ImageEine nachhaltige Lösung des Konflikts ist nur auf Basis von Gewaltverzicht, Respekt und Recht erzielbar. Österreich könnte seine Neutralität für die Durchsetzung dieser Prinzipien nutzen, wenn es aus der Unterordnung unter die EU-Außen- und Sicherheitspolitik ausbricht. Die EU kann in diesem Konflikt nicht neutraler Vermittler sein, im Gegenteil, die EU ist für die Zuspitzung der Auseinandersetzungen mitverantwortlich. Seit Jahren wird versucht zur Sicherung des Zugriffs auf fremde Energieressourcen in unmittelbarem Umfeld Russlands Positionen zu besetzen und auszubauen.
Voreilige Schuldzuweisungen sind im Konflikt um Abchasien und Südossetien wenig hilfreich. Das Hauptaugenmerk sollte jetzt nicht auf die Suche nach dem Schuldigen gelegt werden, sondern auf die Suche nach einer Lösung, die für alle Menschen in der Kaukasusregion ein Leben in Würde und Frieden ermöglicht. Eine nachhaltige Lösung kann nur auf Grundlage des wechselseitigen Respekts vor den Interessen, der jeweils anderen, des Gewaltverzichts bei der Durchsetzung von Interessen und des Völkerrechts und seinen Institutionen gefunden werden. Nicht Nato und EU haben ein Handlungserfordernis, sondern die Vereinten Nationen und die OSZE. Österreich könnte auf Grundlage seiner immerwährenden Neutralität dafür eine hilfreiche Rolle spielen.
Öl ins Feuer gegossen

Demgegenüber beschworen einige österreichische PolitikerInnen in den letzten Tagen eine gemeinsame Europäische Außen- und Sicherheitspolitik als Gebot der Stunde. Der Kaukasuskonflikt wird gar als Treibsatz für die Durchsetzung des Lissabonvertrages beschworen. In einer gemeinsam von Karas und dem außenpolitischen Sprecher der Europäischen Volkspartei, Elmar Brok MEP (CDU) eingebrachten Resolution, die heute (1.9.2008) im Plenum des Europaparlaments debattiert werden wird, fordert das Europäische Parlament Rat und Kommission zu größerem politischen Engagement auf. Darin heißt es: "Wir dürfen uns nicht davor scheuen, die politische und wirtschaftliche
Kraft der Union einzusetzen. Eine gemeinsame Vorgangsweise ist das Gebot der Stunde. In dieser außenpolitischen Krise wäre die Europäische Union mit stärkeren gemeinsamen Instrumenten besser dagestanden. Die rasche Umsetzung des Vertrags von Lissabon mit der Schaffung eines Hohen Beauftragten für die GASP, der Solidaritätsklausel und einer gemeinsamen EU-Energiesicherheitspolitik ist auch aus dieser Sicht unabdingbar."

Andreas Khol meint in der "Presse" vom  1. Sept. 2008: "Eine Hoffnung lebt: die europäische Einheit hat sich stet dann weiterentwickelt, wenn Europa Gefahren drohten - einst vom Sowjetkommunismus, heute von der neuen Großmacht Russland. Wird der Reformvertrag, den wir brauchen wie einen Bissen Brot, nun doch kommen?"  Und wo die Reise hingeht demonstrieren Karas und Brok in ihrem Resolutionsentwurf: "Die Europäische Union muss sich mit einem robusten Beitrag am vorgesehenen internationalen Mechanismus zur Konfliktlösung beteiligen."

Dieser Resolutionentwurf zeigt einmal mehr, dass die EU in diesem Konflikt nicht der neutrale Vermittler sein kann. Im Gegenteil, die EU ist für die Zuspitzung der Auseinandersetzungen mitverantwortlich. Seit Jahren wird versucht zur Sicherung des Zugriffs auf fremde Energieressourcen in unmittelbarem Umfeld Rußlands Positionen zu besetzen und auszubauen. Mit dem auch wesentlich von der OMV betriebenen Pipelineprojekt Nabucco will die EU in direkte Konkurrenz zu Rußland in Bezug auf die Ressourcen in der Kaspi-Region und Mittelasien treten. Dabei wurde offensichtlich auch Öl ins Feuer gegossen und die Militarisierung der Region vorangetrieben. Jan Oberg, TFF, Schweden, 28.8.2008: "Das Rüstungsbudget Georgiens stieg um das 50-Fache im Zeitraum 2002 (18 Millionen US-$) bis 2008 (900 Millionen US $) und erreicht beinahe 9 % des Georgischen BIP."
Wer im Glashaus sitzt...

Die Menschen in der Region, insbesondere die Lebenslage der Menschen in Abchasien und Südossetien spielen dabei keinerlei Rolle. Die Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens durch Russland wird als völkerrechtswidrig zurückgewiesen. Man soll aber nicht mit Steinen werfen, wenn man selbst im Glashaus sitzt. Der Großteil der EU-Staaten hat selbst die staatliche Unabhängigkeit der serbischen Provinz Kosovo anerkannt und versucht sie aber gleichzeitig unter direkte Kontrolle der EU (Projekt Eulex) zu stellen. Der Russland-Experte Gerhard Mangott äußert sich dazu in der "Presse" vom 1. Sept. 2008 folgendermaßen: "Die Zuflucht zu subtilsten legalistischen Begründungen hat sowohl in der Frage der staatlichen Selbständigkeit des Kosovo als auch Abchasiens den Rechtsbruch zu verschleiern versucht. Die Beugung völkerrechtlicher Normen galt für die militärische Aktion der Nato in Serbien (1999), die militärische Intervention im Irak (2003), die Anerkennung der staatlichen Selbständigkeit des Kosovo (2008) und nun auch Abchasiens (2008). .........In der Debatte um die Anerkennung Abchasiens und Südossetiens aber ist die Zuflucht zum Legalismus nicht normen- sondern interessengeleitet. Dabei werden die Völker, um deren Recht auf den eigenen Staat gestritten wird, meist ignoriert; die Debatte über sie strotzt von Unkenntnis über deren Erfahrungen im unabhängigen Georgien. Besonders deutlich wird dies bei Abchasien: Die Abchasen wurden aus ihrem Siedlungsgebiet zuerst durch zaristische Heerscharen vertrieben und nach 1920 durch die von den Georgiern Stalin und Berija betriebene gezielte Ansiedelung von Georgiern, Russen und Armeniern zu einer kleinen Minderheit gemacht. 1992 fielen georgische paramilitärische Verbände in Abchasien ein, brannten das Nationalarchiv und damit das historische Gedächtnis des abchasischen Volkes nieder, plünderten die Hauptstadt Suchum und führten ethnische Säuberungen durch......Die ökonomische Blockade und ein verweigertes Gewaltverzichtsabkommen durch Georgien haben Abchasien in die Abhängigkeit von Rußland getrieben...........Die legalistischen Verschleierungsversuche geopolitischer Interessen sind daher nicht ernst zu nehmen."

Österreich muss zur Neutralität zurückkehren!

Einmal mehr zeigt sich, die Aushöhlung der immerwährenden Neutralität unter Beschwörung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU ist ein Irrweg. Die Sicherheitsinteressen der europäischen Staaten  sind äußerst
different. Die Außen- und Sicherheitspolitik eines kleinen Staates kann nicht auf der Beurteilung der Legitimität oder Illegitimität der Interessen anderer gründen. Jeder Versuch diese Interessen unter einer Stimme zu vereinen mündet entweder in der freiwilligen oder unfreiwilligen Unterordnung unter die Hegemonie von Großmächten. Dieses Phantasma einer EU mit robustem außen- und sicherheitspolitischem  Mandat destabilisiert Europa und ist eine Gefahr für den Frieden und die friedliche Integration. Österreich muss zur Neutralität zurückkehren. Neutralität heißt auf Gewalt bei der Verfolgung der eigenen Interessen zu verzichten. Eine derartige Politik fußt auf Berechenbarkeit und Vertrauen. Dieses Vertrauen wurde durch die Politik des Establishments systematisch untergraben. Die Liste reicht von der einseitigen Obsoleterklärung von wesentlichen Bestimmungen des Staatsvertrages, dem Beschluss des Kriegsermächtigungsartikels 23f BVG, bis zur Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo. Österreich muss deshalb diese Anerkennung zurücknehmen und auf Grundlage seiner Neutralität vor allem im Rahmen der OSZE für eine friedliche Konfliktlösung sowohl im Kaukasus als auch am Balkan aktiv werden.