Am 5. Juni fand in Linz eine kleine, aber nichtsdestotrotz wichtige Protestaktion gegen die NATO-Truppentransporte statt. Eine kurze Nachbetrachtung zu den vielfältigen Redebeiträgen.



Einige Dutzend FriedensaktivistInnen protestierten auf Einladung der Solidarwerkstatt am 5. Juni vor dem Linzer Hauptbahnhof unter dem Motto „Stopp den NATO-Truppentransporten durch Österreich! Ja zur Neutralität!“. Denn von 20. Mai bis 29. Juni rollen 1.500 US-SoldatInnen und 400 Militärfahrzeuge zum NATO-Militärmanöver „Saber Guardian“ („Wächter des Säbels“) durch Österreich. Dieses Militärmanöver dient einzig und allein zum Säbelrasseln gegenüber Russland. Diese Durchfuhr von Truppen und Kriegsgerät zu einem Militärmanöver, das dem Anheizen von Spannungen dient, ist mit der Neutralität völlig unvereinbar. Denn – wie es im Aufruf für diese Kundgebung heißt – „die Neutralität verpflichtet schon in Friedenszeiten dazu, alles zu tun, um nicht kriegerisches Aufmarschgebiet zu werden und aggressive Drohgebärden zu unterstützen.“

„Eklatanter Verstoß gegen die Neutralität“

FriedensaktivistInnen aus unterschiedlichen politischen Zugängen riefen zum Engagement gegen Militarisierung und Neutralitätsdemontage auf. Raffael Schöberl, Bundesvorsitzender der KJÖ, hob den engen Zusammenhang zwischen diesen Truppentransporten und der EU-Militarisierung hervor. So sei die Novellierung des Kriegsmaterial- und Truppenaufenthaltsgesetzes im Jahr 2001 „ein eklatanter Verstoß gegen die Neutralität gewesen“, um die Tür für EU- und NATO-Militärtransporte durch Österreich sperrangelweit zu öffnen. „Der Bruch mit der EU“, die untrennbar mit den Interessen des Großkapitals verbunden ist, müsse daher für die fortschrittlichen Kräfte „in den Vordergrund gerückt werden“, so das Resümee von Raffael Schöberl.

Ausstieg aus EU-SSZ!

Wilhelm Langthaler (Personenkomitee Selbstbestimmtes Österreich) rief dazu auf, der Eskalationspolitik der westlichen Großmächte gegenüber Russland entgegenzutreten. Für die österreichische Außenpolitik müsse das heißen: 1) Schluss mit den Sanktionen gegenüber Russland, 2) Unterstützung des Minsker Friedensplans in der Ukraine, der von den Westmächten ständig hintertrieben wird, 3) Ausstieg aus dem militärischen EU-Kerneuropa EU-SSZ/Pesco, durch die Österreich zum Mitmarschieren bei EU-Kriegen und zur permanenten Aufrüstung verpflichtet wird.

Zwischen dieser EU-SSZ und den Waffentransporten durch Österreich gibt es einen direkten Zusammenhang. Denn eines dieser SSZ-Projekte ist es, Straßen- und Transportwege „panzerfit“ zu machen, damit schwerstes Kriegsgerät noch schneller nach Osten oder Süden verlegt werden kann. Die EU hat unter dem Schlagwort „Militärische Mobilität“ dafür sogar einen 6,5 Milliarden schweren Finanzierungstopf bereitgestellt.

Keine Beteiligung an Ausbeuter- und Angriffskriegen

Ein Vertreter des Antifaschistischen Infoblatts zeigte auf, wie stark Österreich bereits in der Vergangenheit aufgrund seiner EU-Einbindung sich zumindest indirekt an westlichen Ausbeuter- und Angriffskriegen beteiligte, z.B. beim Krieg gegen Jugoslawien, Afghanistan, Libyen. Da die Mächtigen wissen, wie stark die Neutralität in der Bevölkerung verankert ist, wollen sie die Neutralität scheibchenweise „Stück für Stück“ entsorgen. Dem gelte es entschieden entgegenzutreten.

Neutralität = Brände löschen statt sich an Brandstiftung beteiligen

Peter Öfferlbauer, Aktivist der christlichen Friedensbewegung Pax Christi, mahnte, nicht mehr länger gegenüber der „Brandstiftung im islamisch/arabischen Nachbarschaftsraum“ zu schweigen. Gerade die zwei Kriege gegen den Irak hätten die gesamte Region in ein Pulverfass verwandelt. Neutralität müsse ein Instrument zur Friedenssicherung sein, um sich für friedliche Konfliktlösungen einzusetzen, also Brände zu löschen, statt sich mit Durchfuhrgenehmigungen für NATO-Militärtransporte an der Brandstiftung zu beteiligen.

„Gefährliche Kleingeisterei“ des Bundespräsidenten

Auch Johanna Weichselbaumer, Aktivistin der Solidarwerkstatt, rief dazu auf, alles zu tun, um „einen dritten Ostfeldzug zu verhindern.“ Aus geschichtlicher Erfahrung finde sie die ständige Polemik von Bundespräsident Van der Bellen gegen die sog. „Kleinstaaterei“ unterträglich. Damit knüpfe der Bundespräsident an die deutschnationale Propaganda der extremen Rechten an, um der völligen Unterordnung unter eine hochgerüstete, von Berlin geführten EU-Großmacht das Wort zu reden. Van der Bellens Attacken auf den neutralen Kleinstaat Österreich seien daher „eine gefährliche Kleingeisterei, eine Einbahnstraße in die Vergangenheit“ des unseligen Großmachtschauvinismus. „Weder das Mitmarschieren bei EU-Kriegen noch das Mitgegröle des Pro-EU-Gelübdes macht Österreich bedeutungsvoll, sondern mutige, kreative, friedenspolitische Entscheidungen auf Basis unserer Neutralität.“

Internationale Solidarität und Klimaschutz

Andreas Auzinger von der gewerkschaftlichen Linken unterstrich die Bedeutung der internationalen Solidarität und der Gewerkschaften für die Friedensarbeit. So haben vor Kurzem italienische HafenarbeiterInnen den Transport von Kriegsgerät nach Saudi-Arabien durch einen Streik verhindert. Es wäre auch in Österreich ein Auftrag an die Gewerkschaften, solche neutralitätswidrigen Militärtransporte auf Österreichs Schienen zu bekämpfen. Andreas Auzinger rief auch die Klimabewegung auf, sich gegen Aufrüstung und Krieg zu engagieren. Insbesondere das US-amerikanische Militär zähle „zum größten Klimakiller auf unserem Planeten.“

„Gemeinsames Haus Europa“

Moderator Boris Lechthaler (Solidarwerkstatt) unterstrich abschließend, dass die EU keineswegs ein Friedens-, sondern ein imperialistisches Hochrüstungsprojekt sei. Dem gelte es die Vision eines „gemeinsamen Hauses Europa“ entgegenzustellen, das nicht auf Konfrontation und Aufrüstung, sondern auf friedliche Kooperation, Vielfalt und Respekt vor dem Völkerrecht und der Souveräntität der Staaten aufbaue. Gerade ein neutrales Österreich könne für ein solches „gemeinsames Haus“ wertvolle Dienste leisten, wenn es sich aus der EU-Unterordnung befreit.

Nato Transporte 2

Wiederbelebung der Friedensbewegung!

Ein Nachsatz: Diese Kundgebung war wichtig, um zu zeigen, dass dieser Angriff auf die Neutralität nicht widerstandslos über die Bühne geht. Trotzdem sind angesichts der rasanten Aufrüstung und Kriegsgefahr ein paar Dutzend FriedensdemonstrantInnen erschreckend wenig. Das hat mehrere Gründe: Die Parteien – schwarz, blau, rot, grün, pink - unterstützen die EU-Militarisierung und haben die Kritik daran faktisch zum Tabu erklärt. Über ein dichtes Abhängigkeitsgeflecht greift dieses Tabu bis weit in die Jugendorganisationen und NGO-Szene hinein. Eine Wiederbelebung der Friedensbewegung wird daher stark davon abhängen, dass Organisationen wie die Solidarwerkstatt, die sich konsequent diesen politischen und finanziellen Abhängigkeiten vom Establishment verweigern, stärker werden. Dazu kann jeder und jede beitragen.

(6. Juni 2019)

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