Die österreichische Regierung lässt derzeit wieder NATO-Truppen und Kriegsmaterial durch Österreich rollen und beteiligt sich damit am aggressiven Säbelrasseln gegen Russland. Finden wir uns nicht damit ab, dass Österreich Beihilfe zum Schüren von Konflikten und zur Vorbereitung von Kriegen leistet!


Seit 7. Mai rollen NATO-Truppen und Kriegsmaterial durch Österreich. Ziel ist der Südosten Europa im Rahmen der Kriegsübung „Defender Europe 2021“. Mit „Verteidigung“ hat „Defender Europe 2021“ wenig zu tun. Es geht vor allem um aggressives Säbelrasseln gegenüber Russland. Der Name „Defender“ ist lächerlich: NATO und EU dringen seit Jahrzehnten immer weiter nach Osten vor. Sie bedienen sich dabei auch offener Gewalt, wie z.B. die 78-tägige Bombardierung Jugoslawiens im Jahr 1999 oder der Staatsstreich mit Hilfe von rechtsextremen Milizen 2014 in der Ukraine zeigen. Die NATO-Staaten geben rund 16-Mal so viel für das Militär aus wie Russland. Während in den EU-Staaten und den USA die Rüstungsausgaben in den letzten Jahren massiv angestiegen sind, sind sie in Russland deutlich zurückgegangen (sh. Grafik).

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Probegalopp für „panzerfitte“ EU-Transportwege

Diese Kriegsübung ist aber auch ein Probegalopp für das Projekt „Militärische Mobilität“ der EU. Dabei geht es darum, die EU-Transportweg „panzerfit“ zu machen, also so zu präparieren, dass schwerstes Kriegsgerät rasch nach Osten oder Süden rollen kann. Für dieses Projekt wurde auch ein eigener milliardenschwerer EU-Rüstungstopf eingerichtet. Österreich beteiligt sich am „Panzerfitmachen“ im Rahmen der „Ständig Strukturierten Zusammenarbeit“ (EU-SSZ), dem militärischen Kerneuropa, das quantitativ und qualitativ zur permanenten Aufrüstung verpflichtet. Selbst im Covid-Pandemiejahr 2020 sind die Militärausgaben in der EU real um 4 Prozent angestiegen.

Beihilfe zum Massenmorden am Golf

Es gehört zu den Kernpflichten eines neutralen Staates, keine fremden Truppen auf dem eigenen Territorium zuzulassen, schon gar nicht, das eigene Territorium für den Aufmarsch zu Kriegen und Kriegsspielen zur Verfügung zu stellen. Schon im Vorfeld des EU-Beitritts wurde diese Kernpflicht eines Neutralen untergraben. So wurde 1991 unter einem SPÖ-Kanzler das Kriegsmaterialgesetz in einer Nacht- und Nebelaktion novelliert, um den Transport von Kriegsgerät durch und über Österreich für den Golfkrieg zu ermöglichen. „Wir müssen uns auf die Pflichten eines EG-Mitglieds vorbereiten“ (1), erläuterte der damalige Europa-Staatssekretär Jankowitsch diese Beihilfe zum Massenmorden am Golf lakonisch. Die Änderung des Kriegsmaterialgesetzes 1991 erlaubte den Transport von Waffen aus und über Österreich für UN-mandatierte Kriegseinsätze.

Militärtransporte explodieren

Die zweite Novellierung erfolgte im Jahr 2001 durch schwarz-blau, um die Tür für die Teilnahme Österreichs an den kurz zuvor aus der Taufe gehobene EU-Interventionstruppe zu sichern. Diese Änderung des Kriegsmaterialgesetzes eliminierte den Neutralitätsvorbehalt gänzlich und ermöglichte den Transport von Waffen nicht nur für UN-mandatierte Kriege, sondern für alle Militäreinsätze, die von der EU durchgeführt bzw. unterstützt werden. Seither explodieren die Militärtransporte durch Österreich. So ergab zum Beispiel eine Parlamentarische Anfrage im Jahr 2015, dass zwischen 2011 und 2015 5.593 Militärtransporte durch Österreich genehmigt und durchgeführt wurden. Darunter auch die Transporte von Kriegsgerät in den Libyenkrieg. Militärische Überflüge wurden dabei nicht mitgezählt.

Oppositionsfreie Zone

Das ist klar neutralitäts- und verfassungswidrig. Es ist bezeichnend, dass dieser permanente Bruch der Verfassung weder in den Mainstream-Medien noch im Parlament eine Rolle spielt. Wenn es um die Militarisierung der EU geht, ist das Parlament weitgehend oppositionsfreie Zone. Jede Regierungskonstellation der letzten Jahrzehnte, ob rot-schwarz, schwarz-blau oder aktuell türkis-grün, hat alle Schritte der EU-Militarisierung mitvollzogen und dabei die Neutralität mit Füßen getreten. Der einzige im Nationalrat, die angesichts der aktuellen neutralitätswidrigen NATO-Truppentransporte durch Österreich zumindest Unbehagen artikuliert, ist SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer: „Die Neutralität ist eines der höchsten Güter unserer Republik. Die Vermittlerrolle, die Österreich durch sie einnehmen kann, ist ein wesentlicher Beitrag zur internationalen Konfliktbeilegung seit Beginn der Zweiten Republik. Wir müssen uns ernsthaft mit neutralitätspolitischen und verfassungsrechtlichen Fragen im Zuge der Landesverteidigung auseinandersetzen.“ (2)

In den Medien wurde dieser vorsichtige Zwischenruf ebenso ignoriert wie von der SPÖ-Führung.

Friedensproteste gegen Kriegsmaterialtransporte

Die Neutralität „als eines der höchsten Güter unserer Republik“ muss daher von unten, von friedensbewegten Menschen gegen die eigenen Machteliten verteidigt werden. Jede Aktion und sei sie noch so klein, die das skandalöse Schweigen von Politik und Medien angesichts der aktuellen Fußtritte gegen die Neutralität durchbricht, ist wichtig. Am 7. Mai fand eine kleine Protestaktion vor der Kaserne in Hörsching bei Linz statt, wo die NATO-Truppen verpflegt und deren Kriegsfahrzeuge aufgetankt werden. Am 18. Juni ist eine Aktion vor der Kaserne Zwölfaxing bei Wien geplant. Unterschreibt und verbreitet die Petition „Stopp der neutralitätswidrigen Kriegsmaterial- und Truppentransporte durch Österreich!“. Finden wir uns nicht damit ab, dass Österreich Beihilfe zum Schüren von Konflikten und zur Vorbereitung von Kriegen leistet!

Gerald Oberansmayr
(20.5.2021)

Quellen:
(1) zit. nach Lorenz Glatz, Notizen zur Demontage der österreichischen Neutralität, in: Streifzüge, Wien, 23.4.2001
(2) OTS, 8.5.2021