Während Israel einen Krieg gegen Gaza führt, der alle roten Linien des Völker- und Menschenrechts übertritt, macht das neutrale Österreich Rüstungsgeschäfte mit Elbit, einem der größten israelischen Rüstungskonzerne. Die politische Verantwortung dafür trägt BM Klaudia Tanner. Die Solidarwerkstatt Österreich hat deshalb Strafanzeige gegen die Ministerin erhoben. Hier der Text.
Strafanzeige
gegen Bundesministerin Klaudia Tanner
An
Staatsanwaltschaft Wien
Landesgerichtsstraße 11
1080 Wien
Einschreiterin
Solidarwerkstatt Österreich
Waltherstraße 15
4020 Linz
Angezeigte
BM Klaudia Tanner, geb. 2.5.1970
Roßauer Lände 1
1090 Wien
Wegen
Verstoß gegen die Neutralität, § 3 Kriegsmaterialgesetz, § 320, § 321 a ff Strafgesetzbuch
Sachverhalt
Das österreichische Bundesheer hat im Februar 2024 bei GDELS 225 Pandur EVO bestellt und als eine Variante ein 120mm-Mörserkampfsystem angekündigt. Die Pandur EVO sollen im Zeitraum 2025 bis 2032 eingeführt werden. Wie von Elbit Systems Anfang Mai 2024 vermeldet, wird die vom Heer gewünschte Mörservariante des Pandurs mit dem 120-Millimeter-Crossbow-Turm des israelischen Rüstungskonzern ausgestattet. Der Mitteilung zufolge werden die Systeme an General Dynamics European Land Systems (GDELS) zur Integration in 6×6 Radpanzer Pandur geliefert. Der Auftragswert beträgt 50 Millionen Euro (1).
Elbit ist einer der größten Rüstungskonzerne Israels. Israel nutzt Militär- und Sicherheitstechnologien von Elbit, um Apartheid und Besatzung aufrechtzuerhalten; die Waffensysteme Elbits bilden das Rückgrat des derzeitigen Krieges gegen Gaza, dem bereits 39.000 Menschen, der Großteil Zivilbevölkerung, zum Opfer gefallen sind.
In einem Fachdossier des österreichischen Parlaments heißt es bezüglich Verständnisses der österreichischen Neutralität:
„Im internationalen Kontext meint „Neutralität“ die Unparteilichkeit eines Staates im Falle gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen anderen Staaten. Ein neutraler Staat tritt nicht aktiv als Partei in einem bewaffneten Konflikt auf und leistet auch keine direkte oder indirekte militärische Unterstützung an eine der Konfliktparteien…“
Zu den Pflichten des Neutralen zählt:
„…die Pflicht neutraler Staaten, sich zu enthalten in Hinblick auf Kampfhandlungen und die Begünstigung von Kriegsparteien.“ (2)
Der 50 Millionen schwere Auftrag an Elbit stellt eine Begünstigung einer Kriegspartei dar, da der Rüstungsauftrag die Rüstungsindustrie des kriegsführenden Landes stärkt und die militärische Kooperation mit Israel fördert. Yehuda (Udi) Vered, General Manager von Elbit Systems Land kommentiert das Rüstungsgeschäft: „Wir sind stolz darauf, den ersten Auftrag eines führenden internationalen Kunden für unser hochmodernes unbemanntes Mörserturmsystem Crossbow zu erhalten.“ (3)
Dieses Rüstungsgeschäft stellt daher einen Verstoß gegen die österreichische Neutralität dar. Konkret sehen wir in diesem Rüstungsgeschäft eine Verletzung des §3, Abs 1 Kriegsmaterialgesetz, der bei der Bewilligung der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsgerät „auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen und die außenpolitischen Interessen Österreich Bedacht zu nehmen ist.“ Denn die Neutralität ist auch völkerrechtlich verankert. Österreich hat sich gegenüber der Völkergemeinschaft verpflichtet, allen Pflichten aus dem Rechtsinstitut der dauernden Neutralität nachzukommen und seinen Status nicht einseitig abzuändern oder aufzuheben.
Durch diese Vorgehensweise verstößt das Verteidigungsministerium insbesondere auch gegen § 320 Strafgesetzbuch. Dieser besagt: „Wer wissentlich im Inland während eines Krieges oder eines bewaffneten Konfliktes, an denen die Republik Österreich nicht beteiligt ist, oder bei unmittelbar drohender Gefahr eines solchen Krieges oder Konfliktes für eine der Parteien… für militärische Zwecke einen Finanzkredit gewährt … ist mit ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“ Das Rüstungsgeschäft in der Höhe von 50 Millionen Euro ist von der Wirkung her zu vergleichen mit einem Finanzkredit, da es die Wirtschaftskraft und Profitabilität der israelischen Rüstungsindustrie stärkt
Die Verletzung der Neutralität wiegt umso schwerer, als Südafrika Klage bei Internationalen Gerichtshof gegen Israel erhoben hat und – gut belegt - Regierung und Militär Israels Völkermord vorwirft. In der Klagschrift heißt es: „Der vorliegende Antrag bezieht sich auf Handlungen, die von der Regierung und dem Militär des Staates Israel gegen das palästinensische Volk, eine eigenständige nationale, rassische und ethnische Gruppe, angedroht, beschlossen, geduldet, durchgeführt werden, und zwar im Anschluss an die Anschläge vom 7. Oktober 2023 in Israel. Südafrika verurteilt unmissverständlich alle Verstöße gegen das Völkerrecht durch alle Parteien, einschließlich der direkten Angriffe auf israelische Zivilisten und andere Staatsangehörige sowie Geiselnahmen durch die Hamas und andere bewaffnete palästinensische Gruppen. Kein bewaffneter Angriff auf das Hoheitsgebiet eines Staates, wie schwerwiegend er auch sein mag - selbst ein Angriff, bei dem Gräueltaten begangen werden -, kann jedoch eine mögliche Rechtfertigung oder Verteidigung für Verstöße gegen das Übereinkommen von 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes ("Völkermordkonvention" oder "Konvention") darstellen, sei es aus rechtlichen oder moralischen Gründen. Die Handlungen und Unterlassungen Israels, die von Südafrika beklagt werden, haben völkermörderischen Charakter, weil sie darauf abzielen, die Vernichtung eines wesentlichen Teils der palästinensischen nationalen, rassischen und ethnischen Gruppe, d.h. des Teils der palästinensischen Gruppe im Gaza-Streifen ("Palästinenser in Gaza"). Die fraglichen Handlungen umfassen die Tötung von Palästinensern in Gaza, die Verursachung schweren körperlichen und seelischen Schaden zufügen und ihnen Lebensbedingungen auferlegen, die ihre physische Zerstörung herbeizuführen. Alle diese Handlungen sind Israel zuzuschreiben, das es versäumt hat, einen Völkermord zu verhindern und einen Völkermord in offensichtlicher Verletzung der Völkermordkonvention begeht, und das auch gegen seine anderen grundlegenden Verpflichtungen unter der Völkermordkonvention verstoßen hat und weiterhin verstößt, einschließlich des Versäumnisses, die direkte und öffentliche Aufstachelung zum Völkermord durch hochrangige israelische Beamte und anderen zu verhindern oder zu bestrafen.“ (4)
In der 84-seitigen Klageschrift wird der Vorwurf des Genozids detailreich belegt. Diesem Israelischen Krieg sind bis Ende Juli über 39.000 Palästinenser zum Opfer gefallen, die Mehrzahl von ihnen sind Frauen und Kindern. Über 15.000 Kinder sind getötet worden. 91.000 Personen gelten als verletzt, rd. 10.000 Personen gelten als vermisst (5). Die Weltgesundheitsorganisation der UNO meldet, dass „ein bedeutender Anteil der Bevölkerung in Gaza unter katastrophalen Hunger und Hungersnot ähnlichen Bedingung leidet.“ (6). Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichte: „Hunderttausende Kinder sind nach wie vor im Gazastreifen und leiden nicht nur unter der anhaltenden Bombardierung und anderen Gewalttaten, sondern auch darunter, dass die israelische Regierung Hunger als Kriegswaffe einsetzt. Das ist ein Kriegsverbrechen, und Kinder sterben an den Folgen dieser Politik.“ (7) Das Fachjournal für Allgemeinmedizin „The Lancet“, eine der weltweit einflussreichsten akademischen Zeitschriften, hat sich in einer Studie mit den Folgetoten des Krieges beschäftigt, die durch die Zerstörung Infrastruktur des Gesundheitswesens, des gravierenden Mangels an Nahrungsmitteln, Wasser und Unterkünften usw. verursacht werden. Seine Schlussfolgerungen: Selbst bei sofortiger Einstellung der Kampfhandlungen ist es – konservativ geschätzt – „nicht unwahrscheinlich, dass bis zu 186.000 oder sogar noch mehr Tote auf den derzeitigen Konflikt in Gaza zurückzuführen sind.“ (8) Das sind 7,9 Prozent der Bevölkerung Gazas.
Die Richter des Internationale Strafgerichtshofs sehen die Gefahr, dass durch das israelische Vorgehen die Völkermord-Konvention verletzt wird. Über die Anklage wegen Völkermord wird nun im Hauptverfahren entschieden. Die Richter forderten Israel sofort auf, bestimmte Schutzmaßnahmen zu ergreifen und die Offensive in Rafah zu beenden. Israel ist der Aufforderungen des IGH nicht nachgekommen. Inzwischen hat Spanien der Beitritt zur südafrikanischen Anklage gegen Israel beantragt.
Auch der Chefankläger des Internationale Strafgerichtshof Karim Khan hat einen Haftbefehlt gegen Premierminister Benjamin Netanyahu und seinen Verteidigungsminister Joaw Galant beantragt, den er mit dem Verdacht auf mögliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begründet. Netanyahu und Gallant werden unter anderem vorgeworfen, für das Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung sowie für willkürliche Tötungen und zielgerichtete Angriffe auf Zivilisten verantwortlich zu sein. Zum israelischen Vorgehen hieß es in einer Erklärung Khans, dass "die Auswirkungen des Einsatzes von Hunger als Methode der Kriegsführung zusammen mit anderen Angriffen und kollektiven Bestrafungen gegen die Zivilbevölkerung in Gaza akut, sichtbar und weithin bekannt" seien. Dazu gehörten "Unterernährung, Dehydrierung, tiefes Leid und eine wachsende Zahl von Todesfällen unter der palästinensischen Bevölkerung, darunter Babys, andere Kinder und Frauen". (8)
Österreich hat die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes ratifiziert. Österreich hat sich in § 321 a ff Strafgesetzbuch Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen explizit in sein Strafrecht aufgenommen.
Österreich muss sofort seine Rüstungsgeschäfte und auch andere militärische Kooperationen mit Israel beenden, wenn es sich nicht dem Vorwurf der Beihilfe zum Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen aussetzen will.
Strafanzeige
Da die Verteidigungsministerin Klaudia Tanner die politische Verantwortung für den Ankauf der Pandurpanzer trägt, erheben wir Strafanzeige gegen die Ministerin wegen Verdachts der Neutralitätsverletzung, des Verstoßes insbesondere gegen § 3 Kriegsmaterialgesetz und der §§ 320, 321 a ff Strafgesetzbuch. Wir ersuchen die Staatsanwaltschaft dies zu prüfen.
Quellen:
- https://militaeraktuell.at/gdels-steyr-elbit-crossbow-moerser-fuer-den-pandur/
- https://www.parlament.gv.at/aktuelles/news/in-einfacher-sprache/archiv/j2022/064neutralitaet
- https://soldat-und-technik.de/2024/05/bewaffnung/38078/elbit-systems-liefert-unbemannte-crossbow-turm-moersersysteme/
- https://www.sozonline.de/wp-content/uploads/2024/01/SA-Isr-vor-dem-IGH-de.pdf
- https://www.aljazeera.com/news/longform/2023/10/9/israel-hamas-war-in-maps-and-charts-live-tracker
- https://www.reuters.com/world/middle-east/who-says-many-people-gaza-facing-famine-like-conditions-2024-06-12/
- https://www.hrw.org/de/news/2024/04/09/von-israel-auferlegte-hungersnot-gaza
- https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(24)01169-3/fulltext
- https://www.tagesschau.de/ausland/asien/istgh-haftbefehl-netanyahu-sinwar-102.html
f. d. Solidarwerkstatt Österreich
Andreas Schütz
(Vorsitzender)
Übergabe an die Staatsanwaltschaft Wien