Rede Gerhard Kofler, Obmann Förderverein AbFaNG (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), bei der Kundgebung „NEIN zu NATO Truppentransporten durch Österreich“ am 18. Juni 2021vor der Burstyn-Kaserne, Zwölfaxing, NÖ

Lässt man die letzten 20 oder mehr Jahre Gerangel innerhalb und außerhalb des Bundesheeres und des Verteidigungsministeriums Revue passieren, dann stellt man fest, dass das Denken in diesen Institutionen wie in Beton festgefahren scheint und in den letzten Monaten eine hektische Aktivität im BMLV festzustellen ist.  Allein seit Jänner 2021 schleuderte die Presseabteilung des BMLV bisher 118 (!) Pressemeldungen mit vorgestrecktem Kinn in die Öffentlichkeit. Durchforstete man deren Inhalt, so stellt man ein Übermaß an Selbstbeweihräucherung fest und krampfhafter Versuche, das Heer modern und volksnah erscheinen zu lassen, hier vor allem durch den Einsatz des Heeres bei den Coronamaßnahmen.

Wirklich neue Ideen oder neue Konzepte lassen sich in den vielen Pressetexten kaum finden und das Thema Frieden, Neutralität und Gewaltfreiheit kommt überhaupt nicht vor. Selbst den Einladungen zu Veranstaltungen zur Neuorientierung, wie der im Mai stattgefundenen Tagung „Heeresgeschichtliches Museum neu? – Chancen einer angesagten Reform“ im Literaturhaus Wien, kam niemand vom HGM, BMLV oder Bundesheer nach.

Was nützt die bemühte stramme Haltung, wenn man vor den Vorstellungen der NATO und der EU-Militaristen in die Knie geht, anstatt kreative neue Ideen für die Förderung des Friedens, der Neutralität und Gewaltfreiheit auf den Tisch zu legen. Mit konstruktiven Ideen und Konzepten, die seit geraumer Zeit in den Schubladen der österreichischen  Friedenforschungsinstituten liegen, könnte man die internationale Position unseres Alpenlandes mehr ins Gespräch bringen, als mit Unterwürfigkeit. Und mit dieser gebückten Haltung unterläuft man ständig alles, was eine aktive Neutralitätspolitik erforderlich machen würde: Statt sich, allein aus Neutralitätsgründen, gegen die Einvernahme unserer Militärexperten durch die sogenannte „Partnership for Peace“ (PfP) oder die  „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (SSZ – besser bekannt als PESCO) zur Wehr zu setzen, wäre es an der Zeit, die für Österreich maßgeschneiderte Rolle als Vermittler und Friedensstifter zu forcieren und Friedensexperten und Diplomaten statt Militärs einzusetzen, um unserer Rolle als Brückenbauer zwischen den Mächtigen diese Welt zu festigen. Die kluge Strategie unserer Diplomaten bei der Gestaltung des Atomwaffenverbotsvertrages (AVV) könnte hier als Vorbild dienen.

Aber wie gesagt, im Verteidigungsministerium und Bundesheer dominiert das alte Denken. Dieses zeichnet sich u.a. aus durch

  • technokratisches Vorgehen, in dem technische und nicht menschenfreundliche und friedensfördernde Lösungen im Vordergrund stehen,
  • Abschottung gegenüber Andersdenkenden – statt den Dialog sucht man die Distanz,
  • den Kniefall vor den Interessen des industriell-militärischen Komplexes,
  • eine Ausbildung im autoritären militärischen Freund-Feind-Muster, in machiavellischen Strategien, in generalstabsmäßiger Überheblichkeit.

Das Militär basiert auf Unterordnung und Gehorsam. Diese strenge Hierarchie widerspricht dem demokratischen Prinzip. Zum Thema Gehorsam / Ungehorsam schrieb der für die US-Bürgerrechts- und Friedensbewegung wegweisende Politikwissenschaftler und Historiker Howard Zinn (1922 – 2020): „Man sagt, das Problem sei ziviler Ungehorsam, aber das ist nicht unser Problem. Unser Problem ist der zivile Gehorsam. Unser Problem ist die große Anzahl der Menschen auf der ganzen Welt, die dem Diktat ihrer Regierung folgen und deshalb in Kriege ziehen, in denen dann Millionen genau wegen dieses zivilen Gehorsams getötet werden. Unser Problem ist der zivile Gehorsam auf der ganzen Welt, angesichts der Armut, des Hungers, der Dummheit, der Kriege und aller Verbrechen. Unser Problem besteht darin, dass Menschen gehorsam sind, sich die Gefängnisse wegen Bagatellen füllen, während die großen Verbrecher die Staatsgeschäfte führen. Das ist unser Problem!“ Soweit Howard Zinn.

85 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sprechen sich für die Beibehaltung der Neutralität aus. Doch anstatt den Willen der Menschen zu entsprechen, höhlt man, vor allem seit dem Eintritt Österreichs in die Europäische Union, die Neutralität scheibchenweise aus. Zuerst durch die militärische Kooperation bei der von der NATO dominierten PfP und dann durch PESCO (Permanent Structured Cooperation), der Österreich 2017 beitrat. PESCO ist im Prinzip die Vorstufe zu einer EU-Armee. Aus Sicht des Friedensbündnisses AbFaNG hat Österreich sowohl in PfP als auch in PESCO nichts zu suchen, außer eventuell in Projekten der Friedensförderung, Gewaltvermeidung und Konfliktvermittlung.

Anstatt das Wissen der Friedensforscher:innen, der Soziolog:innen und Politolog:innen zu nutzen, setzt man im BMLV und Bundesheer weiterhin auf eine rein militärische Sicherheitsstrategie. Das Militär sucht nicht den Dialog sondern agiert in einem relativ abgeschlossenen Raum, abseits von Friedensforschung, Wissenschaft  und abseits der Bevölkerung. In meiner eigenen Militärzeit habe ich das hautnah erlebt.

Als ich zum Wehrdienst einberufen wurde, verweigerte ich die Waffe. Niemals in meinem Berufsleben habe ich so viel Ratlosigkeit und Hilflosigkeit der Vorgesetzten erlebt, wie beim Bundesheer. Mit diesem, den Offizieren und Unteroffizieren völlig fremden Verhalten – der strikten Ablehnung von Gewalt – wusste niemand umzugehen. Die Anwesenheit der wenigen „Waffenlosen“ in der Kaserne Stammersdorf löste nur Ratlosigkeit aus.  Man wusste auch nicht, was man mit uns tun sollte. Fazit: Meine acht Monate beim Bundesheer waren eine reine Leerzeit, wobei „leer“ hier mit Doppel-E geschrieben wird.

Wann wachen die Verantwortlichen im österreichischen Bundesheer endlich auf? Wann fangen sie an neue Formen der Verteidigung, der aktiven Neutralität zu lernen? Anstatt den militärischen Vorbildern wie den USA, Großbritannien oder Frankreich nachzueifern, anstatt im Freund-Feind-Schema zu denken, sollten sie endlich erkennen, welch friedensförderndes Potential im gewaltfreien Widerstand und in aktiven Vermittlungsbemühungen steckt. Das haben die österreichischen Diplomaten bei der Gestaltung des Atomwaffenverbotsvertrags bravourös vorgeführt. 

Wir sagen daher klar:

NEIN, zu den Transporten fremder Truppen und von militärischem Gerät durch Österreich.

Nein zur NATO und zu Militärbündnissen.

Nein zur Hochrüstung und weiteren Militarisierung.

JA, zur aktiven Neutralität.

JA, zu allen friedensfördernden gewaltfreien Bemühungen.