Die Solidar-Werkstatt ruft dazu auf, bei der Volksbefragung am 20. Jänner für den Erhalt der Wehrpflicht zu stimmen, weil wir überzeugt sind, dass ein Berufsheer die Einbindung Österreichs in die EU-Militarisierung und imperiale Kriege enorm erleichtern würde. Wir glauben aber, dass - unabhängig vom Ergebnis des 20. Jänner - die entscheidende Frage sein wird, ob die österreichische Friedensbewegung wieder auf einer Plattform zusammenfindet, in deren Zentrum die Forderung nach Ausstieg aus dem Militärpakt EU steht.

 

Einladung und Aufruf an friedensbewegte Menschen und Gruppen

Raus aus dem Militärpakt EU! Ja zur Neutralität!

Die bevorstehende Volksbefragung über die Abschaffung der Wehrpflicht bzw. Einführung eines Berufsheeres wird auch unter friedensbewegten Menschen und Organisationen kontroversiell diskutiert. Die einen treten für den Erhalt der Wehrpflicht ein, andere für ihr Ende, dritte propagieren die Abschaffung des Bundesheeres. Die Solidar-Werkstatt ruft dazu auf, am 20. Jänner für den Erhalt der Wehrpflicht zu stimmen, weil wir überzeugt sind, dass ein Berufsheer die Einbindung Österreichs in die EU-Militarisierung und imperiale Kriege enorm erleichtern würde. Wir glauben aber, unabhängig davon, wie wir uns am 20. Jänner entscheiden und welches Ergebnis dabei herauskommen wird, die entscheidende Frage wird sein, ob die österreichische Friedensbewegung wieder auf einer Plattform zusammenfindet, in deren Zentrum die Forderung nach Ausstieg aus dem Militärpakt EU und das Ringen um eine aktive Friedens- und Neutralitätspolitik Österreichs steht. Denn die EU ist seit dem Vertrag von Lissabon (2009) unzweifelhaft ein Militärpakt geworden, der in einigen Aspekten sogar über den Militärpakt NATO hinausgeht.

  • Österreich verpflichtet sich zur permanenten "Verbesserung seiner militärischen Fähigkeiten" (Art. 32, Abs 3, Vertrag über die EU)

  • Österreich nimmt Teil an der EU-Verteidigungsagentur, deren Ziel es ist, "die industrielle und technologische Grundlagen des Verteidigungssektors zu stärken" und bei der "Verbesserung der militärischen Fähigkeiten den Rat zu unterstützen" (Art. 42, Abs 3, VEU)

  • Österreich verpflichtet sich zu einer militärischen Beistandsverpflichtung, die stärker ist als die der NATO (Art. 42, Abs 7, VEU)

  • Österreich verpflichtet sich zu einer sog. "Solidaritätsklausel", die sogar für "präventive" Kriegsführung und zu Militäreinsätzen in anderen EU-Staaten instrumentalisiert werden kann (Art. 223 Vertrag über die Arbeitsweise der EU)

  • Österreich ist Mitglied des EU-Rats, dem das Mandat für globale Militäreinsätze (auch ohne UN-Mandat!) u.a. für den sog. "Anti-Terrorkampf" zugesprochen wird (Art. 42, Abs 1, VEU)

  • Österreich verpflichtet sich "aktiv und vorbehaltlos die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union zu unterstützen" (Art. 24, VEU)

  • Österreich verpflichtet sich dazu "der Union für die Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zivile und militärische Fähigkeiten als Beitrag zur Verwirklichung der vom Ministerrat festgelegten Ziele zur Verfügung" zu stellen (sh. Battlegroups und KIOP-Kräfte) (Art. 42, Abs 3, VEU)

  • Österreich ist eingebunden in die politisch-militärischen Kommandostrukturen: Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee, EU-Militärausschuss, EU-Militärstab (Art. 38, VEU)

  • Österreich verpflichtet sich zur anteilsmäßigen Finanzierung des sog, "Anschubsfonds", mit die gemeinschaftlichen Kosten von EU-Militäreinsätzen bedeckt werden (Hauptquartiere, Transport, etc.) (Art. 41, Abs 3, VEU)

  • Österreich verpflichtet sich zur Einbringung seiner Kapazitäten in den "Auswärtigen Europäischen Dienst", der alle außen- und militärpolitische Instrumente der EU unter einem gemeinsamen Dach, geführt von einem/r "Hohen Beauftragten" zentralisiert. (Art. 27, VEU)

  • Österreich verpflichtet sich zur Teilnahme an einer aggressiven Außenwirtschaftspolitik, die globalen Freihandel anstrebt. (Art 21, VEU; Art 206, VA-EU)

Der Ausstieg aus dem Militärpakt EU heißt also zumindest Ausstieg aus allen außen-, sicherheits- und militärpolitischen EU-Strukturen und den entsprechenden Artikeln der EU-Verträge. Denn ohne Ausstieg aus diesem Militärpakt kann natürlich auch ein Wehrpflichtigen-Heer eine starke Profi-Komponente haben, die für globale Kriegseinsätze zur Verfügung steht; die Abschaffung der Wehrpflicht wäre bei Einbindung in diesen Militärpakt ohnehin ein Treibsatz für eine aggressive Interventionstruppe auf EU-Ebene. Und auch die Forderung nach Abschaffung des Bundesheeres würde ohne Austritt aus diesem Militärpakt rasch in ihr Gegenteil umkippen: Sie würde dazu instrumentalisiert, die finanzielle Beteiligung Österreichs an EU-Rüstungsprojekten in die Höhe treiben; es würde sofort die Debatte erzwungen werden, ÖsterreicherInnen als „Freiwillige“ bei den Streitkräften anderer EU-Staaten einmelden zu lassen. Vor allem würde sie im Rahmen des Militärpakts eine Steilvorlage für jene Kräfte ein, die ohnehin den Aufbau einer zentralen EU-Armee anstreben. Eine solche EU-Armee ist kein fernes Drohgespenst mehr, sondern wird immer nachdrücklicher vor allem von den deutschen Machteliten auf die Tagesordnung gerückt, um die EU als Weltmachtsprojekt mit allen militärischen Mitteln ausstatten zu können.

Darauf zu hoffen, dass schon nicht so heißt gegessen wie gekocht wird, wäre verantwortungslos. Die österreichische Bundesregierung hat in ihrer neuen Sicherheitsdoktrin unmissverständlich klargelegt, dass sie „an allen Dimensionen der EU-Sicherheitspolitik“ teilhaben will.

Unser Aufruf daher an alle Friedensgruppen und friedenspolitisch engagierte Menschen: Diskutieren wir konstruktiv und respektvoll unsere Differenzen in Bezug auf die Abstimmung am 20. Jänner. Aber vor allem vergessen wir nicht: Ohne den Ausstieg aus dem Militärpakt EU wird jedes Ergebnis am 20. Jänner 2013 die weitere Militarisierung Österreichs und die weitere Demontage der Neutralität nicht verhindern können. Eine Friedensbewegung in Österreich muss unserer Meinung nach daher die Forderung nach Ausstieg aus dem EU-Militärpakt und Verteidigung/Rückgewinnung der Neutralität in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten rücken. Wir rufen daher alle Friedenskräfte zu einer Zusammenarbeit in diese Richtung auf. Wir freuen uns über Rückmeldungen von Menschen und Gruppen, die daran interessiert sind.

Vorstand der Solidar-Werkstatt, 21.10.2012