Die Militarisierung der Europäischen Union erlebt derzeit einen neuen "Quantensprung". EU-Ratspräsident Michel nannte die Aufrüstung und Kriegsfähigmachung der EU sogar als „das Ziel Nummer 1 unserer Generation“. Wir werden daher ab Jänner 2023 (wieder) ein Tagebuch über diese Militarisierung führen, um regelmäßig die kleinen und großen Schritte der EU-Militarisierung zu dokumentieren, gegen die wir uns mit aller Kraft wehren müssen. Die Waffen nieder!
März 2023
8.3.2023
Im Ministerrat beschließt die Bundesregierung die Teilnahme Österreichs an der neuen EU-Militärmission in Niger. Als Grund wird u.a. der „Kampf gegen den Terrorismus“ genannt. Angeführt wird die EU-Mission wird von Frankreich. Französische Konzerne bauen in Niger Uran für die französische Atomindustrie ab. Auf der Strecke bleiben dabei Menschen und Natur. 2022 gab es große zivilgesellschaftliche Proteste in Niger gegen die französische Militärpräsenz im Land. Der österreichische Außenminister Schallenberg begründete die Teilnahme Österreichs damit, das die „EU in der Region Flagge zeigen muss.“ (APA, 8.3.2023). Wie es mit der Neutralität vereinbar ist, dass österreichische SoldatInnen an einer EU-Militärmission in Afrika teilnehmen, um französische Atominteressen zu verteidigen, erläuterte Schallenberg nicht.
1.3.2023:
Das dänische Parlament beschließt die Aufhebung eines kirchlichen Feiertags, den es bereits seit dem 17. Jahrhundert gibt. Der zusätzliche Werktag soll Regierungsrechnungen zufolge etwa zusätzliche drei Milliarden dänische Kronen (etwa 400 Millionen Euro) in die Staatskasse spülen. Diese Einnahmen werden zweckgebunden für die Erhöhung der Wehretats, um rascher das Ziel zu erreichen, zumindest 2 Prozent des BIPs für Militär auszugeben.
Februar 2023
23.2.2023:
Der britische Rüstungskonzern BAE-Systems veröffentlicht den Geschäftsbericht 2022: Der Auftragsbestand erreicht einen neuen Höchststand von 37,1 Milliarden Pfund - Zuwachs gegenüber 2021 von über 72 Prozent.
22.2.2023:
Die Aktie des führenden deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall steigt auf ein neues Rekordhoch von 254 Euro. Ein Zuwachs von über 160% innerhalb eines Jahres.
18.2.2023:
Die EU plant bis zu 170 weitere Militärsatelliten in den kommen vier Jahren in den Weltraum zu schicken, um "Europa als Weltraummacht, Wirtschaftsmacht und als Verteidigungsmacht" zu stärken. (orf.at, 18.2.2023)
17.2.2023:
Die deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius fordert bei der Münchner Sicherheitskonferenz, dass 2 Prozent des BIP für das Militär in Hinkunft zur Untergrenze in der NATO werden. Länder wie Polen wollen den Militärhaushalt bald auf 5% des Bruttoinlandprodukts in die Höhe schrauben.
16.2.2023:
Der deutsch-französische Konzern Airbus präsentiert den Geschäftsbericht 2022: Der Umsatz in der Rüstungssparte stieg gegenüber dem Vorjahr von 9.175 auf 11.451 Milliarden Euro (plus 25%), der Auftragsbestand an Rüstungsgütern von 43.110 auf 47.242 Milliarden Euro (plus 10%). Die Aktionäre dürfen sich über ein Plus von 20% gegenüber dem Vorjahr freuen.
14.2.2023
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius appeliert an die Rüstungsindustrie "alle Kapazitäten maximal hochzufahren." (zit. nach Kurier, 14.2.2023) "Die 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr werden nicht reichen", stellt er bereits davor weitere Großaufträge für die Waffenschmieden in Aussicht (Süddeutsche Zeitung, 28.1.2023).
10.2.2023:
Die österreichische Parlaments-Korrespondenz informiert über die geplante Aufstockung der EU-Kriegskasse, die 2021 unter dem euphemistischen Namen "EU-Friedensfazilität" ins Leben gerufen wurde. Die für den Zeitraum 2021 bis 2027 geplanten 5,7 Milliarden Euro sind bereits zu 86% ausgeschöpft. Bis 2027 werde die "Friedensfazilität" daher voraussichtlich verdoppelt: Plus 2 Milliarden bis 2024, mit der Option auf weitere 3,5 Milliarden bis 2027. Aus dieser Kriegskasse werden derzeit vor allem Waffen für die Ukraine finanziert, Österreich zahlt mit einem Anteil von 2,78% mit.
13.2.2023:
Der Völkerrechtler Ralph Janik äußert gegenüber dem Ö1-Morgenjournal, dass "die Neutralität zurücktrete, wenn es einen entsprechenden Beschluss des EU-Rates gibt." Damit bestätigt er, was die Solidarwerkstatt Österreich nicht müde wird zu betonen: Die österreichische Neutralität ist mit der Teilnahme an der EU-Außen- und Sicherheitspolitik schlicht unvereinbar. Die österreichischen Regierungen streuen diesbezüglich der Bevölkerung systematisch Sand in die Augen.
Jänner 2023
29.1.2023:
Die EU-Rüstungsagentur kündigt an, zwei weitere Militärprojekte im Rahmen der „Ständig Strukturierten Zusammenarbeit“ (EU-SSZ/Pesco) zu unterstützen: den Ausbau der Transportkapazitäten für EU-Militäreinsätze mittlerer und langer Reichweite (Future Medium-Size Tactical Cargo, Strategic Air Transport For Outsized Cargo). Geführt werden die Projekte von Deutschland bzw. Frankreich. Weitere Projektteilnehmer sind Spanien, Schweden, Tschechien und die Niederlande (Quelle: Aviacionline, 29.1.2023).
26.1.2023:
Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, forderte eine Neuaufstellung der EU-Rüstungsproduktion. Notwendig sei „eine Art Kriegswirtschaft in der EU, um Stabilität und Sicherheit gewährleisten zu können“. (Quelle: Focus, 26.1.2023)
24.1.2023:
Der Hohe Vertreter und Vizepräsident der Europäischen Union Josep Borrell und EU- Binnenmarktkommissar Thierry Breton haben auf der 15. Europäischen Raumfahrtkonferenz die Prioritäten der europäischen Raumfahrtpolitik für das Jahr 2023 vorgestellt. Ein zentraler Schwerpunkt: die verstärkte Militarisierung des Weltraums, da „der geopolitische Wettbewerb, den wir auf der Erde erleben, nun zunehmend in den Weltraum projiziert wird.“ Neue Erdbeobachtungs- und Weltraumlageerkundungsdienste sollen „für Sicherheits- und Verteidigungsoperationen genutzt werden.“ (Quelle: Pressemitteilung 24.1.2023, https://germany.representation.ec.europa.eu/)
22.1.2023:
Der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius unterstreicht den militärischen Führungsanspruch Deutschlands in der EU. Pistorius: „Deutschland ist die größte Volkswirtschaft in Europa. Deswegen sollte es auch unser Ziel sein, die stärkste und am besten ausgestattete Armee in der EU zu haben.“ Sein „Job“ sei es, „die Weichen dafür zu stellen, dass die Zeitenwende gelingt“ (Quelle: n-tv.de 22.01.2023)
22.1.2023:
Zum 60. Jahrestag des Élysée-Vertrages bekräftigen die deutschen und französischen Regierungsspitzen in einer deutsch-französischen Erklärung die gemeinsamen Rüstungsanstrengungen ihrer Länder, dazu zählen u.a.:
- das Luftkampfsystem Future Combat Air System (FCAS) mit Kosten von 500 Milliarden Euro
- das Kampfpanzersystems Main Ground Combat System (MGCS) mit Kosten von etwa 100 Milliarden Euro
- die weitere Militarisierung des Weltraums
Gefordert wird auch die Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzip in der EU-Außen- und Sicherheitspolitik, um EU-Militäreinsätze leichter durchsetzen und damit die EU als „geopolitischen Akteur zu stärken.“
(Quelle: Deutsch-französische Erklärung, 22.1.2023)
20.1.2023:
Präsident Emmanuel Macron kündigt an, Frankreichs Militärausgaben drastisch erhöhen. Von 2024 bis 2030 sollen insgesamt 400 Milliarden Euro in den Verteidigungshaushalt fließen. In einem ähnlichen Plan für den Zeitraum 2019 bis 2025 sind Ausgaben von etwa 295 Milliarden Euro vorgesehen. Eine Steigerung um gut 35%.
Erhöht werden sollen vor allem die Ausgaben für das Atomwaffenarsenal aber auch für neue Flugzeugträger und Drohnensysteme. Die gemeinsame europäische Militärpolitik müsse weiter gestärkt werden, sagte Macron. Dabei gehe es unter anderem um die EU-Fähigkeit, zusammen eine große Militäroperation zu leiten. Frankreich wolle dafür bis zu 20.000 Soldaten stellen. (Quelle: Tagesschau, 20.1.2023)
13.1.2023:
Die Wehrbeauftragte des deutschen Bundestags, Eva Högl, fordert die Verdreifachung des Sondervermögens für die Aufrüstung der deutschen Bundeswehr von 100 auf 300 Milliarden Euro (Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung).