ImageDer mit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen am 1. September 1939 entfesselte Zweite Weltkrieg wurzelte ebenso wie der Erste Weltkriegin den Widersprüchen des Imperialismus. Den aggressiven imperialistischen Gruppierung mit dem nationalsozialistischen Deutschland an der Spitze ging es jedoch nicht mehr bloß um die Frage der Neuverteilung der Welt wie im Ersten Weltkrieg, sie strebten die Erringung der Weltherrschaft, verbunden mit der Versklavung und sogar Vernichtung ganzer Völker an.
Eine Analyse des Linzer Zeithistorikers Hans Hautmann.


Der mit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen am 1. September 1939 entfesselte Zweite Weltkrieg wurzelte ebenso wie der Erste Weltkriegin den Widersprüchen des Imperialismus. Der Erste Weltkrieg hatte diese nicht gelöst, sondern noch weiter verschärft. Die durch ihn hervorgerufenen Erschütterungen, Katastrophen und revolutionären Ereignisse erfassten alle Seiten des wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und ideologisch-moralischen Lebens der kapitalistischen Gesellschaft, die 1917 aufhörte, die einzige und allumfassende ökonomische Gesellschaftsformation in der Welt zu sein, weil sich das Großkapital nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten anderen Ländern des europäischen Festlandes auf das engste mit den Regimen verbunden hatte.

Hatte somit der Erste Weltkrieg nur einen Widerspruch gekannt, den zwischen den imperialistischen Mächten, so fanden im Zweiten Weltkrieg nicht nur eine, sondern zwei Gruppen von Widersprüchen ihren Ausdruck: der Widerspruch zwischen den rivalisierenden imperialistischen Ländern Deutschland, Italien und Japan auf der einen und Frankreich, Großbritannien und den USA auf der anderen Seite, sowie ein neuer Widerspruch, der zwischen der kapitalistischen Welt insgesamt und der Welt des Sozialismus, repräsentiert durch die Sowjetunion.

Kriegsziel: Erringung der Weltherrschaft

Der Imperialismus hatte seit 1918 danach gestrebt, seine Widersprüche auf Kosten und durch Beseitigung des ersten sozialistischen Staates zu lösen. Ausdruck dafür war die Politik des „Appeasements“ der Westmächte Großbritannien und Frankreich, der Beschwichtigung und Duldung der faschistischen Aggressionsakte. Als Deutschland, Italien und Japan die bestehenden internationalen Verträge sukzessive zum Fetzen Papiermachten, fieberhaft aufrüsteten und in China, Abessinien, Spanien, Österreich und in die Tschechoslowakei einfielen, halfen die Westmächte nicht den überfallenen Ländern, sondern unterstützten durch ihre Politik der „Nichteinmischung“ die Aggressoren. Die herrschenden Kreise der Westmächte begriffen nicht, dass das erklärte Ziel des Faschismus, den Sozialismus zu vernichten, die Unterordnung der imperialistischen Konkurrenten, notfalls mit Gewalt und Krieg, mit einschloss. Sie verkannten, dass die aggressive imperialistische Gruppierung mit dem nationalsozialistischen Deutschland an der Spitze nicht mehr bloß die Frage der Neuverteilung der Welt stellte wie im Ersten Weltkrieg, sondern die Erringung der Weltherrschaft, die Versklavung und sogar Vernichtung ganzer Völker anstrebte.

Diese verbrecherischen Ziele der faschistischen Aggressoren waren bestimmend für die Tatsache, dass im Zweiten Weltkrieg zum Unterschied vom Ersten von Anfang an zwei Tendenzen gegeneinander kämpften und die objektiven Möglichkeiten für einen gerechten Befreiungskrieg der Völker gegen den Faschismus vorhanden waren: in Ländern wie der Tschechoslowakei, Polen, Dänemark, Norwegen,Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Jugoslawien und Griechenland. Der entscheidende Faktor, der diesen Prozess endgültig formte, war der Kriegseintritt der Sowjetunion als Folge des deutschen Überfalls vom 22. Juni 1941. Auf dem Boden der gemeinsamen Interessen der freiheitsliebenden Völker entstand 1941 eine mächtige Staatenkoalitionmit der Sowjetunion, den USA und Großbritannien an der Spitze, durch deren gemeinsame Anstrengungen der welthistorische Sieg im Zweiten Weltkrieg errungen wurde. Entgegen den Erwartungen ging die Sowjetunion aus diesem Kampf enorm gestärkt hervor. Es gelang ihr, im Bündnis mit der einen Gruppierung kapitalistischer Länder gegen die andere die weltweiten Positionen des Imperialismus insgesamt zu schwächen. Das war es, was dem Verlauf des Zweiten Weltkriegs und vor allem seinen Endergebnissen den Stempel aufdrückte.

Schreckliche Tragödie und Prüfung

Der Zweite Weltkrieg, der bisher größte und blutigste Krieg der Weltgeschichte, endete in Europa am 8. Mai und in Asien am 2. September 1945. Er erfasste 80 Prozent der Bevölkerung der Erde; 72 Staaten hatten den Kriegszustand erklärt. Die kriegführenden Länder mobilisierten 110 Millionen Menschen und wendeten 935 Milliarden Dollar für direkte Kriegsausgaben auf. Der Krieg forderte 55 Millionen Tote und hinterließ 35 Millionen Kriegsversehrte. Von den wichtigsten kriegführenden Ländern verloren die Sowjetunion 20 Millionen, Deutschland 6,5 Millionen, Polen 6 Millionen, Jugoslawien 1,7 Millionen, Frankreich 653.000, Großbritannien 368.000 und die USA 273.000 Menschen. Etwa 11 Millionen Menschen wurden allein in Vernichtungs- und Konzentrationslagern, durch Massaker, Hinrichtungen, Erschießungen ermordet, davon 5 bis 6 Millionen Angehörige der jüdischen Bevölkerung im deutschen Machtbereich in Europa. Gigantische Zerstörungen und materielle Schäden waren seine Bilanz. Dieser Krieg war aber nicht nur eine schreckliche Tragödie für die Menschheit. Er war auch eine große Prüfung, eine Prüfung darüber, welche Kräfte stärker waren, die des gesellschaftlichen Fortschritts oder die der faschistischen Barbarei und der Reaktion, eine Entscheidung darüber, in welche Richtung sich die Weltgeschichte fortan bewegte.

Aufschwung fortschrittlicher Bewegungen nach dem 2.Weltkrieg

Als sich die Niederlage des NS-Regimes und seiner Satelliten in Europa abzuzeichnen begann, also noch während des Zweiten Weltkriegs, wurde es klar, dass mit der Zerschlagung des Faschismus auch eine tiefe Krise des Kapitalismus in Europa eintreten musste. Die durch ihn hervorgerufenen Erschütterungen, Katastrophen und revolutionären Ereignisse erfassten alle Seiten des wirtschaftlichen, politischen, kulturellen undideologisch-moralischen Lebens der kapitalistischen Gesellschaft, die 1917 aufhörte, die einzige und allumfassende ökonomische Gesellschaftsformation in der Welt zu sein,  Ein beträchtlicher Teil der Bourgeoisie und ihrer Schachfiguren im Apparat der politischen Parteien und des Staates war durch die Kollaboration mit dem Faschismus diskreditiert. Die Schwächung dieser Kräfte auf faktisch allen Gebieten und die Tatsache, dass die Leiden, denen die Völker durch Faschismus und Krieg unterworfen waren, zu einer Zusammenballung großer gesellschaftsverändernder Energien führten, schufen günstige Voraussetzungen für das Wachstum der Arbeiterbewegung und der allgemeindemokratischen Bewegung.

1945 trat sogar für eine gewisse Zeit eine Situation ein, die man als Einschränkung und Verletzung der gewohnten Grundsätze kapitalistischen Wirtschaftens bezeichnen kann. Beispielsweise hatten sich aus den von der Roten Armee befreiten Gebieten Österreichsdie meisten Großunternehmer nachdem Westen abgesetzt, und die direkt mit dem NS-Regime verbundenen Teile der Bourgeoisie und der höheren Beamtenschaft waren aus den Betrieben und der Staatsverwaltung verschwunden. Die Arbeiter selbst übernehmen mit den demokratischen Schichten des Volkes den Aufbau und die Leitung der Betriebe sowie der Verwaltung. Verbunden mit dieser aktiven Anteilnahme am Wiederaufbau war die Forderung nach Verstaatlichung der Betriebe, eine Demokratisierung der Verwaltung und nicht zuletzt der Wunsch nach einem neuen Weg, den Österreich künftig beschreiten sollte.

Diese breite Massenstimmung trug dazu bei, dass selbst der Vorsitzende der bürgerlichen Partei ÖVP, Leopold Figl, 1945 von einer revolutionären Erneuerung Österreich sprach und sie ankündigte. Der Sieg des Jahres 1945 war also ein Ereignis von epochaler Bedeutung, das zu einschneidenden Wandlungen auf dem Schauplatz der internationalen Politik führte. Mit ihm wurden die Bedingungen dafür geschaffen, dass der antifaschistische und nationale Befreiungskampfin einer Reihe von Ländern Europas und Asiens in sozialistischen Umwälzungen ausmünden konnte, dass die Krise des imperialistischen Kolonialsystems in den offenen Zerfall der Kolonialherrschaft überging und dass in den entwickelten kapitalistischen Ländern Umgestaltungen eintraten, die allgemeindemokratischen Charakter hatten, die die Positionen der Arbeiterbewegung stärkten und sich positiv auf die weitere sozial-ökonomische Entwicklung auswirkten.

Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann 

 Aus guernica 3/2005.