ImageDie Inszenierung für einen geplanten westlichen Militärschlag gegen Syrien erinnert an die Kriege gegen Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Libyen, die ebenfalls mit dreisten Propagandalügen aufbereitet wurden. Österreich wird durch seine Einbindung in den "Europäischen Auswärtigen Dienst" immer mehr zum klammheimlichen Komplizen westlicher Interventionskriege. Die Solidar-Werkstatt ruft zu Friedensaktionen auf.

 

Folgt man den Medienberichten, dann entsteht der Eindruck, dass die Kriegstreiber in den USA und den großen EU-Staaten Frankreich, Großbritannien und Deutschland die Weichen in Richtung eines Militärschlags gegen Syrien gelegt haben. Der Widerstand gegen diese Kriegspolitik wächst freilich, der britische Premier Cameron hat nun sogar eine diesbezügliche Abstimmung im Unterhaus verloren. Trotzdem laufen die militärischen Vorbereitungen für die „Bestrafungsaktion“, wie Obama und Hollande den geplanten Militärschlag zynisch nennen, nach wie vor auf Hochtouren. Die Inszenierung erinnert an die Kriege gegen Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen. Und in solchen Inszenierungen darf natürlich auch der entsprechende Anlass, die „smoking gun“, nicht fehlen: Assad setzt Giftgas ein, lautet der diesmal skandierte Slogan für den geplanten Waffengang. Bevor man der Frage nachgeht, wie glaubwürdig dieser Vorwurf ist, sei kurz an frühere „Kriegsgründe“ erinnert, mit denen solche Kriege herbei gelogen wurden:

=> Mit dem  „Tonking-Zwischenfall“ im Jahr 1964 rechtfertigten die USA ihren Einstieg in den Vietnamkrieg. 40 Jahre später enthüllten von der NSA freigegebene Akten, dass der US-Krieg auf Grund einer Falschmeldung des US-Präsidenten Johnson begonnen wurde.

=> Mit dem „Brutkasten-Massaker“ – irakische Soldaten hätten kuwaitische Säuglinge aus ihren Brutkästen gerissen und brutal ermordet – wurde 1990 die westliche Öffentlichkeit auf den Waffengang gegen den Irak eingestimmt. Nach dem Krieg entpuppte sich die Geschichte als Erfindung der PR-Firma „Hill & Knowlton“, die für 10 Millionen Dollar von der Organisation „Citizens for a free Kuwait“ in Auftrag gegeben worden war, um den US-Streitkräften einen Grund fürs Losschlagen zu geben.

=> Das „Massaker von Racak“ gab 1999 den Ausschlag für den NATO-Krieg gegen Jugoslawien; ein Jahr lang wurden die Untersuchungsergebnisse eines finnischen Ärzteteams dazu unter Verschluss gehalten - mit gutem Grund: sie belegten nämlich mitnichten die Version vom „Massaker“ an wehrlosen Zivilisten, vielmehr erhärteten sie die These, dass es sich um im Kampf gefallene UCK-Soldaten handelte.

=> Mit dem sog. „Hufeisenplan“ sollte die geplante Massenvertreibung von Kosovo-Albanern durch serbisch-jugoslawisches Militär bewiesen werden. Nach dem Krieg stellte sich heraus, dass der „Hufeisenplan“ im deutschen Verteidigungsministerium selbst zusammengebastelt worden war, um die wachsende Kritik am NATO-Bombenkrieg beiseite zu schieben.

=> Die „Massenvernichtungswaffen“ Saddam Husseins, die George W. Bush als Vorwand für den Einmarsch in den Irak 2003 dienten, wurden bekanntlich nie gefunden. Jahre später entschuldigte sich der US-Verteidigungsminister Powell für diese bewusste Irreführung der UNO und der Öffentlichkeit.

=> 2011 rüttelten die Medien die Öffentlichkeit mit Horrorstorys auf, dass Kampfjets Gaddafis friedliche Demonstranten niederschießen würden. Nachdem diese Gräuelgeschichten ihren Zweck erfüllt und die Öffentlichkeit auf den Krieg gegen Libyen eingestimmt hatten, wurden sie klammheimlich entsorgt. Selbst der damalige US-Verteidigungsminister Gates und sein Generalstabschef Mike Mullen gestanden ein, dass es „keine Bestätigungen dafür “ gegeben habe.

Wem nützt es?

Diese Kontinuität der Kriegslügen alleine wäre schon Grund genug, die Geschichte vom mutmaßlichen Giftgaseinsatz durch die syrische Armee zu hinterfragen. Vor allem muss auch hier die Frage gestellt werden: Wem nützt es? Natürlich sind Assad verbrecherische Mittel zuzutrauen, aber der Einsatz von Giftgas macht für Damaskus derzeit nicht den geringsten Sinn. Warum sollten sie in einer Situation Giftgas einsetzen, in der sie militärisch im Vormarsch sind, in einem Gebiet in den Vororten von Damaskus, wo sie gerade in letzter Zeit große Geländegewinne erreichten und just zu dem Zeitpunkt, wo die USA genau auf das Überschreiten dieser „roten Linie“ warten und UN-Inspektoren im Land sind, um genau nach diesem Kriegsgrund zu fahnden?

Ganz anders sieht die Interessenslage auf Seiten der Rebellen aus: Sie sehnen einen westlichen Militärschlag herbei, da sie militärisch trotz massiver Unterstützung durch westliche Geheimdienste und westliche Verbündete wie die Golfdiktaturen Saudi-Arabien und Katar in die Defensive geraten sind. Unter den Rebellen geben mittelalterliche Gotteskrieger den Ton an. So berichtete die New York Times: „In den von Rebellen kontrollierten Teilen Syriens existieren keinerlei säkulare kämpfende Truppen, die der Rede wert wären.“ (1) Die Menschen hassen die Jihadisten offensichtlich mittlerweile mehr als Assad. Die „Worldtribune“ berichtet von Meinungsumfragen, die von internationalen Hilfsorganisationen durchgeführt worden waren, dass 70% der Bevölkerung hinter Assad stehen bzw. ihn für das „kleinere Übel“ halten, 20% seien indifferent und nur 10% unterstützen die Aufständischen. „Die Sunniten mögen Assad nicht, aber eine große Mehrheit von ihnen zieht sich von der Revolte zurück. Was bleibt sind die ausländischen Kämpfer, die von Katar und Saudi-Arabien finanziert werden. Sie werden von den Sunniten als viel schlimmer als Assad gesehen“, heißt es in dem der NATO vorliegenden Bericht (2).

„Nur die Rebellen können davon profitieren“

Viel plausibler erscheinen daher Berichte, dass die Rebellen selbst Giftgas zum Einsatz gebracht haben, um einen Militärschlag zu provozieren. Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt an der Universität in Mainz, weist darauf hin, dass bereits im März 2013 eine Giftgasgranate, die in einem von Assad-Anhängern kontrollierten Gebiet 29 Menschen tötete, Recherchen des britischen "Guardian" zufolge aus einem von der islamistischen Al Nusra-Miliz gehaltenen Ort unweit der türkischen Grenze abgefeuert wurde. Später hätten Polizisten in der Türkei eine Gruppe von syrischen Jihadisten festgenommen und dabei einen Zwei-Kilo-Tank mit dem Nervengas Sarin beschlagnahmt, wie die großen Medien des Landes übereinstimmend berichteten. Auch Carla del Ponte, einst Chefanklägerin am UN-Gericht für Ex-Jugoslawien und nun Mitglied einer Sonderkommission des UN-Menschenrechtsrates, erklärte wenig später im Schweizer Fernsehsender RSI, es gebe Zeugenaussagen, „dass chemische Waffen in Syrien eingesetzt worden sind – allerdings nicht von der Regierung, sondern von der Opposition“. Laut Meyer „liegt daher die Vermutung nahe, dass dieser Massenmord geplant worden ist, um die USA zum Eingreifen zu bewegen.“ (3) Der Nahost-Experte weiter: „Das Regime von Bashar al-Assad hat absolut kein Interesse am Einsatz von Chemiewaffen. Nur die Rebellen können davon profitieren.“ (4) Schon um die Stationierung von US-amerikanischen, deutschen und holländischen Patriotraketen im türkisch-syrischen Grenzgebiet gegenüber der Öffentlichkeit argumentieren zu können, feuerten offensichtlich Rebellen NATO-Granaten auf ein türkisches Grenzgebiet ab, um dann die syrischen Regierungstruppen dafür verantwortlich zu machen. Auch diesmal schaut es nach einem abgekarteten Spiel zwischen Rebellen und westlichen Kriegsbefürwortern aus 

Jüngste Enthüllungen zeigen übrigens, wie heuchlerisch die westlichen Bedenken gegen den Einsatz von Giftgas sind. Im ersten Golfkrieg hatten Länder wie Deutschland nicht nur Giftgas an den – damals noch vom Westen unterstützen - irakischen Diktator Saddam Hussein geliefert, das Pentagon hatte den Einsatz von Giftgas durch die irakische Armee gegen iranische Stellungen sogar logistisch unterstützt. Das berichtet das Magazin Foreign Policy unter Berufung auf jüngst freigegebene CIA-Dokumente sowie Interviews mit Geheimdienstmitarbeitern. Die USA wurden zu „Komplizen in einigen der grausamsten Giftgasangriffen, die jemals geführt wurden“, kommentiert Foreign Policy die CIA-Dokumente (5).

Weitere Eskalation des Krieges droht

Militärschläge gegen Syrien werden nicht nur weitere Tote und Verletzte fordern, sie werden den Krieg weiter anfachen. Die Militarisierung der Proteste im Rahmen des „arabischen Frühlings“ war von Anfang an Teil der westlichen Strategie zur Rekolonialisierung Nordafrikas und des Nahen Ostens. Dadurch wurden diejenigen Kräfte der Opposition, die an einer Demokratisierung durch friedliche Proteste, keinesfalls aber an einer Rekolonialisierung interessiert waren, zur Seite gedrängt, um den Boden für antidemokratische, radikalislamistische Gruppierungen zu ebnen, die man mit den westlichen Interessen an der geopolitischen Kontrolle und der neoliberalen Ausbeutung der Region für kompatibel hält. Das gilt für Libyen ebenso wie nun für Syrien. In Libyen lässt sich auch ablesen, wohin die westliche Intervention geführt hat: Zehntausende Tote, Verarmung breiter Bevölkerungsteile, rassistische Pogrome gegen Schwarzafrikaner, Rückkehr der Scharia und ein von unzähligen Warlords kontrolliertes Land, in dem vielerorts das Faustrecht herrscht.

Nein zum Krieg – Ausstieg aus dem Europäischen Auswärtigen Dienst!

Auch wenn nun Faymann und Spindelegger nun Bedenken gegen einen „voreiligen Militärschlag ohne UNO-Mandat“ (6) anmelden, so muss insgesamt die österreichische Außenpolitik in Zusammenhang mit dem Syrien-Krieg als kläglich bezeichnet werden. Anstatt eine aktive Friedens- und Neutralitätspolitik zu betreiben und sich gemeinsam mit anderen Blockfreien und Neutralen für Verhandlungen und Dialog in Syrien und Nahost einzusetzen, hofierte die Regierung von Anfang an den bewaffneten Aufständischen und verließ nie den kolonialen Geleitzug des „Europäischen Auswärtigen Dienstes“, unter dessem Dach die Außen- und Militärpolitik der EU zusammengeschnürt ist. Das ständige Drehen an der Eskalationsschraube durch NATO und EU wurde von der österreichischen Regierung mitgetragen – von der Stationierung von Patriotraketen bis hin zur Aufhebung des Waffenembargos. Wie von der Solidar-Werkstatt befürchtet, hat der Abzug der österreichischen UN-Truppen vom Golan offensichtlich dazu gedient, einem westlichen Militärschlag nicht im Weg zu stehen. Als besonders kriegsgeil profiliert sich Hannes Swoboda, SPÖ-Europaparlamentsabgeordneter und Chef der Sozialdemokraten im EU-Parlament. Er befürwortet einen sofortigen Militärschlag auch ohne UN-Mandatierung.

Für die österreichische Friedensbewegung zeigt sich einmal mehr, wie fatal sich die Einbindung Österreichs in die EU-Außen- und Sicherheitspolitik auswirkt. Österreich wird im EU-Rahmen zum klammheimlichen Mittäter westlicher Interventionskriege. Unser Nein zu einem Militärschlag gegen Syrien und unser Aufruf zum Protest gegen die westliche Kriegspolitik verbinden sich daher mit der Forderung zum sofortigen Ausstieg Österreichs aus dem Auswärtigen Europäischen Dienst und allen militärpolitischen EU-Gremien. Das Säbelrasseln der Westmächte zeigt einmal mehr, dass nicht die Neutralität sondern Militärblöcke wie NATO und EU ebenso anachronistisch wie brandgefährlich sind.
(30.08.2013)

In diesem Zusammenhang ruft die Solidar-Werkstatt zu ersten Friedensaktionen auf

Samstag, 31. August 2013
Solidaritätsdemo mit dem Kurden in Syrien, die derzeit von den vom Westen unterstützen Djihadisten terrorisiert werden
Treffpunkt: 14.30 Uhr, Schillerpark Linz
Aufruf und UnterstützerInnen siehe hier

Mittwoch, 4. September 2013
Mahnwache für Frieden, Demokratie und Selbstbestimmung
   - Nein zur kriegerischen Intervention im Nahen- und Mittleren Osten!
   - Nein zum religiösen Fanatismus!

   - Für aktive Friedens- und Neutralitätspolitik Österreichs!
Ort: Schillerplatz Linz (Aktivfläche)
Zeit: 17.30 bis 18.30 Uhr
Veranstalter: DIDF, Solidar-Werkstatt

 

Anmerkungen:

(1) New York Times, 28.4.2013
(2) http://www.worldtribune.com/2013/05/31/nato-data-assad-winning-the-war-for-syrians-hearts-and-minds/
(3) Berliner Zeitung, 28.8.2013 http://www.berliner-zeitung.de/politik/giftgas-in-syrien-auch-die-rebellen-haben-chemiewaffen-,10808018,24134746.html
(4) Tagesanzeiger, 21.8.2013, http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/Das-AssadRegime-hat-absolut-kein-Interesse-Giftgas-einzusetzen/story/16424503
(5) sh. „Giftgasfreunde“, in: Junge Welt, 28.8.2013, http://www.jungewelt.de/2013/08-28/026.php?sstr=syrien
(6) Die Presse, 29.8.2013