Es gibt eine völlig unverdächtige Quelle dafür, wer die jihadistischen Terrorgruppen in Syrien finanziert und aufgerüstet hat: den US-amerikanischen Vize-Präsidenten Joe Biden. Bei einem Vortrag an der Harvard-Universität im Herbst 2014 nahm sich Biden kein Blatt vor den Mund: „Saudi-Arabien, die Vereinigte Arabische Emirate und die Türkei waren so entschlossen, Assad zu stürzen und einen sunnitisch-schiitischen Krieg zu führen, – was also taten sie? Sie schütteten jeden, der gegen Assad kämpfen wollte, mit Hunderten Millionen Dollar und Dutzenden, ja, Tausenden Tonnen Waffen zu. Allerdings belieferten sie auch Leute von al-Nusra und al-Qaida und die extremistischen Elemente der Jihadisten aus allen Teilen der Welt“ (1). Bekanntlich kam es dadurch auch zum Aufstieg des „Islamischen Staats“ (IS), der sich u.a. aus al-Qaida rekrutierte. Biden hat allerdings vergessen zu erwähnen, wer seinerseits diese Terrorfinanzier-Staaten mit Waffen beliefert. Anhand der jüngst veröffentlichten Waffenexportstatistiken des Stockholmer Konfliktforschungsinstituts SIPRI können wir diese Leerstelle füllen (sh. Grafik). Die Antwort ist erschütternd einfach: Auf die USA, die EU bzw. die mit den westlichen Großmächten eng verbündeten Staaten (z.B. Süd-Korea, Israel,…) entfallen in den letzten 10 Jahren zusammen (sh. Grafik):
- 99,3% der Waffenexporte an die Vereinigten Arabischen Emirate
- 93,2% der Waffenexporte an Saudia-Arabien
- 96,7% der Waffenexporte an die Türkei.
Aufschlussreich, dass die EU-Staaten an erster Stelle bei den Waffenexporten nach Saudi-Arabien liegen. Saudi-Arabien ist eine der brutalsten Diktaturen, die Ideologie des „Islamischen Staates“ ist dort Staatsdoktrin – von der Entrechtung der Frauen bis zum Abhacken von Gliedmaßen und öffentlichen Massenenthauptungen. Auch Österreich liefert Waffen nach Saudi-Arabien und andere Nah-Ost-Diktaturen. Ermöglicht wurde das durch die extreme Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes infolge des EU-Beitritts. Durch zweimalige Novellierungen – zuletzt unter der schwarz-blauen Regierung im Jahr 2002 - wurden alle neutralitätspolitischen Vorbehalte in Bezug auf die Aus-, Ein- und Durchfuhr von Kriegsmaterial aus dem Gesetz eliminiert. Das macht es möglich, dass deutsche Rüstungskonzerne wie die Rheinmetall AG in Österreich produzierte Waffen nach Saudi-Arabien liefern können, die dort zur Niederschlagung von Aufständen eingesetzt werden (sh. Offener Brief ).
Steinmeier lobbyiert für „terroristische Vereinigung“
Dabei unterstützen die westlichen Großmächte die unterschiedlichen Jihad-Fraktionen durchaus nicht nur indirekt über Waffenlieferungen via Saudi-Arabien, VAE und Türkei. Sie machen sich auch politisch für diese Gruppierungen stark. Zuletzt forderte etwa der deutsche Außenminister Steinmeier kategorisch, die Islamisten-Miliz „Ahrar al Sham“ an den Friedensgesprächen über die Zukunft Syriens zu beteiligen. Sein Versuch, diese Gruppierung als „moderate Opposition“ zu verkaufen, wird von deutschen Behörden selbst widerlegt. So wurde 2015 vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht vier Männern der Prozess wegen Unterstützung von Ahrar al Sham gemacht. Der Prozess erhellte, dass Ahrar al Sham eng mit dem al-Qaida-Ableger al-Nusra beim Krieg im Syrien kooperiert. Die deutsche Bundesstaatsanwaltschaft bezeichnet sie als „terroristische Vereinigung“, Mitarbeiter des Bundeskriminalamts der Organisation attestieren eine "klassisch terroristische Kampfführung" (2). Nach Erkenntnis des deutschen Bundesgerichtshofs will Ahrar al Sham „eine Gesellschaftsordnung unter dem Gesetz der Scharia“ errichten, strebe „einen islamischen Staat über die Grenzen des heutigen Syriens“ an und urteilt weiter: „Eine politische Lösung des Konflikts lehnt die Organisation ab, der bewaffnete Kampf wird als einzige Möglichkeit angesehen. Das politische System des zu schaffenden Staates soll auf der Basis der Scharia autoritär geprägt sein, Säkularismus und Demokratie sieht die „Ahrar al Sham“ als Übel an, die in ihrem Staat keinen Platz hätten.“ (3)
Es ist nicht anzunehmen, dass Steinmeier diese Erkenntnisse deutscher Behörden, die im Internet nachzulesen sind, nicht kennt. Doch auch in Berlin und Brüssel gilt, was seinerzeit US-Präsident Eisenhower über einen lateinamerikanischen Diktator äußerte: „Sicherlich ist er ein Schweinehund, aber er ist unser Schweinehund.“
Gerald Oberansmayr
(11.3.2016)
Quellen:
(1) https://www.youtube.com/watch?v=SOf7jzc7faY
(2) Steinmeier und das Oberlandesgericht, in: www.german-foreign-policy.com, 28.1.2016
(2) Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes, BGH AK 10/15, 19. Mai 2015
Siehe auch Dossier: "Fluchtursachen bekämpfen, nicht Flüchtlinge!"
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&view=article&id=1445&Itemid=1