Die Kriege von USA und EU haben in den letzten Jahrzehnten Millionen von Menschen in der muslimischen Welt das Leben gekostet. Dieser Staatsterror ist der Nährboden des jihadistischen Terrors. Aus dieser Falle müssen wir raus!


Unmittelbar nach dem abscheulichen Terroranschlag in Wien gab es aus der Politik einige besonnene Wortmeldungen mit dem Tenor: Wir dürfen nicht in die Falle des IS tappen, indem wir einen Pauschverdacht gegen Musliminnen und Muslime erheben. Denn genau das würde Wasser auf die Mühlen des Jihadismus lenken. Die Warnung, nicht in diese Falle zu tappen, ist völlig richtig. Ebenso wichtig wäre aber auch, endlich aus der Falle herauszukommen, in die Österreich durch seine Verstrickung mit westlicher Kriegspolitik seit dem EU-Beitritt hineingeraten ist. Denn diese Kriegspolitik hat maßgeblich dazu beigetragen, den Jihadismus groß zu machen.

Millionen Tote durch westliche Kriegspolitik in der muslimischen Welt

Die Kriege, die USA und EU vor allem in den Ländern der muslimischen Welt geführt, angezettelt und angeheizt haben, kosteten allein seit 9/11 mindesten drei Millionen Menschen, vor allem Musliminnen und Muslimen, das Leben und machten 37 Millionen zu Flüchtlingen gemacht. Zu diesem Ergebnis kommt die renommierte US-amerikanischen Brown University. Zählt man auch noch den mörderischen Krieg gegen den Irak ab Anfang der 90er Jahre hinzu, kommt man auf über vier Millionen Tote in der islamischen Welt, die durch die westliche Kriegspolitik mitverursacht wurden (hier ein älterer Beitrag anlässlich der Terroranschläge in Paris, der gerade jetzt wieder hoch aktuell ist).

US- und EU-Kriege nähren Jihadismus - als Helfershelfer und als Widerpart

Den Zusammenhang von westlicher Kriegspolitik und Jihadismus ist offenkundig. Einige Beispiele: In Afghanistan wurden islamische Gotteskrieger jahrelang über die USA und andere westliche Mächte aus geopolitischen Gründen aufgepäppelt, ehe sie später zu deren Gegenspielern wurden. Im Rahmen des multiethnischen Jugoslawien existierte eine äußerst liberale Form des Islams. Erst die gezielte Zerstörung Jugoslawiens ab den 90er Jahren – angetrieben von der deutschen Außenpolitik - machte Bosnien und Kosovo zu einem Einfallstor für den saudischen Salafismus. Auch der Irak wurde erst durch die Kriege des Westens zu einem Hexenkessel sektiererischer religiöser Gewalt, aus der sich der „Islamische Staat“ entwickelte. Dasselbe Bild in Libyen: Das achtmonatige Dauerbombardement der NATO ebnete dem Islamischen Staates den Weg, um sich in Libyen festzusetzen. Die Zerstörung Libyens legte wiederum die Lunte an den Bürgerkrieg in Mali, der für Frankreich und die EU zum Vorwand für eine mittlerweile auf den gesamten Sahel ausgeweitete Militärmission wurde. Ähnlich wie in Afghanistan bringt diese „Anti-Terror-Mission“ nicht Frieden, sondern treibt die Region in eine Gewaltspirale, die den Jihadismus weiter erstarken lässt. In Syrien wurden die Gotteskrieger finanziert und aufgerüstet von Staaten, die ihrerseits von EU-Staaten und den USA mit Waffen überschüttet wurden. Das sagt ein völlig unverdächtiger Zeuge: der zukünftige Präsident der USA, Joe Biden (damals US-Vizepräsident) gestand in einer Rede an der Havard-Universität im Jahr 2014 ein: „Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate (VAE) und die Türkei waren so entschlossen, Assad zu stürzen und einen sunnitisch-schiitischen Krieg zu führen, – was also taten sie? Sie schütteten jeden, der gegen Assad kämpfen wollte, mit Hunderten Millionen Dollar und Dutzenden, ja, Tausenden Tonnen Waffen zu. Allerdings belieferten sie auch Leute von al-Nusra und al-Qaida und die extremistischen Elemente der Jihadisten aus allen Teilen der Welt.“ Und wer belieferte Saudi-Arabien, VAE und die Türkei? 90 bis 95% deren Waffenexporte kommen aus den USA und den EU-Staaten.

Keine Kumpanei mit Staatsterrorismus!

Der „Kampf gegen den Terror“ ist selbst der schlimmste Staatsterrorismus, der – als Gegenpart wie als Helfershelfer – dem Jihadismus immer wieder neue Nahrung gibt. Das gefährdet auch die eigene Bevölkerung, wie die Terroranschläge in den USA und Europa, nun auch in Österreich, zeigen. Wir müssen raus aus der Falle der Kumpanei mit dieser Kriegspolitik von USA und EU, die so viel Unheil gerade über die Menschen in mehrheitlich muslimische Länder gebracht hat. Konkret heißt das unter anderem:

  • Sofortiger Ausstieg aus den EU-Battlegroups, die für solche Militärinterventionen bereitstehen
  • Ausstieg aus der EU-SSZ, einem Aufrüstungsprogramm, das als Vorstufe für eine imperiale EU-Armee dient
  • Ausstieg aus den mörderischen EU-Wirtschaftssanktionen gegen Syrien
  • Rückzug der österreichischen Truppen aus dem Afghanistankrieg und der Sahelmission der EU
  • Ausstieg aus Frontex und Stopp der Kollaboration mit libyschen Warlords zur Flüchtlingsabwehr
  • Stopp der Waffenexporte in den Nahen Osten, Beendigung der Militärkollaboration mit Israel
  • Schluss mit den neutralitätswidrigen Waffen- und Truppentransporten durch Österreich!
Friedens- und Neutralitätspolitik ist die beste Anti-Terrorpolitik!

Das sind wichtige Voraussetzungen, um wieder eine glaubwürdige Frieden- und Neutralitätspolitik betreiben zu können, die sich für Dialog und friedliche Konfliktbeilegung einsetzt. So können wir Teil der Lösung werden, statt Teil des Problems zu bleiben. Die türkis-grüne Regierung plant das genaue Gegenteil: Sie hat im Regierungsprogramm festgehalten, dass sie sich für die Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU-Außenpolitik einsetzen wird. Damit würde auch der letzte Spielraum für eine unabhängige österreichische Außenpolitik – die Grundvoraussetzung für Neutralität – eliminiert.

Dem müssen wir mit aller Kraft entgegentreten. Der Kampf um die Rückgewinnung der Neutralität ist auch Kampf für die Sicherheit der Menschen in Österreich selbst. Denn eine glaubwürdige Friedens- und Neutralitätspolitik ist auch die beste Anti-Terrorpolitik!

Gerald Oberansmayr
(12.11.2020)