Neutralitaetskreis MontageAm 26. Oktober 2016 – dem National- und Neutralitätsfeiertag der Republik – haben die Solidarwerkstatt Österreich und die Wiener Friedensbewegung eine Kundgebung vor dem Denkmal der Republik (Wien, vor dem Parlament) abgehalten. Unser Motto: „Aktiv neutral statt EU-militarisiert!“ – Eine Aktion, die uns ermutigt hat.

Auffallend dabei war, wieviel Zuspruch wir von den Menschen für die Neutralität bekommen haben. Gerade Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen, die fliehen und die Gräuel des Krieges am eigenen Leib erfahren mussten, haben uns zu dieser Aktion gratuliert und am Infostand mitgeholfen. Sie unterstützen die Neutralität, weil sie darin ein Konzept sehen, das sowohl friedensstiftend nach außen wirkt als auch Sicherheit für die BürgerInnen nach innen gibt.

neutralitaetskreiseKern und Kreise der Neutralität

Die Neutralität ist nicht nur – gemeinsam mit dem Staatsvertrag – die Geburtsurkunde der 2. Republik und Grundlage der österreichischen Unabhängigkeit. Sie ist gerade heute – in Zeiten wachsender Konflikte – moderner und zukunftsweisender denn je. Denn Neutralität umfasst eine vielschichtige Selbstverpflichtung zum Frieden. Diese Vielschichtigkeit haben wir in aktionistischer Form bei der Kundgebung am 26. Oktober dargestellt (sh. Foto). Wir haben uns dabei angelehnt an ein Konzept von Klaus Heidegger (Pax Christi Tirol), das um einen Neutralitätskern weitere Neutralitätskreise zieht:

  1. Der Kern der Neutralität: Verpflichtung zur Nichtteilnahme an jedwedem Krieg: In Kriegszeiten folgt daraus die Verpflichtung, keine der kriegsführenden Parteien militärisch zu begünstigen. Schon in relativen Friedenszeiten ergeben sich daraus weitere Verpflichtungen.
  2. Militärische Bündnisfreiheit, denn Militärbündnisse bedeuten, dass ein Land aufgrund der Beistandsverpflichtungen in kriegerische Aktivitäten hineingezogen werden kann. Nicht nur die NATO auch die EU enthält seit dem Vertrag von Lissabon (2009) eine militärische Beistandsverpflichtung.
  3. Vorwirkungen der Neutralität: Das heißt auch in Friedenszeiten alles zu unternehmen, um militärische Aufschaukelungs- und Militarisierungsprozesse zu verhindern, z.B. Verzicht auf Kriegsmaterialexport; keine Teilnahme an Strukturen, die Kriegseinsätzen und Aufrüstung dienen (Battlegroups, Rüstungsagentur, Europäischer Auswärtiger Dienst, Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee, EU-Militärstab, EU-Militärausschuss, NATO-PfP,…)
  4. 4.Strukturelle Friedensfähigkeit nach innen: Staaten nutzen oft die Aggression nach außen dazu, um von sozialen Spannungen im Inneren abzulenken. Ein neutraler Staat, der auf Gewalt nach außen verzichtet, ist daher in viel höherem Maß auf sozialen Ausgleich und soziale Teilhaberechte im Inneren angewiesen. Dazu gehört auch die Förderung von Konzepten der sozialen Verteidigung.
  5. Strukturelle Friedensfähigkeit nach außen: D.h. eine Außenpolitik, die sich für friedliche Konfliktregelung, globale Abrüstung, die Überwindung von Militärblöcken und für internationale Kooperation auf Augenhöhe engagiert (aktive Neutralitätspolitik).Neutralitt battlegroups

Das zeigt: Neutralität ist völlig unvereinbar mit dem Regime des EU-Lissabon-Vertrags, der alle EU-Staaten zur Aufrüstung verpflichtet, dem EU-Rat das Mandat für globale Kriege (auch ohne UNO-Mandat) gibt und militärische Beistandsverpflichtungen ähnlich der NATO beinhaltet. Neutralität heißt: Wir wollen Frieden exportieren und nicht Krieg! Entsprechend gerne haben daher auch viele Menschen beim Solidarwerkstatt-Infostand den Offenen Brief „EU-Battlegroups – Nicht in unserem Namen!“ unterschrieben, denn die Teilnahme Österreichs an diesen EU-Kampftruppen dient nicht dem Frieden, sondern der gewaltsame Durchsetzung „offener Märkte“ und des „Zugangs zu natürlichen Rohstoffe“, wie es die EU-Staatschefs vor Kurzem erneut in der „EU-Globalstrategie“ beschlossen haben.

Neutralität contra EU-Militarisierung

Bewegung von unten für die Neutralität wird immer wichtiger, denn vom EU-Establishment wird derzeit offensichtlich alles versucht, die tiefe soziale und politische Krise der EU durch einen neuen Militarisierungsschub zu „lösen“: Aufstellung einer zentralen EU-Armee, ein eigenes EU-Rüstungsbudget, Rüstungsanleihen, Forcierung neue EU-Rüstungsprojekte (z.B. Killerdrohnen), Drängen auf einen Ersteinsatz der EU-Battlegroups, uvm. Die Machteliten in Österreich ziehen bei dieser EU-Militarisierung bereitwillig mit, auch wenn sie sich noch floskelhaft zur Neutralität bekennen. Das gilt nicht nur für die Regierungsparteien. Sowohl der freiheitliche Bundespräsidentschaftskandidat Hofer als auch der grüne Van der Bellen sind Befürworter von EU-Battlegroups und EU-Armee.

Neutralitt Luftballon JungeWir müssen die österreichische Neutralität gegen die EU-Militarisierung von unten her verteidigen und zurückgewinnen! Darin sehen wir die entscheidende Herausforderung für die österreichische Friedensbewegung. Die Kundgebung am 26. Oktober 2016 hat uns ermutigt, dass uns das gelingen kann. Alle, die dabei mithelfen wollen, laden wir herzlich ein, bei der Solidarwerkstatt mitzumachen.

(November 2016)

Wir sammeln nach wie vor UnterstützerInnen für den Offenen Brief "EU-Battlegroups - Nicht in unserem Namen!". Wer unterstützen will, bitte um Rückmeldung an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Hinweis: Franz Bauer hat eine Video hergestellt, in dem verschiedene Aktionen am Nationalfeiertag, darunter auch die Kundgebung von Solidarwerkstatt und Wiener Friedensbewegung, vorgestellt werden. Vielen Dank!
https://www.youtube.com/watch?v=mRmspVgrQVU