Die türkis-grüne Regierung gibt Gas bei der Aufrüstung. Die Rüstungsinvestitionen sollen im Zeitraum 2019/2021 um 146% ansteigen. Hintergrund dafür sind die Aufrüstungsverpflichtungen, die Österreich durch die Teilnahme an der EU-SSZ eingegangen ist, die auch zur Teilnahme an globalen EU-Kriegseinsätzen verpflichtet.

Nach einem Plus von fast 10% im Jahr 2020 steigt das Budget für militärische Angelegenheiten 2021 erneut um über 8%. Das Budget für das Bundesheer steigt damit von 2015 bis 2021 um satte 44% (sh. Grafik 1). Noch rasanter schnellen die Rüstungsinvestitionen (sh. Grafik 2) – als die Ausgaben für Waffen und militärische Infrastrukturen – in die Höhe: von 191,1 Millionen (2019) auf 470,6 Millionen (2021). Das entspricht einem Anstieg von 146% innerhalb der zwei Jahre türkis-grüner Regierungszeit. Im Vergleich dazu schauen die rot-schwarzen und türkis-blauen Aufrüstungsjahre geradezu mager aus.

Militaerbudget Oesterreich

Wir werden uns noch wundern ...

Man ist versucht, einen viel zitierten Sager des blauen Parteichefs Norbert Hofer abzuwandeln: Wir werden uns noch wundern, was mit den Grünen alles möglich ist! Denn tatsächlich würde man den Grünen unrecht tun, würde man sie in der Rolle der Ökopaxe sehen, die zähneknirschend den Aufrüstungsambitionen der Türkisen folgen. Die Forderungen nach einer beschleunigten militärischen Aufrüstung des Bundesheeres kommt nämlich maßgebend aus der grünen Richtung. Allen voran von Bundespräsident Alexander van der Bellen, der 2019 nicht müde wurde, die Parteien dafür zu rüffeln, dass sie zu wenig in Aufrüstung investieren würden: „Ich werde in den nach der Nationalratswahl anstehenden Regierungsverhandlungen auf eine deutliche Budgetaufstockung pochen“, fordert Van der Bellen im Sommer 2019 eine rasche und massive Anhebung des Militäretats (Der Standard, 5.7.2019). Van der Bellen gelang es auch, seinen persönlichen Adjutanten, den „grünaffinen“ Brigadier Thomas Starlinger als Verteidigungsminister in die Übergangsregierung Bierlein zu hieven. Starlinger, der zuvor bereits im EU-Militärstab, in der EU-Rüstungsagentur und im EU-Battlegroupskommando der deutschen Bundeswehr seinen Dienst versah, forderte energisch ein 16 Milliarden teures militärisches Investitionsprogramm für das Bundesheer bis 2030, um für EU-Militäreinsätze „im Nahen und Mittleren Osten oder in Afrika“ (1) gerüstet zu sein. Den Grünen gelang es zwar nicht, Starlinger als Verteidigungsminister in der türkis-grünen Regierung durchzusetzen. Seine Handschrift tragen die türkis-grünen Budgets seither aber allemal.

Ruestungsinvestitionen

EU: 50.000 bis 60.000 SoldatInnen für Interventionen

Der Hintergrund für den sprunghaften Anstieg insbesondere der Rüstungsinvestitionen bildet die „Ständig Strukturierte Zusammenarbeit“ (EU-SSZ/Pesco), die 2018 aus der Taufe gehoben wurde. Sie verpflichtet die EU-Staaten zur permanenten Erhöhung ihrer Militärausgaben. Die Rüstungsinvestitionen müssen auf mindestens 20% des gesamten Wehretats angehoben werden. Tatsächlich hebt türkis-grün diesen Anteil von knapp 10% (2019) bereits auf über 17% (2021). Schließlich muss sich Österreich im Rahmen der EU-SSZ einem jährlichen Überprüfungsprozess durch die EU-Rüstungsagentur unterwerfen. Eine weitere Verpflichtung ist mit der Teilnahme an der EU-SSZ verbunden: Die Bereitschaft zur Teilnahme an globalen EU-Militärmissionen. Der EU-Außenbeauftrage Josep Borrell mahnte im Februar 2020 bei der Münchner Sicherheitskonferenz, „die EU muss zu internationalen Interventionen bereit sein“, sie müsse „Gefallen an der Macht entwickeln.“ (2). Bereits derzeit sind 35.000 EU-Truppen im Ausland im Einsatz. Für Borrell viel zu wenig: Er fordert die EU-Staaten auf, „50.000 bis 60.000 Bodentruppen“ zu Militäreinsätzen ins Ausland zu entsenden „beginnend in der EU-Nachbarschaft“. (3).

Türkis-grün will mitmarschieren

Bundespräsident und Regierung wollen, dass Österreich mitmarschiert. Zumindest 1.100 SoldatInnen sollen laut türkis-grünem Regierungsprogramm „als Dauerleistung für Auslandseinsätze“ bereitstehen (Seite 228). Auch die konkreten Aufrüstungsprogramme – z.B. Kampfhubschrauber, Drohnen, Cyberkriegsführung – sind eng mit den Rüstungsprogrammen auf EU-Ebene akkordiert. Um lästige Debatten im österreichischen Parlament über eine Teilnahme Österreichs an EU-Kriegen zu ersparen, will sich türkis-grün dafür einsetzen, das Einstimmigkeitsprinzip in der EU-Außen- und Sicherheitspolitik über Bord zu werfen. Dann würde der EU-Rat mit Mehrheit darüber entscheiden, ob, wann und wo österreichische SoldatInnen ihr Blut für den „Zugang zur Rohstoffen“ und „freien Handelswegen“ (EU-Globalstrategie, 2016) zu vergießen haben. Das österreichische Parlament müsste den Mund zu halten und die Neutralität wäre völlige Makulatur. Das liegt voll auf der Linie von Alexander van der Bellen, der sich bereits bei seinem Amtsantritt für die sog. „Lubljana-Initiative“ aussprach. Diese Lubljana-Initiative fordert ebenfalls die Eliminierung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU-Außen und Sicherheitspolitik, sowie die Aufstellung einer EU-Armee für den „Anti-Terrorkampf auf dem Hoheitsgebiet von Drittstaaten“ unter dem zentralen Kommando eines EU-Präsidenten (4).

„Legal – illegal – scheißegal“?

Es ist ein besonderer Hohn, wenn Bundespräsident und die türkis-grüne Regierungsmannschaft behaupten, die aktuelle Aufrüstung des Bundesheeres diene dazu, die in der Verfassung verankerten Verpflichtung zur Landesverteidigung und zum Schutz der Neutralität erfüllen zu können. Die aktuelle Militarisierung dient dem Gegenteil: der Mobilmachung für EU-Kriegseinsätze rund um den Globus. Nichts könnte verfassungsfeindlicher in einem Land sein, in dem die Neutralität, d.h. die Verpflichtung zur Nichtteilnahme an Kriegen, in der Verfassung festgeschrieben ist. Früher skandierten Sponti-AnarchistInnen gerne den Spruch „Legal – illegal – scheißegal“, in Bezug auf die Verfassung der 2. Republik scheint dieser Spruch heute zum Leitmotiv des österreichischen Establishments geworden zu sein.

Gerald Oberansmayr

 (Dezember 2020)

Hinweis: Bitte Petition unterstützen "JA zur Neutralität - NEIN ZUR EU-SSZ!"
hier online zu unterstützen


Quelle:
(1) „Unser Heer 2030“, BMLV, Wien 2019
(2) Zitiert nach www.zdf.de, 16.2.2020
(3) zit. nach www.express.co.uk, 8.10.2019
(4) The new draft treaty fort the constitution oft the EU, Lubljana, 2016