eu soldat 150Im Wochentakt werden derzeit neue Vorschläge für die weitere Militarisierung der EU gemacht. Damit sollen die Voraussetzung für EU-Kriegseinsätze geschaffen werden, die "äußerst wahrscheinlich" in Weltregionen stattfinden, „in denen die NATO keinen Einsatz erwägt“.

 

Der Brexit verleiht offensichtlich den Vertretern einer weiteren EU-Militarisierung Flügel. So forderte EU-Kommissionpräsident Juncker Mitte September 2016 die Einrichtung eines „Verteidigungsfonds“, um der Rüstungsforschung „einen kräftigen Schub zu verleihen“. Wenige Tage später wurde beim EU-Verteidigungsministertreffen in Bratislava die Einrichtung eines zentralen EU-Hauptquartiers für globale EU-Militärmissionen ins Auge gefasst. Außerdem wollen die Verteidigungsminister ein militärisches Kerneuropa begründen („Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“), das es den militärisch besonders Ambitionierten ermöglicht, einen inneren EU-Führungszirkel zu begründen, der ungehindert bei der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung vorpreschen kann. Die legistischen Grundlagen für dieses militärische Kerneuropa sind bereits mit dem EU-Vertrag von Lissabon (2009) gelegt worden.

EU-Kriege auch dort „wo die NATO keinen Einsatz erwägt“

Mitte Oktober haben die Verteidigungsminister von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien in einem Brief an die EU-Außenbeauftragte Mogherini dargelegt, wohin das Ziel der Reise gehen soll. Die EU soll in der Lage zu „robusten Einsätzen mit hoher militärischer Intensität“ sein, die in absehbarer Zeit „äußerst wahrscheinlich“ in Weltregionen stattfinden werden, „in denen die NATO keinen Einsatz erwägt“ (zit. nach Spiegel, 12.10.2016). Offensichtlich fürchten die EU-Haudegen, dass mit der NATO nicht immer dort Krieg geführt werden kann, wo Brüssel, Berlin oder Paris den Finger am Abzug haben wollen. Dafür braucht es freilich auch die zentrale Verfügungsgewalt über gewaltige finanzielle Mittel, um strategische EU-Rüstungsprojekte für High-Tech-Kriege – Luftbetankung, Truppentransport, Killerdrohnen, Weltraummilitarisierung usw – rasch auszubauen. Im September haben EU-Kommissare deshalb bereits die Idee lanciert, EU-Kriegsanleihen („Verteidigungsbonds“) aufzulegen.

"Mehrfaches des russischen Militärbudgets"

Vor wenigen Tagen hat der deutsche Finanzminister Schäuble nachgelegt. Er will gleich einen EU-Militäretat einrichten. Schäuble: „Wenn man die einzelnen europäischen Budgets addiert, hat man genügend Mittel. Je nachdem wie man rechne, stünde dann ein Mehrfaches des russischen zur Verfügung.“ (Reuters, 18.10.2016).

Entmündigung der nationalen Parlamente

Um die neoliberale Sparpolitik durchzusetzen, wurden die nationalen Parlamente im Bereich der Budgetpolitik bereits massiv zugunsten der EU-Technokratie entmündigt (Fiskalpakt, ESM, usw). Mit der Einrichtung eines zentralen EU-Militäretats soll diese Entdemokratisierung auch im Bereich der Sicherheits- und Militärpolitik vorangetrieben werden. Im Rüstungsbereich wollen die EU-Mächtigen schließlich nicht sparen. Diese Entmündigung der nationalen Parlamente findet zunehmend Unterstützung von rechtsaußen. So hat der stv. FPÖ-Parteivorsitzende Manfred Heimbuchner im Sommer gefordert, die Rolle der Nationalstaaten innerhalb der EU auf die Rolle von „Schweizer Kantonen“ zurückstutzen. Damit hat die FPÖ einen der bislang radikalsten Vorstoß in Richtung völliger Zentralisierung der Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik auf EU-Ebene gemacht. Das trifft sich mit den Vorstellungen des grünen Präsidentschaftskandidat Alexander van der Bellen, der die „Vereinigten Staaten von Europa“ anstrebt, um der – wie er es nennt - „Kleinstaaterei“ in Europa ein Ende setzen.

Der teilweise in der EU noch existierende Einfluss von nationalen Parlamenten hat – siehe die Entscheidung des Wallonischen Parlaments in Bezug auf CETA – Sand in die neoliberale EU-Freihandelspolitik gebracht. Das erzürnt und verängstigt das EU-Establishment. Abgeordnete in nationalen Parlamenten, die noch nicht völlig von der WählerInnenschaft abgekoppelt sind, könnten sich möglicherweise auch weigern, ihre SoldatInnen in Kriegseinsätze zu schicken oder milliardenschwere Rüstungsprojekte zu beschließen, während gleichzeitig bei Gesundheit, Pensionen und Bildung gekürzt wird. Die Vorstellung, dass durch diese „Kleinstaaterei“ die Fähigkeit der EU zu Aufrüstung und Krieg gefährdet wird, ist den EU-Mächtigen ein Gräuel.

Am 26. Oktober: „Aktiv neutral statt EU-militarisiert!“

Wem dagegen diese militärische EU-Großmachtspolitik ein Gräuel ist, ist herzlich zur Kundgebung der Solidarwerkstatt „Aktiv neutral statt EU-militarisiert!“ am Mi, 26. Oktober in Wien eingeladen (ab 13 Uhr, Denkmal der Republik, Parlament). Denn die Neutralität ist eine der wichtigsten Lehren aus der Verstrickung Österreichs bzw. vieler ÖsterreicherInnen in Weltmachtsambitionen, die im Horror zweier Weltkriege mündete. Wir treten für ein unabhängiges, kleinstaatliches und neutrales Österreich ein, das sein Selbstbewusstsein aus einer engagierten Friedenspolitik bezieht und nicht aus dem Mitmarschieren bei globalen Kriegseinsätzen und dem Mitfinanzieren von neuen Aufrüstungslawinen.

Gerald Oberansmayr
(22.10.2016)