„Krieg ist ein Zustand, bei dem Menschen aufeinander schießen, die sich nicht kennen, auf Befehl von Menschen, die sich wohl kennen, aber nicht aufeinander schießen.“ (Georg Bernhard Shaw). Hier ein Auszug aus dem Friedenskalender 2023 zum Weihnachtsfrieden 1914 mitten im Gemetzel des 1. Weltkriegs.
Zu Weihnachten 1914, einige Monate nach Beginn des 1. Weltkriegs, konnte diese Herrschaftslogik des Krieges für kurze Zeit durchbrochen werden. Eine spontane Friedensbewegung erreichte die flandrische Front. Britische, deutsche, französische Soldaten verbrüderten sich im Niemandsland, feierten zusammen Weihnachten, sangen Lieder, tauschten Geschenke aus und spielten Fußball miteinander. "Stell Dir vor: Während du zuhause Deinen Truthahn gegessen hast, plauderte ich da draußen mit den Männern, die ich ein paar Stunden vorher noch zu töten versucht hatte", schreibt ein Augenzeuge beinahe ungläubig seiner Frau. Ein anderer berichtet: „Kein Schuss fiel, durch die Nacht klangen von der vordersten Front her die herrlichen Weihnachtslieder. Ein unvergesslicher Eindruck für jeden, der dieses Weihnachten miterlebt hat.“
Der Weihnachtsfriede erfasste große Teile der Westfront und dauerte bis 26. Dezember, an manchen Frontabschnitten sogar bis in den Jänner 1915 hinein. Auch an einigen Abschnitten der Ostfront schlossen einfache Soldaten kurzfristig Waffenstillstand. Der Hass, den die Mächtigen, die sich kennen aber nicht töten, predigten, damit die, die sich nicht kennen, gegenseitig abschlachten, erreichte die einfachen Soldaten nicht mehr.
Der Weihnachtsfriede 1914 war eine Massenbewegung von unten, die – so schätzen Historiker - über 100.000 Soldaten erfasste. Nach fünf Monaten Krieg waren bis Dezember 2014 bereits eine Million Soldaten gefallen. Ernüchtert vom Gemetzel und den unerträglichen Lebensbedingungen in den Schützengräben, spürten wohl viele, dass sie mit jenen im gegnerischen Schützengraben weit mehr verband als mit den „eigenen“ Oberen.
Den Oberen jagte diese spontane Massenbewegung von unten einen gehörigen Schreck ein. Generäle und Politiker waren entsetzt, dass sich einfache Soldaten über ihre Befehle hinwegsetzten. Die Befehlshaber auf beiden Seiten versuchten durch Androhung rigoroser Strafen jede Verbrüderung mit dem Feind zu unterbinden. Als auf deutscher Seite auch das nicht immer die gewünschte Wirkung zeigte, wurden die besonders aufsässigen Regimenter aufgelöst und mit unverbrauchten Truppen aus dem Hinterland gemischt. Für die Zukunft drohte die Oberste Heeresleitung mit Kriegsgerichtsverfahren und Hinrichtungen, falls wieder ohne Befehl die Waffen niedergelegt würden. Jede Berichterstattung über den Weihnachtsfrieden 1914 wurde unterdrückt.
Das Singen von Weihnachtsliedern im Schützengraben, das 1914 vielfach der Auslöser für die Verbrüderung war, wurde 1915 untersagt. Trotzdem kam es auch später noch zu Waffenstillständen von unten, massenhaft 1916 und 1917 an der Ostfront.
(Auszug aus dem Friedenskalender 2023. Hier dazu nähere Informationen und Bestellmöglichkeit.