Rede von Peter Weish, Naturwissenschaftler, Autor und Umweltaktivist, bei der Demonstration am 15. Mai "Aktive Neutralität statt EU-Hochrüstungswahn!"
Seit mehr als Als 50 Jahren bin ich im Natur- und Umweltschutz aktiv und setze mich für eine zukunftsfähige Entwicklung ein. Wenn ich von Zukunft rede, dann meine ich als Humanökologe auch eine sehr ferne Zukunft. Die Sonne wird noch einige Milliarden Jahre scheinen und auf der Erde wird weiter Leben existieren. Die Evolution des Lebens auf der Erde befindet sich in ihrer Halbzeit! In Zukunft werden wesentlich mehr Menschen leben, als in der der Gegenwart und der Vergangenheit. Unser heutiges Verhalten hat entscheidenden Einfluß auf die Lebensqualität kommender Generationen; wir dürfen ihnen keinen ausgeplünderten, vergifteten Planeten hinterlassen.
Die Verschleiß- und Verschwendungsproduktion, wie sie heute betrieben wird, muss man als Verbrechen an der Zukunft bezeichnen. Das schlimmste Verbrechen an Gegenwart und Zukunft sind aber jedenfalls Kriege. Kriege werden auf drei Ebenen geführt: auf dem Gebiet der Propaganda, als Wirtschaftskrieg in Form von Sanktionen und schließlich mit Waffengewalt auf dem Schlachtfeld. Dass Österreich sich am Propaganda- und Wirtschaftskrieg gegen Russland beteiligt, empfinde ich als Verrat an unserer Neutralität.
Zur Frage, ob es gerechte Kriege geben kann, verweise ich auf den österreichischen Pazifisten Stefan Matzenberger. Er wurde im zweiten Weltkrieg als junger Sanitäter schwer verwundet und verlor sein Augenlicht. Auf der Flucht wurde neben ihm seine Schwester, die in betreut hatte, durch Beschuss von Tieffliegern getötet. Der kriegsblinde Stefan studierte Jus und widmete sein weiteres Leben dem Pazifismus. In seinem Buch: von der Friedensethik zur Friedenspolitik – 100 Fragen an den Pazifismus – begründet er klar, dass auch ein Verteidigungskrieg nicht gerecht sein kann, denn unvermeidlich kommt es auch in einem Verteidigungskrieg zum Töten Unschuldiger. Matzenberger widerlegt klar die Argumente der Defensivmilitaristen und begründet als einzige ethisch gerechtfertigte Art der Verteidigung die Gewaltfreiheit in Form der sozialen Verteidigung.
Österreich hat sich zwar verpflichtet, die Neutralität mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen, was aber nicht Waffengewalt bedeuten muß. Denn – so Matzenberger – zu Gebote stehen nur ethisch erlaubte Mittel. Der 1963 vom theoretischen Physiker Hans Thirring vorgeschlagene Plan zur Abrüstung des österreichischen Bundesheeres, der damals abgelehnt wurde, gewinnt neue Aktualität und muss dringend in Betracht gezogen werden. Schon Immanuel Kant fordert in seiner berühmten Schrift zum ewigen Frieden, dass nach und nach alle stehenden Heere abzuschaffen sind. Wer, wenn nicht die neutralen Staaten, sollte damit beginnen?
Wir erleben aber leider gerade das Gegenteil: von Abrüstung keine Rede sondern Kriegsrhetorik und Rüstungswahn. Ich empfehle das Buch von Jonas Tögel: „Kognitive Kriegsführung“, in dem die Techniken der Meinungsmanipulation beschrieben werden. Es wird Angst geschürt und es werden unversöhnliche Feindbilder produziert. Österreich muss sich angeblich vor einem militärischen Aggressor mit modernsten Waffen schützen und sich zu seiner Sicherheit an dem milliardenschweren NATO-Projekt „Sky Shield“ beteiligen. Es ist ein demokratiepolitischer Skandal, dass über diese gewichtigen Fragen keine breite kontroverse Diskussion stattfindet. In welchen Bereichen sind Investitionen vorrangig? Rüstung oder Sozialbereich? Gesundheitswesen, Altenpflege? Umbau der Infrastruktur in Richtung Zukunftsfähigkeit?
Es ist auch ein neutralitätspolitischer Skandal, dass Österreich als neutrales Land sich mit Sky Shield in die russlandfeindliche NATO-Front einreihen will. Aber auch sicherheitspolitisch ist es wahnwitzig, Österreich damit zu einem legitimen Kriegsziel zu machen. Die Alternative bedeutet: „Sicherheit neu denken“ (https://www.sicherheitneudenken.de/)
Statt einer geforderten Kriegstüchtigkeit brauchen wir Zukunftsveratwortung – generationenübergreifende Solidarität – und Friedensbereitschaft!
Die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 sind nur demokratisch und mit internationaler Kooperation erreichbar. Frieden ist dafür eine Grundvoraussetzung.
Wir müssen Kriegspropaganda und Spaltungstechniken erkennen und verstehen und dürfen uns daran nicht beteiligen. Ein wesentliches Hindernis für Kooperation ist die sogenannte „Kontaktschuld“, die dazu führt, dass sich Personen oder Gruppen voneinander „distanzieren“, statt in wesentlichen Fragen zu kooperieren. Wir brauchen einen wertschätzenden sachlichen Diskurs, müssen den öffentlichen Debattenraum als Kernstück der Demokratie erweitern, Meinungsfreiheit praktizieren und Andersdenkende zu verstehen versuchen statt zu diskreditieren.
Die Natur des Menschen ist ambivalent: Der Gastfreundschaft steht Fremdenfeindlichkeit gegenüber, der Kooperation die Konkurrenz, der Aggression die Mitmenschlichkeit. Statt wie heute üblich, Aggression zu schüren, gilt es, die positive Seite des Menschen anzusprechen, die Mitmenschlichkeit und Friedensbereitschaft. Darauf beruht der Erfolg gewaltfreier Aktion, nach dem Motto: There is no way to peace – peace is the way!