine Wahlwerbung!“, „Olmert, Livni und Barak – Krieg ist kein Spiel!“ „Alle Kabinett-Minister sind Verbrecher!“, „Barak, Barak, sorg Dich nicht – wir werden Dich in Den Haag wieder treffen!“, „Genug, genug – sprecht mit Hamas!“

Die Botschaften auf den Transparenten waren ähnlich. Einige formulierten Baraks Wahlslogans um: „Barak ist nicht freundlich, er ist ein Mörder!“ (Der ursprüngliche Barak-Slogan: „Barak ist nicht freundlich, er ist ein Führer!“) Auch: „Nein zum Wahlkampfkrieg 2009!“ und „Der Sechs-Knesset-Sitze-Krieg!“ – eine Anspielung auf die Umfragen, die zeigten, dass in den ersten Tagens des Krieges Baraks Arbeitspartei sechs zukünftige Sitze hinzugewonnen hat.

Die Demonstration fand nach einem Auseinandersetzung mit der Polizei statt, die versuchte, diesen Aufmarsch zu verhindern oder zumindest zu beschränken, mit der Begründung, dass sie nicht in der Lage wären, rechtsgerichtete Randalierer davon abzuhalten, die Demonstranten zu attackieren. Unter anderem forderte die Polizei, dass die Organisatoren sich verpflichten müssten, das Hissen der Palästinensischen Flagge zu unterbinden. Die Organisatoren riefen den Obersten Gerichtshof an, der entschied, dass die palästinensische Flagge ein legal ist und wies die Polizei an, die Demonstration von Randalierern zu schützen.

Die Demonstration wurde von Gush Shalom und 20 weiteren Friedensorgansiationen beschlossen, u.a. die Women´s Coalition for Peace, „Anarchists Against the Wall, Hadash, the Alternative Information Center und New Profile. Meretz und Peace Now nahmen offiziell nicht teil, aber viele ihrer Miglieder marschierten mit. Einige tausend arabische Bürger aus dem Norden kamen in 20 Bussen direkt von der Großdemonstration der arabischen Öffentlichkeit, die in Sakhnin stattgefunden hatte.

„Stoppt das Töten! Stoppt die Belagerung! Stoppt die Besetzung!“

Opposition gegen den Krieg diesmal stärker. Die Organisatoren selbst waren überrascht von der großen Zahl der Demonstranten. „Eine Woche nach dem Beginn des Libanon-Kriegs II schafften wir es nur 1.000 Demonstranten auf die Füße zu bringen. Dass heute Zehntausende kamen, zeigt, dass die Opposition gegen diesen Krieg diesmal viel stärker ist. Wenn Barak mit seinen Plänen weiter fortfährt, kann sich die öffentliche Meinung in wenigen Tagen vollständig gegen den Krieg wenden.“
Das riesige Gush Shalom Transparent sagte auf Hebräisch, Arabisch und Englisch: „Stoppt das Töten! Stoppt die Belagerung! Stoppt die Besetzung!“ Der zentrale Slogan der Demonstration forderte das Ende der Blockade und einen sofortigen Waffenstillstand.

Rechtsextreme attackieren Friedensdemonstranten.

Am Tag des Protests mobilisierte die extreme Rechte ihre Kräfte, um die Demonstration mit Gewalt auseinanderzubrechen. Die Polizei bemühte sich sehr, die Krawalle zu verhindern, und der eine Meile lange Marsch vom Rabin Square zum Cinematheque Square verlief relativ ruhig. Aber als sich die Demonstranten in Absprache mit der Polizei zu verteilen begannen, startete eine Gruppe von Rechtsextremen eine Attacke auf sie. Die Polizei, die bis dahin die beiden Lager auseinander hielten, verschwand von der Szene. Die Randalierer umzingelten die hinteren Demonstranten, beschimpften und bedrängten sie, und ab einem bestimmten Punkt begannen sie das Cinematheque Gebäude zu belagern, wo einige der letzten Demonstranten Zuflucht gefunden hatten. Sie versuchten in das Gebäude einzudringen und drohten, die Demonstranten abzumurksen. Erst im letzten Moment erschien Polizei, die den Eingang schützte. Die Randalierer blieben noch eine lange Zeit.

Auf Grund dieser Umstände konnte die Abschlusskundgebung nicht mehr durchgeführt werden. Die - nicht gehaltene - Rede von Uri Avneri von der Friedensorganisation GUSH SHALOM im Folgenden in leicht gekürzter Fassung In Englisch auf www.gush-shalom.com
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“Ihr seid die wirklichen Helden!”

 
Sie sagen uns
Wir sind Verräter.
Sie sagen uns
Wir sind die Zerstörer Israels.
Sie sagen uns
Wir sind Verbrecher.

Aber wir sagen ihnen:
Verbrecher sind diejenigen
Die diesen Verbrecherischen und
Unnötigen Krieg begannen!

 
Ein unnötiger Krieg
Weil es möglich war
Die Kassams zu stoppen
Indem die Regierung
Die Blockade beendet
Gegen die eineinhalb Millionen
Bewohner von Gaza.

Ein krimineller Krieg
Weil, zuallererst
Er offen und unverschämt
Teil der Wahlkampagne
Von Ehud Barak und Tzipi Livni ist.

Ich klage Ehud Barak an
Die Soldaten der Israelischen Armee zu missbrauchen
Um mehr Sitze in der Knesset zu bekommen.

Ich klage Tzipi Livni an
Das gegenseitige Schlachten zu befürworten
Um Premierministerin zu werden.

Ich klage Ehud Olmert an
Korruption und Fäulnis vertuschen zu versuchen
Mit diesem verheerenden Krieg.

Ich rufe sie auf
Von dieser Tribüne
Im Namen dieser
Mutigen und aufrichtigen Versammlung:
Stoppt den Krieg sofort!
Stoppt das Blutvergießen
Unserer Soldaten und Zivilisten für nichts!
Stoppt das Blutvergießen
Der Bewohner von Gaza!

 
Die Bodenoffensive
Wird zusätzliche Verheerungen anrichten
Eine gegenseitiges Gemetzel
Und noch mehr
Schreckliche Kriegsverbrechen!...

Uns wird gesagt
Dass es keine Alternative gibt.
Das ist nicht wahr!!!
Ein Waffenstillstand ist sogar jetzt noch möglich,
Ja, in dieser Minute,
Wenn wir zustimmen,
Die mörderische Blockade zu beenden
Wenn wir es den Gaza-Bewohnern erlauben
In Würde zu leben
Wenn wir mit Hamas reden.

Ich möchte die Leute im Süden ansprechen
Die Leute von Sderot,
Ashdod und Beersheba:
Wir kennen Eure Qualen –
Obwohl wir nicht bei Euch leben,
Wir kennen sie gut.
Aber wir wissen auch
Dass dieser Krieg
Eure Situation nicht ändern wird.
Die Politiker missbrauchen Euch,
Die Politiker führen Krieg
Auf Eurem Rücken
Ihr wisst das auch!

 
Ich rufe Olmert, Barak und Livni auf:
Schickt die Soldaten nicht in den Gaza-Streifen!
Ihr werdet alle Drei als Kriegsverbrecher angeklagt!
Ihr werdet alle Drei den Preis bezahlen!

 
Die Massen in Israel
Die Euch jetzt zujubeln
Werden Euch morgen bestrafen.
Das geschah im Zweiten Libanon-Krieg
Das wird diesmal wieder geschehen!

Und IHR, die heute hier steht,
Frauen und Männer,
Junge und Alte,
Juden und Araber,
IHR, die ihr protestiert
Gegen dieser schrecklichen Krieg
Vom ersten Tag an,
Von der ersten Minute an,
isoliert und beschimpft –
Ihr seid die wirklichen Helden!

Ihr könnt stolz sein,
Sehr stolz,
Weil ihr in der Mitte
Eines Hurricans voll Hysterie und Ignoranz steht,
Und weil ihr dadurch nicht weggefegt werdet!
Ihr behaltet Euren Verstand,
Nicht nur zu Hause
Auch hier, auf der Straße!

Millionen auf der Welt werden Euch sehen,
Vor Euch den Hut ziehen,
Vor jedem von Euch den Hut ziehen.

Als Mensch,
Als Israeli,
Als Friedenssuchender,
Ich bin stolz
Heute hier zu sein.

 
Quelle: www.gush-shalom.org