Der jüngste Militärschlag der USA, Frankreichs und Großbritannien gegen Syrien zeigt einmal mehr: Die westlichen Großmächte setzen die Politik des internationalen Rowdytums fort. Nach dem Motto „Zuerst schießen, dann fragen“ wird das Völkerrecht mit Füßen getreten. Mittlerweile tauchen erhebliche Zweifel an der offiziellen Version der Ereignisse in Douma auf.

Das Bombardements der USA, Frankreichs und Großbritannien gegen Syrien am 14. April wurde vorgenommen, noch bevor die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) eine Untersuchung vornehmen konnte, ob es zu einem Giftgasangriff im syrischen Duma gekommen ist bzw. wer dahinter steckt. Mittlerweile dringen aus unterschiedlichen Quellen Informationen an die Öffentlichkeit, die in Frage stellen, dass überhaupt ein solcher Giftgaseinsatz stattfand. So veröffentliche die Londoner Tageszeitung „The Independent“ einen Bericht des renommierten britischen Nahostkorrespondenten Robert Fisk, der vor wenigen Tagen die syrische Stadt Douma besuchte. Er sprach dort mit einem Arzt, der in der unterirdischen Krankenstation arbeitet, in der die Opfer des – angeblichen – Giftgasangriffs vom 7. April behandelt wurden. Fisk zitiert diesen Arzt:

„Es gab viel Beschuss (durch Regierungstruppen) und Kampfflugzeuge flogen über Douma in der Nacht – aber in dieser Nacht gab es Wind und heftige Staubwolken kamen in das Unter- und Kellergeschoß, wo die Leute lebten. Es kamen Leute, die an Sauerstoffmangel litten. Dann schrie einer von den ‚Weißen Helmen‘: „Gas!“ – und eine Panik brach aus. Die Leute begannen sich gegenseitig mit Wasser zu überschütten. Ja, das Video, das hier gefilmt wurde, ist echt, aber was sie sehen, sind Leute, die an Sauerstoffmangel litten, nicht an Giftgas.“ (1)

Nach Recherchen  der – den Golfstaaten nahestehenden – Publikation „National.ae“ (Abu Dhabi), werden die „Weißhelme“ aus US-amerikanischen, britischen und deutschen Quellen finanziert (2). Im Mai 2017 lobte der jihadistische Al-Kaida-Ableger in Syrien die „Weißhelme“ als „verborgene Soldaten der Revolution“ (3).

"Keinerlei Belege"

Zum selben Ergebnis wie Robert Fisk kommt die Schweizer Forschungseinrichtung "Basel Institute of Commons and Economics". Dieses Institut stützt sich auf Bericht des konservativen US-TV-Senders OANN („One Americas News Network“), der US-Präsident Trump durchaus nahe steht. OANN befragte die Bewohner und Ärzte in Gouta nach den Ereignissen am 7. April. Der TV-Bericht – so das Schweizer Institut - zeige, dass „keinerlei Beleg“ für einen solchen Angriff vorliegen. (4)

Unlängst wurde außerdem bekannt, dass das Syrian Scientific Studies and Research Center (SSRC) in Barzah, das am Samstag bei den westlichen Luftschlägen zerstört wurde, im November von der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) überprüft wurde. Der OPCW zufolge hat das SSRC nicht, wie es zur Begründung des Bombardements heißt, der Erforschung von Chemiewaffen gedient; vielmehr habe die Organisation keinerlei verdächtige Substanzen vorgefunden und keine verdächtigen Aktivitäten feststellen können. Das ist einem Bericht der OPWC zu entnehmen, der am 23. März 2018 - drei Wochen vor der Bombardierung – veröffentlicht wurde. (5)

„Irgendwie gedeckt“

In Syrien setzen die westlichen Großmächte die Politik der Kriegslügen und des Herumtrampelns auf dem Völkerrechts fort, wie es schon bei den Kriegen gegen Jugoslawien, Irak und Libyen praktiziert wurde. Und die österreichische Außenpolitik torkelt wieder einmal jämmerlich hinterher. So erklärte die neue Außenministerin Kneissl zwar zunächst, sie könne sich eine „Vermittlerrolle Österreichs“ im Syrien-Konflikt vorstellen – um sich gleich darauf für diese Rolle – und als Außenministerin – völlig zu disqualifizieren. Kneissl wörtlich: "Nun kann man völkerrechtlich puristisch sein, und sagen, es hätte eine weitere Sitzung geben müssen, um das zu legitimieren.“ Wenn man, so Kneissl, "pragmatisch-politisch" argumentiere, könne man aber sagen, "es gibt eine grundsätzliche Haltung des UNO-Sicherheitsrates", dass ein Militärschlag wegen des wiederholten Einsatzes von Chemiewaffen "irgendwie gedeckt" sei (6).

Nach Ansicht der österreichischen Außenministerin braucht es offensichtlich weder Sitzungen noch konkrete Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates mehr, um die westlichen Kriegsmaschinen von der Leine zu lassen– alles „irgendwie gedeckt“, selbst wenn man nicht einmal weiß, was vor Ort überhaupt geschehen ist. Das öffnet die Tür für jede Art von internationalem Rowdytum und verspielt die Legitimation für eine glaubwürdige Vermittlungspolitik, denn diese erfordert Haltung und nicht Duckmäusertum.

Soviel gefährlicher Unfug aus dem Munde der Außenministerin ist unfassbar. Dass die gesamte parlamentarische Opposition nicht ein Sterbenswörtlichen der Kritik an diesem Völkerrechtsnihilismus fand, ebenso.

Gerald Oberansmayr
(April 2018)

Quellen: