ImageDr. Klaus Heidegger, von Kommission für Sicherheit und Abrüstung der christlichen Friedensbewegung Pax Christi Österreich, stellt Fragen zu einer möglichen Beteiligung Österreichs an EU-Battlegroups in Libyen. Seine Resümee: "Mit der Beteiligung an einem EU-Battle-Group-Einsatz macht das neutrale Österreich einen historischen Schritt in Richtung Militarisierung."


1.) Für nötige Hilfsmaßnahmen braucht es die Kompetenz des Roten Halbmond bzw. des Internationalen Roten Kreuz. Diese haben einen neutralen Status und werden von keiner der kämpfenden Parteien in Frage gestellt. Ist die Notwendigkeit zur Absicherung der Aktivitäten dieser Hilfsorganisationen tatsächlich gegeben? Haben diese Organisationen um eine militärische Hilfestellung durch die EU gebeten? Sprecher des Roten Kreuz haben jedenfalls bis jetzt keine Behinderungen festgestellt. Misrata braucht Wasser, Strom und Nahrungsmittel und vor allem ein Ende der Kampfhandlungen, aber nicht deren Fortsetzung. Je schneller der Krieg aufhört, desto weniger werden die Krankenhäuser voll mit Kriegsverwundeten sein; desto schneller wird sich die humanitäre Situation verbessern.

2.) Die führenden Länder der EU – allen voran Frankreich und Großbritannien, sowie verbunden damit alle europäischen NATO-Mitglieder haben sich spätestens seit Errichtung der Flugverbotszone und den ersten Angriffen auf libysche Stellungen als Kriegspartei erwiesen. Wird durch den Einsatz von EU-Truppen nicht letztlich die Seite der Rebellen bevorzugt und damit die Bürgerkriegssituation mit all dem unermesslichen Leid und die drohende Teilung des Landes vorbereitet? Ist nicht angesichts der Kriegsbeteiligung von EU-Staaten das Etikett „humanitäre Mission“ für einen Battle-Group-Einsatz höchst unglaubwürdig? 


3.) Österreich ist aufgrund seiner immerwährenden Neutralität dazu verpflichtet, in einer Kriegssituation nicht für eine bestimmte Partei Stellung zu beziehen, keine kriegerische Handlung zu unterstützen und selbst für Vermittlung bereit zu stehen. Verletzt Österreich durch eine Beteiligung am Libyen-Einsatz nicht die österreichische Neutralität und verspielt damit seine potentielle Vermittlerrolle? Mit der Beteiligung an einem EU-Battle-Group-Einsatz macht das neutrale Österreich einen historischen Schritt in Richtung Militarisierung.


4.) Die vorrangigste humanitäre Maßnahmen sind ein sofortiger Stopp aller Kampfhandlungen und der Beginn vertrauensbildender Maßnahmen. Durch den militärischen EU-Hilfseinsatz kann höchstens versucht werden, die Folgen des Krieges zu lindern, der eigentlich vermeidbar wäre. Es erscheint als absurd, wenn NATO-Staaten gleichzeitig von ihren Kampfjets aus Ziele in Misrata bombardieren und eine militärische EU-Hilfsaktion beschließen. Was die NATO euphemistisch „Unified Protector“ nennt, bedeutet nicht Schutz der Zivilbevölkerung, sondern Bürgerkriegsbeteiligung mit dem Ziel, das Gaddafi-Regime zu stürzen. Eine weitere primäre Aufgabe der EU sollte es sein, Flüchtlinge aus Nordafrika nicht weiter zurückzuschieben oder im Meer ertrinken zu lassen, sondern sich großzügig um deren Schutz im reichen Europa zu bemühen.