ImageHäupls Vorstoß für eine “mitteleuropäische” Militärkooperation ist eine kaum verhüllte Tarnung für den militärpolitischen Anschluss an Deutschland. Der Wiener Bürgermeister greift damit die Pläne der deutschnationalen extremen Rechten auf.

 

Der Wiener Bürgermeister Häupl setzt, nachdem er bereits die Debatte um die Abschaffung der Wehrpflicht im Kanzleramt eröffnet hat, den nächsten Orientierungspfeil, wohin die Reise des Bundesheers, ja Österreichs insgesamt gehen soll. Dieser Orientierungspfeil trägt die harmlosen Bezeichnung „mitteleuropäische Militärkooperation“, ihre politische Bedeutung  dagegen ist alles andere als harmlos. Häupl fordert eine „Aufteilung der militärischen Aufgaben unter den mitteleuropäischen Staaten.“ Ewiggestrige und Deutschnationale wird das Herz angesichts der Vorstöße des Wiener Bürgermeister höher schlagen, denn sie wissen, wofür  die „Mitteleuropa“-Chiffre steht: für die „Kooperation“ oder besser gesagt, den „Anschluss durch die Hintertür“ an das mit Abstand mächtigste Land „Mitteleuropas“, also an Deutschland. So freut sich der rechtsextreme Chefideologe und FPÖ-Europaparlamentsabgeordneter Andreas Mölzer in seinen Schriften darüber, dass im Rahmen der EU „die Mitte Europas wieder grenzenlos deutsch werde“ und daher „die Neutralität in der EU endlich auf dem Misthaufen der Geschichte“ lande. Mölzer beruft sich dabei ungeniert auf NS-Vorlagen: „Die Gedanken der Einigung der europäischen Mitte sind auch von so bedeutenden Geistern wie dem Geopolitiker Karl Haushofer verfochten worden.“  (Europa im rechten Licht, 2005). Dieser von Mölzer gelobte „bedeutende Geist“ war 1934 - 1937 Präsident der „Deutschen Akademie“, 1938 – 1941 Vorsitzender der NS-Vorfeldorganisation „Volksbund für das Deutschtum im Ausland“ und volkstumspolitischer Berater und Verbindungsmann der NSDAP-Führung, nicht zuletzt bei der Annexion Österreichs. Seine geo- politischen Theorien dienten den Nazis als Grundlage für ihre Expansionspläne und Eroberungskriege.

“Keine Auslandsdienstreise mehr.” Dass Michael Häupl bei seinem „Mitteleuropa“-Vorstoß die Zusammenarbeit mit der neutralen Schweiz in Spiel gebracht hatte und Parteifreund Swoboda gleichzeitig einen NATO-Luftballon steigen ließ, kann wohl als Ablenkungsmanöver  abgehakt werden, denn die „mitteleuropäische Militärkooperation“ mit Deutschland gewinnt schon jetzt Jahr für Jahr mehr an Fahrt: Österreichische Truppen dienten und dienen unter dem Kommando der deutschen Bundeswehr bei diversen EU- und NATO-Militärmissionen, vom Balkan bis Afghanistan; der Ankauf von deutschen Kriegsgerät und gemeinsame militärische Übungen mit der Bundeswehr sind an der Tagesordnung. 2009 trainierten deutsche und österreichische SoldatInnen den Einmarsch einer 40.000 Mann/Frau starken EU-Streitmacht in die Kaukasus-Region. Ab 2012 soll eine „mitteleuropäische“ EU-Battlegroups einsatzbereit sein, mit Deutschland als „Lead Nation“. Österreichische Offiziere sind dafür schon jetzt in die Kommandostrukturen der Bundeswehr so eng eingebunden, dass bereits 2005 der Streikräfte-Kommandant des Bundesheer Günther Höfler vermerkte: „Wenn man heute nach Deutschland fährt, ist das keine Auslandsdienstreise mehr.“ (Kleine Zeitung, 13.12.2005)

Häupls Vorstoß in Richtung eines deutsch geführten Mitteleuropas hat freilich auch tragische sozialdemokratische Wurzeln. Die Sozialdemokratie der Vorkriegszeit war traditionell großdeutsch ausgerichtet. Den widerwärtigen Tiefpunkt erlebte diese Ideologie, als der sozialdemokratische Parteiführer Karl Renner 1938 die Österreicher aufrief, „mit freudigem Herzen“ für den Anschluss an Nazi-Deutschland zu stimmen.

In den Gründungsdokumenten der 2. Republik wurde aus der verheerenden Verstrickung Österreichs in deutsche Großmachtsambitionen die Konsequenz gezogen: Das Neutralitätsgesetz gebietet das Verbot der Teilnahme an Kriegen und Militärpakten. Der Staatsvertrag verbietet den Anschluss an Deutschland – und die Vorbereitung in diese Richtung in Form militärischer Kooperationen und wirtschaftlichem Ausverkauf. Beides wird seit dem EU-Beitritt mit Füßen getreten. In der Zeit Bruno Kreiskys wurden diese Gründungsdokumente – trotz aller Widersprüche dieser Zeit - mit einem gewissen Leben erfüllt: Ein kleinstaatliches und neutrales, sozialstaatliches und weltoffenes Österreich als Gegenentwurf zur Unterordnung unter deutsche bzw. europäische Großmachtspläne begann Gestalt anzunehmen. Dass ausgerechnet zum 100. Jahrestag Kreiskys der ehemalige Burschenschaftler Häupl einen mitteleuropäisch verbrämten Militär-Anschluss an Deutschland propagiert, kommt einer politischen Grabschändung gleich.