ImageDie Werkstatt Frieden & Solidarität lehnt entschieden die Teilnahme des österreichischen Bundesheeres an der EU-Militärmission im Tschad ab. Diese Militärmission hat nicht – wie behauptet – einen humanitären Charakter, sie ist vielmehr ein Kolonialeinsatz Frankreichs unter EU-Flagge.

Frankreich, das bisher schon 1.500 Soldaten im Tschad stationiert hat, steht eindeutig auf Seite des Regimes im Tschad und hat wiederholt militärisch in den Bürgerkrieg auf Seiten der Regierung eingegriffen. Im Jahr 2006 rettet Frankreich durch den Einsatz von Kampfbombern das Regime Deby gegen die vom Sudan unterstützen Rebellen, die bereits unmittelbar vor der Eroberung der Hauptstadt N'Djamena standen. Die Intervention im Tschad hat auch triftige ökonomische Gründe. Seit 2003 wird im Süden des Tschad von ExxonMobil und mit Unterstützung der Weltbank Erdöl gefördert. Über eine 1.050 Kilometer lange Pipeline wird dieses an die Atlantikküste Kameruns befördert und dort verschifft. Die Westmächte haben durch ihr einseitiges Eingreifen in den Bürgerkrieg im Tschad und im benachbarten Sudan selbst maßgeblich zu den Flüchtlingsströmen und zur militärischen Eskalation beigetragen. Erdöl spielt auch die Hauptrolle für die Einmischung von EU, USA und China im Sudan, in dem über 6,4 Milliarden Barrel Erdgesicherte Ölvorkommen verfügt. Während China die Zentralregierung in Karthum unterstützt, bestärken die Westmächte die Sezessionsbestrebungen im erdölreichen Süden des Landes. Die Rebellengruppen in der Westregion Darfur, das für die Erdölgewinnung und für mögliche Pipelinerouten zunehmend bedeutungsvoll wird, erhalten Waffenlieferungen aus dem benachbarten Tschad.

Hilfsorganisationen warnen vor Militäreinsatz. Die von Gusenbauer aufgestellte Behauptung, der Einsatz des Bundesheeres diene dem Flüchtlingsschutz, ist genauso wahrhaftig, wie dessen Behauptung, dass es mit ihm als Kanzler keine Eurofighter geben werde. Der Europa-Parlamentarier Tobias Pflüger schreibt über diesen Einsatz: “Die EU-Truppe wird nicht neutral sein, eine enge Zusammenarbeit der EU-Truppe mit dem Militär und der Polizei des Tschad ist in der UN-Resolution anvisiert. Doch genau dieses Militär und diese Polizei werden von Bewohner/innen vor Ort auch für Übergriffe verantwortlich gemacht. Rebellenführer haben schon angekündigt, bei nicht-neutralem Vorgehen die EU-Truppen angreifen zu wollen.” (IMI-Standpunkt 62/2007) Damit könnten die Truppen selbst zur Quelle von Unsicherheit für BewohnerInnen und Flüchtlinge werden. Selbst VertreterInnen von Hilfsorganisationen warnen mittlerweile vor solchen Militäreinsätzen. Dr. Reinhard Dörflinger, Präsident von Ärzte ohne Grenzen Österreich: „Hilfsorganisationen sehen seit Langem mit Besorgnis, wenn das Militär in Kriegsgebieten unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe unterwegs ist. Was Ärzte ohne Grenzen und anderen unabhängigen Hilfsorganisationen Sorge bereitet, ist die Vermischung der humanitären Aktion, die sich per Definition ausschließlich an den Bedürfnissen von notleidenden Bevölkerungen orientiert, mit politischen und militärischen Agenden. Ergebnis ist nicht nur eine Verwässerung des Konzepts der humanitären Hilfe im Sinne der Genfer Konvention, sondern auch ein steigendes Sicherheitsrisiko für unabhängige Helfer. In vielen Teilen der Welt häufen sich gezielte Angriffe auf Hilfsorganisationen. Wenn militärische Helfer Brunnen ausheben und ihre Kollegen gleichzeitig politische und militärische Ziele verfolgen, ist die Glaubwürdigkeit gering. Darunter leidet die unabhängige und unparteiische humanitäre Hilfe, und letztlich leiden die Menschen, die diese so dringend brauchen.“ (in: Profil, 05.11.2007)

„Exportinteressen.“  Ein unlängst an die Öffentlichkeit gelangtes internes Papier des österreichischen Verteidigungsministeriums bestätigt diese Einschätzung. Es spricht von einem „sehr gefährlichen Einsatz“ auf Grund der „Nähe Frankreichs zu den Herrschenden im Tschad“ (ORF-Abendjournal, 21.11.2007). Entgegen der Regierungspropaganda ist „die Flüchtlingsrückkehr nach den Worten des Generaldirektor des EU-Militärstabs, General David Leakey, nicht Aufgabe der EU-Truppen. Auch ist das geplante Operationsgebiet der EU-Truppe offensichtlich woanders als die Flüchtlingslager.“ (Tobias Pflüger, IMI-Standpunkt 63/2007). Der ehemalige Sektionschef im österreichischen Verteidigungsministerium, Erich Reiter, nimmt sich kein Blatt vor den Mund, worum es bei den EU-Kampfeinsätzen im Tschad und in anderen afrikanischen Ländern geht: „Schaffung von Stabilität für die Exportinteressen der EU-Staaten.“ (Interview ORF-Mittagsjournal, 09.11.2007). 25 Millionen Euro ist dieser Militäreinsatz der Regierung wert. Zum Vergleich: das ist ein Viertel der gesamten bilateralen Entwicklungshilfe, die Österreich pro Jahr ausgibt.

Boris Lechthaler, Vorsitzender Werkstatt Frieden & Solidarität: „Mit der Beteiligung Österreichs an diesem EU-Kampfeinsatz will die österreichische Regierung gegenüber der EU klar signalisieren, dass man die Neutralität keine Augenblick ernst zu nehmen gedenkt. Gusenbauer & Co. melden mit diesem äußerst gefährlichen Kampfeinsatz den Anspruch an, beim ‚militärischen Kerneuropa’ mit an Bord sein zu wollen, das mit dem EU-Reformvertrag aus der Taufe gehoben werden soll. Der Widerstand gegen diesen Militärvertrag und gegen die Teilnahme an der EU-Militärpolitik ist die wichtigste Aufgabe der österreichischen Friedensbewegung.“


Nachsatz:
EU-Einsatz im Kongo: „Erfindung mit der Wahl“

Können Sie sich noch an die EU-offizielle Propaganda erinnern, mit der der Einsatz der EU-Truppen im vergangenen Jahr in der DR Kongo legitimiert wurde. Regierung und Medien wurden nicht müde, diesen Militäreinsatz mit der Absicherung demokratischer Wahlen zu begründen. Der deutsche Ex-Verteidigungsstaatssekretär Walter Stützle hat in beeindruckender Deutlichkeit diese Verlogenheit bloßgestellt. Er bezieht sich dabei auf die deutsche Debatte, die aber ohne Zweifel auch auf die österreichische zutrifft: „Im Kongo ist das Problem, dass der Öffentlichkeit von der Bundeskanzlerin nicht gesagt worden ist, worum es eigentlich geht. Das konnte man in Paris sehr deutlich hören. In Paris hat man gehört, wir können Afrika nicht China und den Vereinigten Staaten überlassen, Punkt. Da man das aber (in Deutschland) eigentlich nicht sagen wollte, hat man dann die Erfindung mit der Wahl gemacht.“ (Phoenix Runde vom 07.11.2006)