Ein Blick in den „Landesverteidigungsbericht 2022“ zeigt, dass derzeit die massivste Aufrüstung der österreichischen Nachkriegsgeschichte losgetreten wird, um bei EU-Kriegseinsätzen mitzumarschieren. Das kostet viele Milliarden, die bei Gesundheit, Pflege, Sozialem und Bildung fehlen.
Von 2022 bis 2028 soll das gesamte Militärbudget um satte 93% wachsen, die Waffenankäufe (sprich Rüstungsinvestitionen) gar um fulminante 384%, also fast eine Vervierfachung - in realen Werten, das heißt die inflationsbedingte Wertanpassungen kommen noch dazu (sh. unten). In absoluten Beträgen soll der Militärhaushalt von 2022 bis 2028 um 2,5 Milliarden nach oben schnellen. Zum Vergleich: Mit demselben Geld könnte man auch das Pflegegeld oder die Ausgaben im Bereich Elementarbildung verdoppeln.
Doch während die Ausgaben für Rüstung und Militär nach oben rauschen, fehlt es im Pflege-, Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich an allen Ecken und Enden. Das zeigt auch die Grafik, die die Entwicklung wichtiger Budgetbereiche laut Bundesfinanzrahmengesetz 2023 bis 2026 darstellt (sh. oben). Auch hier: Der Gewinner ist das Militär – und dann kommt lange nichts. Besonders aufreizend ist der steile Abfall der Gesundheitsausgaben. Zwar handelt es sich hier nur um die Bundesausgaben (der Großteil der Ausgaben in diesem Bereich entfallen ja auf Länder bzw. Sozialversicherung), trotzdem ist es bezeichnend, dass im Gesundheitsbereich in Österreich eine rigide „Deckelung“ betrieben wird, damit die Gesundheitsausgaben ja nicht rascher wachsen als das Bruttoinlandsprodukt, während gleichzeitig die Ausgaben für das Militär um ein Vielfaches des BIP nach oben marschieren.
Auslöser der Hochrüstung: EU-SSZ/Pesco
Wie wird im Landesverteidigungsbericht diese Explosion des Militäretats begründet? Man ahnt es: mit dem Ukraine-Krieg und der Verteidigung des österreichisches Territoriums. Beides ist eine leicht durchschaubare Flunkerei. Ziemlich genau dieselben Zahlen, mit denen nun das Bundesheerbudget durch die Decke gehen soll, finden sich bereits im Bericht „Unser Heer 2030“ aus dem Jahr 2019 des damaligen Verteidigungsministers Thomas Starlinger – drei Jahre vor dem Ukraine-Krieg. Mit dem Ukraine-Krieg lässt sich nun diese Hochrüstung besser verkaufen, der Auslöser war aber der Beitritt Österreichs zur sog. „Ständig Strukturierten Zusammenarbeit“ der EU (EU-SSZ/Pesco) im Jahr 2018. Dieses militärische „Kerneuropa“ fordert die ständige Erhöhung der Rüstungsbudgets ein und lässt die Umsetzung dieser Aufrüstungsverpflichtung durch das EU-Rüstungsamt Jahr für Jahr überprüfen.
Militärische Beistandspflicht der EU
Dass diese Aufrüstung wenig mit der Verteidigung Österreichs zu tun hat, gesteht der „Landesverteidigungsbericht 2022“ in den hinteren Kapiteln selbst ein. Besondere Bedeutung wird der Erfüllung der militärischen Beistandsverpflichtung gemäß EU-Vertrag (Artikel 42, Abs. 7) beigemessen: „Die Schwelle eines bewaffneten Angriffs auf einen EU-Mitgliedsstaat stellt eine besondere Herausforderung dar. Dieser würde aufgrund von Beistandsverpflichtungen im Rahmen der EU (Art. 42/7 EUV) einen Beitrag Österreichs erfordern, der auch militärische Fähigkeiten und Kapazitäten umfassen kann. Hier ist der Beitrag Österreichs und des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH) klar festzulegen.“ Während uns die Politik mit der „Irischen Klausel“ im EU-Vertrag am Schmäh hält (siehe hier), wird im Verteidigungsministerium bereits der nächste Fußtritt gegen die Neutralität konzipiert.
Von Afrika bis zum Nahen Osten
Darüber hinaus wird unmissverständlich klar gemacht, dass sich das Bundesheer mehr denn je an EU-Militärmission im Ausland beteiligen soll. So erklärt der „Landesverteidigungsbericht“, dass sich das Bundesheer bereits auf „die Erfüllung der Verpflichtungen im Rahmen der EU Rapid Deployment Capacity“ vorbereiten muss, also jener global agierenden „Schnellen Eingreiftruppe der EU“, die ab 2025 einsatzbereit sein soll. Die Öffentlichkeit wird darauf eingestimmt, dass es bald blutig werden könnte: „Anforderungen für robuste Auslandseinsätze werden rascher als bisher auf das ÖBH zukommen, eine geringere Vorwarnzeit aufweisen und die Bandbreite der Einsätze wird höher, was die Bereithaltung von rasch verfügbaren, durchsetzungsfähigen und durchhaltefähigen Kräften bedingt, die dazu befähigt sind, es mit dem gesteigerten Bedrohungspotenzial der dortigen Gegner aufzunehmen und Gefechte zu gewinnen.“ Der geografische Rahmen solche Bundesheereinsätze ist ambitioniert: „Alle globalstrategischen Wirkungsfelder, wie Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaft und Energieversorgung, politische Systeme und globale Ordnungsmodelle, weisen dabei auf Zentral- und Nordafrika sowie den Nahen Osten als die zu priorisierenden Räume für künftige Einsätze hin.“ Erstaunlich, wo überall Österreich verteidigt wird.
Die Waffen nieder!
Unter dem Strich heißt das: Wir sollen unseren Sozial- und Bildungstöpfen Milliarden vorenthalten, um bei imperialen EU-Einsätzen auf anderen Kontinenten mitzuschießen. Widerstand gegen diese militaristische, neutralitätswidrige und asoziale Politik gibt es im Nationalrat keine. Mehr denn je kommt es auf die außerparlamentarische Arbeit an, um Widerstand zu leisten! Die Unterstützung des Aufrufs „DIE WAFFEN NIEDER!“ ist ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein der Militarisierung. Aber letztlich sind es immer viele kleine Tropfen, die einen Brand löschen können.
(April 2023)