In der israelischen Politik wird bereits der Vergleich der Terroranschläge am 11. September 2001 in New York und Washington mit jenen am 7. Oktober 2023 an der Grenze zu Gaza gezogen. Wer diesen Vergleich zieht, will offensichtlich ähnliche Konsequenzen ziehen. Nichts wäre schlimmer als das.


Zweifellos sind die beiden Terroranschläge abscheuliche Verbrechen gegen wehrlose ZivilistInnen gewesen, die durch nichts zu rechtfertigen sind. Doch die Bilanz des „War on Terrors“, den die USA und ihre Verbündeten nach 9/11 ausriefen, ist katastrophal: Dieser „War on Terror“ kostete – so die Schätzungen von verschiedenen Studien und Universitätsinstituten - allein in den Kriegen gegen Afghanistan und Irak rund drei Millionen Menschen das Leben (1). Das ist rund die 1.000-Fache Zahl an Menschen, die bei den Attentaten am 11. September getötet wurden. In ihrer großen Mehrzahl ebenfalls wehrlose ZivilistInnen. Der „War on Terror“ zog nicht nur eine unfassbare Blutspur nach sich, er verschlang auch Unsummen an Geld. Mit dem „War on Terror“ rauschten die weltweiten Militärausgaben in sagenhafte Höhen. Sie liegen heute inflationsbereinigt um eine Billion US-Dollar über dem damaligen Wert.

Das völlige Versagen des „War on Terror“
Im Kampf gegen den Terrorismus versagte der Krieg gegen den Terror dagegen auf ganzer Linie. Alles ExpertInnen gehen davon aus, dass sich mit dem „War on Terror“ die Zahl der DschihadistInnen vervielfacht hat. Der Irak, in dem der Dschihadismus vor 2003 keinen Boden hatte, wurde erst durch die Invasion der Amerikaner zu einem Hexenkessel sektiererischer Kämpfe und zur Brutstätte des Islamischen Staats. 2021 mussten sich die US- und EU-Truppen nach 20 Jahren blutigen Krieges geschlagen aus Afghanistan zurückziehen. Diese Kriege haben in jeder Hinsicht das Gegenteil von dem erreicht, wofür sie ausgerufen wurden. Nur der Militärisch-Industrielle-Komplex hat davon profitiert.

Wenn die israelische Regierung heute das Massaker am 7. Oktober mit den Anschlägen vom 11. September vergleicht, so ist das deshalb so brandgefährlich, weil offensichtlich ein neuer „War on Terror“ ausgerufen werden soll. Schon jetzt sehen wir, was das heißt: In Gaza werden derzeit Stunde für Stunde ganze Wohnblöcke in die Luft gejagt, zugleich soll die Bevölkerung ausgehungert werden. Doch auch das ist Terror, der sich wahllos gegen die Zivilbevölkerung richtet und weder moralisch noch völkerrechtlich zu rechtfertigen ist. Was kommt als nächstes? Das völlige Plattmachen von Gaza, die Annexion des Westjordanlandes, der Angriff auf den Iran? Das alles sind die Ziele, die schon seit langem auf der Agenda des völlig nach rechts gedrifteten israelischen Machtestablishments stehen. Die Folgen wären verheerend, nicht nur für die Menschen im Nahen Osten.

Für eine „Friedenswende“!
Die Welt kann sich keinen zweiten „War on Terror“ mehr leisten. Auch diese Kriege sind Terror und produzieren neue Generationen von TerroristInnen. Der Terrorismus kann letztlich nur überwunden werden, wenn seine Wurzeln trockengelegt werden: Entrechtung, Demütigung, Besatzung, völkerrechtswidrige Aggressionen, himmelschreiende soziale Ungerechtigkeiten. Sehen wir den ersten „War on Terror“ als Menetekel an der Wand, das sich nie wieder wiederholen darf. Wir brauchen eine „Friedenswende“, durch die Krieg als Mittel der Politik eliminiert wird. Die Welt ist zu verletzlich und vernetzt geworden, auch die militärischen Großmächte scheitern an den Folgen der von ihnen losgetretenen Kriege. Die großen Herausforderungen unserer Zeit, insbesondere die alle betreffende Klimakrise, können nur kooperativ gelöst werden. Wir brauchen Zusammenarbeit statt Konfrontation, Abrüstung statt Aufrüstung, Völkerrecht statt Faustrecht! Krieg war zu jeder Zeit abscheulich, aber heute können wir uns ihn nicht mehr leisten. Erinnern wir uns an die Worte der österreichischen Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner:

„Rache und immer wieder Rache! Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut, das soll immer wieder mit Blut ausgewaschen werden.“

Einen Ausweg aus diesem Teufelskreis der Gewalt zu finden, ist heute nicht nur pazifistisches Credo, sondern harte Realpolitik. Damit sich diese Einsicht durchsetzen kann, müssen wir an einer starken Friedensbewegung arbeiten. Auch deren Abwesenheit können wir uns nicht mehr länger leisten.

(Oktober 2023)

Quellen:
(1) Details siehe: https://www.solidarwerkstatt.at/international/20-jahre-krieg-gegen-den-terror-eine-furchtbare-bilanz

Hinweis:
Solidarwerkstatt-Dossier zum Krieg in Palästina
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