Vor mehr als 10 Jahren stellte der damalige Kanzler der blau-schwarzen Regierungskoalition, Wolfgang Schüssel, die Neutralität auf eine Stufe mit Mozartkugeln und Lipizzaner: eine schöne Reminiszenz, untauglich als sicherheitspolitisches Instrument für Österreich in der Gegenwart. Die Einführung eines Berufsheeres war unter blau-schwarz bereits projektiert. Manch rückschrittliche, demokratie- und friedensfeindliche Vorhaben kommen aber erst so richtig in die Gänge, wenn sie von rot-grüner Seite vorgetragen werden. Derlei Beispiele sind Legion. Und so präsentiert sich die bedingungslose Teilnahme an imperialen EU-Kriegseinsätzen 10 Jahre später als endgültige Realisierung des 68er Traums von love, peace and happiness.
Es heißt, der Schwenk Richtung Berufsheer, sei einem Wahlkampfgag des Wiener Bürgermeisters 2010 geschuldet, die Volksbefragung am 20. Jänner 2013 der kommenden niederösterreichischen Landtagswahl. Mag sein. Manch publizierende Geistesgröße meint zu erkennen, dies zeige eben die Macht der beiden involvierten Herren, zu bestimmen, was gespielt werde. Es ist jedoch umgekehrt: das instinkthafte Sensorium dieser Herren dafür, was gespielt wird, hat sie mächtig werden lassen.
Die Pläne zur Schaffung einer gemeinsamen europäischen Verteidigung gibt es seit Jahrzehnten. Pläne zur Schaffung einer EU-Armee und zur Herausbildung eines integrierten militärisch-indurstriellen Komplexes wurden vielfach entworfen und auch vorangetrieben. Nicht ohne Erfolg. Es gibt eine gemeinsame Rüstungsagentur. Es gibt die EU-Schlachtgruppen. Die EU ist in der Zwischenzeit Rüstungsexportweltmeister. Es gibt nicht nur einen gemeinsamen Planungsstab, sondern auch gemeinsame Kommanden für operative Einsätze, wie z. B. jenes in Ulm (D), in das österreichische Offiziere permanent integriert sind. Das reicht aber nicht. Vor allem dann nicht, wenn eine europäische Supermacht geschaffen werden soll, die mit anderen Mächten in echte Konkurrenz um globale Vorherrschaft treten kann. Dafür braucht es mehr wie Beistandsklauseln in EU-Verträgen, Bekenntnisse zur gemeinsamen Verteidigung und fallweise Beteiligung an Interventionen am Balkan oder in Afrika. Dafür benötigt man ein Zentrum, klare Befehlsketten, direkten Zugriff auf das Gewaltmittel des Staates schlechthin: die Armee.
Ja, jede Krise ist eine Chance. Als Chance für mehr Solidarität, Demokratie und Friedfertigkeit wurde sie von den emanzipativen Kräften bisher nicht genutzt. Im Gegenteil, sie wurde von den Eliten als Chance zu einem Großangriff für mehr mörderische Konkurrenz der arbeitenden Menschen, Sozialabbau und Entdemokratisierung genutzt. Die letzten nationalen Barrieren werden mit six-pack, two-pack, Fiskalpakt und ESM weggeräumt. Kollektivverträge und Sozialversicherung stehen auf der Abschussliste. Und: das Österreichische am Bundesheer. Das geht nur mit einer Berufsarmee. Eine Wehrpflichtigenarmee bleibt, per Gelöbnis, der nationalen Verteidigung, und im österreichischen Fall der immerwährenden Neutralität, verpflichtet. Um eine Wehrpflichtigenarmee auf eine europäische Supermacht vereidigen zu können, muss sie erst geschaffen werden. So besehen ist die Einführung eines Berufsheeres tatsächlich, so wie manche hoffen, ein Schritt zur Abschaffung des österreichischen Bundesheeres. Aber mit Sicherheit nicht zur Abschaffung der Armeen.
Häupl hat richtig erkannt, dass der Zug heim ins Reich bald abfährt. Und was ist mit Pröll? Die ÖVP ist gespalten. Teile des Wirtschaftsflügels und natürlich vor allem die Industriellen trommeln seit Jahren für ein Berufsheer. (s.o.) Dennoch entwickeln sich im ÖVP-Politbiotop immer wieder machtbewußte Figuren, denen trotz Symphatien für den menschenfeindlichen Kurs der Eliten, bei einem Befehl aus Brüssel oder Berlin der Kamm schwillt. Insbesondere, wenn es um die eigenen Pfründe geht.
Das macht diese Figuren sicherlich nicht zu verlässlichen Verbündeten im Kampf für eine demokratische und solidarische Wende, Frieden und Neutralität. Der deutschnationale Friedhelm Frischenschlager erkennt in der Ablehnung des Berufsheeres am 20. Jänner 2013 „eine politische Belastung für alle nachfolgenden Regierungen“ (10.1.2013) Gut so. Zur Zeit belasten in der Regel die Regierungen die Menschen. Belasten wir am 20. Jänner 2013 alle nachfolgenden Regierungen und stimmen für die Allgemeine Wehrpflicht.
Am 21. Jänner 2013 werden wir unsere Anstrengungen für ein solidarisches, neutrales und weltoffenes Österreich fortsetzen. Mit, ohne, oder gegen die ÖVP.
Boris Lechthaler