ImageDas Mittelmeer ist zum Friedhof für tausende Flüchtlinge geworden. Mit der Grenzschutzagentur FRONTEX und der „Dublin II“-Verordnung  hat die EU maßgeblich zu dieser Barbarei vor den Toren Europas beigetragen. Gleichzeitig produziert die EU durch Krieg und den Export ihrer neoliberalen Wirtschaftspolitik oft selbst die Gründe, die die Menschen zur Flucht zwingen.

FRONTEX und Dublin II sind zwei grausame, miteinander verschränkte Ausgeburten der EU, die sich gegen die Grundrechte des Menschen richten. Sie wurden von den Herrschaftseliten ins Leben gerufen, um sich von jeglicher verantwortungsvollen Flüchtlingsaufnahme, deren Integration und den damit verbundenen Arbeiten zu entledigen. Durch immer umfangreichere Genehmigungen wird die  Zentralisierung der Grenzschutzagentur FRONTEX mit großem Druck vorangetrieben. Das Herzstück von FRONTEX ist es, durch eine intensive Vernetzung Risikoanalysen zu erstellen um möglichst schnell Problemzonen an den Außengrenzen zu erkennen.  Diese Analysen dienen nicht zum Schutz für Flüchtlinge, sondern zum Schutz vor Flüchtlingen! Diese werden sogar noch für diese Zwecke instrumentalisiert, indem sie bei Verhören gezwungen werden ihre Fluchtroute preiszugeben.

Für die Operationen an den Problemzonen stehen FRONTEX Abwehrtruppen (RABIT’s) in allen Mitgliedsländern zur Verfügung, die jeweils in kurzer Zeit einsatzbereit sind (ähnlich, wie bei Battlegroups). Österreich ist zurzeit mit 36 Mann (von Frontex-Experten ausgebildet) an der griechisch-türkischen Grenze im Einsatz, ausgerüstet mit drei Diensthunden, sechs Allradfahrzeugen und einem Schengenbus. 28-mal wurden österr. Wärmebildfahrzeuge bei solchen Operationen verwendet. Weiters war der österreichische Generalmajor R. Strondl von 2008 bis 2012 Vorsitzender im Frontex-Verwaltungsrat. Sechs Österreicher sind im Frontex-Hauptquartier in Warschau beschäftigt.  83 BeamtInnen waren bzw. sind in 15 Focal Point Offices eingesetzt (1).

Friedhof vor den Toren Europas

Zusätzliche Verstärkung soll FRONTEX noch dieses Jahr durch das Mammutprojekt EUROSUR erhalten, durch das die hochtechnologische Überwachung der gesamten EU-Außengrenzen durch Überwachungsstationen, Drohnen und Satelliten, sowie die Eingangs- und Ausgangskontrolle mittels biometrischer Datensammlung erfolgen soll. All die gesammelten Daten mit sonstigen Erkenntnissen von Grenzschützern, Militär- und Geheimdiensten werden gebündelt und im FRONTEX-Lagezentrum ausgearbeitet. So soll der Zugang zu Asyl in der EU komplett ausgehebelt werden und die Ein- und Ausreise nur mehr für Privilegierte möglich sein. An der Südgrenze Libyens ist eine sensorgeschützte Grenzsicherungsanlage geplant. Catherine Ashton teilte am 7.11.2012 in Brüssel mit, die Militärinvention in Mali zur Aufrüstung der libyschen Grenzen zu nutzen. Frontex ist auch hier miteinbezogen. Weiters wird von der EU großer Druck auf alle nordafrikanischen Länder gemacht, um ähnliche oder gleiche Projekte, wie in Libyen quer durch den Kontinent zu installieren.

Das sind wiederum Bombengeschäfte für EU-Rüstungskonzerne. In der weiteren Planung ist in den folgenden Jahren, die dementsprechende Absicherung der Ostaußengrenze.

Durch die Militarisierung und Gendarmisierung der Grenzkontrollen, den hochtechnologischen Überwachungs- und Sicherheitsausstattungen, erhält man den Eindruck die EU befände sich im Krieg.

Das Frontex-Budget setzt sich aus Beiträgen von allen Mitgliedsländern zusammen und hat sich vom Gründungsjahr 2005 von 6,28 Mill. € bis 2010 auf 87,917 Mill. € rapid gesteigert.

Die brutale Abschottungspolitik der EU hat die letzten Jahre tausende Todesopfer gefordert. Mittlerweile kann man schon von einem Friedhof vor den Toren Europas sprechen, insbesondere im Mittelmeer und vor den Kanaren(2008 erreichten nur mehr 9615 Flüchtlinge die Kanaren gegenüber 30000 im Jahr 2006) durch brutales Abdrängen aus den europäischen Hoheitsgewässern, ohne Rücksicht auf den Zustand des Flüchtlingsbootes und deren Insassen.  Bei einer Anhörung im EU-Parlament im Juli 2007 schätzten Fachleute, dass in den vergangenen zehn Jahren etwa 10.000 Menschen auf der Überfahrt den Tod fanden. Nach UNHCR-Schätzungen sind alleine 2011 über 1.500 Menschen beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren ertrunken oder gelten seither als vermisst. Die Dunkelziffer liegen noch viel höher (2). Selbst vor Verbrechen wird nicht haltgemacht. Wie aus einem Bericht der Forschungsgesellschaft „Flucht und Migration“ hervorgeht hat eine spanische Polizeieinheit mit ihrem Patrouillenschiff ein Boot mit 25 Flüchtlingen absichtlich überfahren und den Flüchtlingen bei ihren verzweifelten Überlebenskämpfen zugesehen. Über ein gerichtliches Verfahren gegenüber diesem Verbrechen ist nichts bekannt (3).

Menschenretter werden kriminalisiert

ImageAndrerseits werden Menschen, die Flüchtlinge (vor dem Ertrinken) retten, wie im Falle der Besatzung des Schiffes „Cap Anamur“,  inhaftiert und gerichtlich verfolgt. Anklagepunkte: Schlepperei, Beihilfe zur illegalen Einwanderung (4). Die Zuständigkeit von FRONTEX ist aber nicht nur auf die EU-Außengrenzen und der selektiven Einwanderung beschränkt sondern erstreckt sich auch innerhalb der Festung-EU von der Mithilfe bei Kontrollen an Flughäfen und Bahnhöfen. Die Koordination und Ablauf von Kettenabschiebungen im Zuge der Dublin II-Verordnung liegt ebenfalls in ihrem Aufgabenbereich. Wien ist eine der Drehscheiben von den sogenannten Frontex-Kooperationsflügen. 2009 gingen schengenweit von 30 Flügen 11 von Wien aus. Ziele waren Nigeria, Gambia, Georgien, Armenien und Kosovo. 10 weitere Abschiebeflieger nach Afrika und Balkanstaaten starteten 2009 in österreichischer Alleinverantwortung (5).

Dublin II hebelt Asylrecht aus

Mit der Dublin II-Verordnung hat sich die EU-Elite ein Instrument geschaffen um sich die wenigen(im Verhältnis zu anderen und ärmeren Ländern) Flüchtlinge, denen es doch (oft mit langen, qualvollen Strapazen verbunden) gelungen ist, bis ins Kerneuropa vorzudringen, durch Deportation wieder zu entledigen.  Durch die Fingerabdruck-Verordnung und die Gründe(einer trifft immer zu) für eine Inhaftierung wurde der Aufenthalt zusätzlich verschärft.  

Die Dublin II-Verordnung regelt die Zuständigkeit der EU-Länder für Asylverfahren: das heißt, das EU-Land über das die Einreise erfolgt, ist für das Asylverfahren zuständig. In diese Länder (sog. „sichere Drittstaaten“) kann sofort abgeschoben werden, ohne die individuellen Asylgründe zu prüfen. Damit wird das Menschenrecht auf Asyl ausgehebelt. Umso mehr als durch diese rücksichtslose Regelung zur Auslagerung der Asylverfahren die Einreise- bzw. Grenzländer total überfordert sind  und ihre Grenzen immer radikaler dicht machen.  Aus vielen Berichten geht hervor, dass die Bedingungen in den Haft- und Internierungsanstalten in den meisten Grenzländern unzumutbar und körperliche Misshandlungen seitens der Aufsichtsorgane an der Tagesordnung sind. Durch die Rücküberstellung der Flüchtlinge aus den EU-Kernländern sind diese meist permanent überfüllt, die Versorgung der Betroffenen ist minimalst. Die Anhaltung erfolgt nicht selten bis zu 18 Monate. Die Hilfe der EU erschöpft sich in Investitionen zur Vergrößerung und Vermehrung der Lagerregime in den Transitländern und im Ausbau der Vorverlagerung der Außengrenzen.

Durch das sogenannte Rücknahmeabkommen diverser EU-Staaten mit kooperationswilligen Ländern wie Türkei, Libyen, Kosovo usf. im Gegenzug von Sondergenehmigungen werden Flüchtlinge rücksichtslos dorthin verfrachtet. Spindelegger hat anfangs dieses Jahres in Kabul Verhandlungen für ein Rücknahmeabkommen begonnen. 39% von 3767 Afghanen in Österreich erhielten 2012 Asyl.  2300 erhielten einen negativen Bescheid konnten aber nicht zurückgebracht werden. Das soll sich mit dem Rücknahmeabkommen ändern (6). Österreich vertritt in der gesamten Migrations- und Asylpolitik eine der strengsten und unmenschlichsten Linien.

Insgesamt zeichnet sich die Asylpolitik der EU durch folgende Punkte aus:

  1. Zunehmende Verschärfung und Militarisierung der Abwehr und Illegalisierung unerwünschter Migration
  2. Verlagerung der Grenzkontrollen in autoritäre Drittstaaten
  3. Ausbau der selektiven Zuwanderung durch Biometrisierung
  4. EU-Nachbarschaftspolitik mit Koppelung an Rücknahmeabkommen und Bereitschaft zur Migrationskontrolle
  5. Verengung der Migrationswege
  6. Ausschließung der MigrantInnen in Lagerregime und Ausnahmezonen
  7. Abwälzung der Asylprozeduren
  8. Verknüpfung mit Sicherheitspolitik
  9. Zunehmende Verschärfung der Kontrollen und Verfahren innerhalb der EU
  10. Kasteiung der Gesellschaft innerhalb der EU. Ein Beispiel: Freier Personenverkehr nur für EU-Bürger (wobei auch hier wieder gesetzeswidrig gehandelt wird, wie die ständige Vertreibung der Roma und Ausgrenzung von Bulgaren und Rumänen trotz EU-Mitgliedschaft zeigt.

Wenn man davon ausgeht, dass der neoliberalen EU-Wirtschaftspolitik und dem neoimperialen EU-Großmachtstreben (auch durch Gewalt gegenüber „Unwilligen“ - siehe Libyen) nicht Einhalt geboten wird, wird der Flüchtlingsandrang noch um ein Vielfaches ansteigen. Denn eines ist gewiss, dass diese hemmungslose Ausbeutung und Aneignung, die aggressive Exportwirtschaft, das Provozieren von Unruhen bis zur militärischen Intervention die Hauptursachen der Zerstörung der Existenzgrundlagen und somit der Fluchtauslösung ist. Sozusagen bekämpft die EU-Herrschaft mit den Abhalte- und Entfernungsinstrumenten ihrer Asylpolitik die Folgen ihrer Gier und ihres Größenwahns, um sich mit dem WARUM nicht konfrontieren zu müssen.

Darum fordern wir die Planung und Umsetzung einer fairen und menschenwürdigen Asyl- und Migrationspolitik, die einen sofortigen Austritt Österreichs aus der Frontex-Mitgliedschaft und einer Ablehnung der Dublin II-Verordnung voraussetzt!   


Johanna Weichselbaumer  

 

Anmerkungen:

(1) http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_OeffentlicheSicherheit/2012/07_08/files/Frontex.pdf

(2) sh. Volkshilfe, http://www.volkshilfe-ooe.at/1330,,,2.html

(3) http://ffm-online.org/2013/03/19/marokko-sidi-ifni-lanzarote-erstes-interview-eines-abgeschobenen-uberlebenden-von-einem-guardia-civil-schiff-absichtlich-auf-dem-meer-uberfahren/

(4) http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/urteil-im-cap-anamur-prozess-freispruch-fuer-den-einzelkaempfer-a-653762.html

(5) http://derstandard.at/1271375925717/Wien-ist-Drehscheibe-fuer-EU-Abschiebefluege

(6) http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/1344966/Spindelegger-will-Ruecknahme-afghanischer-Fluechtlinge-erwirken