Eine US-Eliteuniversität hat die Folgen der westlichen Kriege seit 9/11 analysiert. Die Opferbilanz des "War on Terror" ist erschütternd.

Das Watson Institute for International and Public Affairs an der US-amerikanischen Brown University, eine der acht "Ivy League"-Elitehochschulen der Vereinigten Staaten, hat eine Studie zu Folgen der sog. „Anti-Terror-Kriege“ der westlichen Großmächte seit 9/11 erstellt. Das Projekt, getragen von insgesamt rund 50 Experten, erforscht systematisch die Schäden, die westliche Kriege in aller Welt seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verursacht haben - von der Zahl der Toten über die Zerstörung der betroffenen Gesellschaften bis hin zu den Auswirkungen, die die ungebrochene Kriegspolitik auf das Innere der kriegführenden Staaten hat, insbesondere auch die dadurch ausgelösten Fluchtbewegungen. Gezählt wurden Binnenflüchtlinge und Flüchtlinge jenseits der jeweiligen Staatsgrenzen aufgrund von acht Kriegen, wo die USA bzw. EU-Staaten direkt Krieg führ(t)en oder indirekt – z.B. über die Unterstützung von Söldnertruppen und Waffen -  eingriffen: Afghanistan, Irak, Jemen, Pakistan, Somalia, Philippinen, Libyen, Syrien.  

Das Ergebnis ist erschütternd: Mindestens 37 Millionen sind aufgrund der "Anti-Terror"-Kriege nach dem 11. September 2001 aus ihrem Zuhause geflüchtet:

Tabelle Fluechtlinge

Der Terror des Krieges

Die Autoren betonen, dass 37 Millionen eine „konservative Schätzung“ sei, weniger zurückhaltende Schätzungen würden sogar auf bis zu 59 Millionen Flüchtlinge kommen, wie der leitende Autor des Berichts, David Vine von der American University in Washington, gleich zu Beginn ausführt . Dass die Schätzung von 37 Millionen Flüchtlingen als „konservativ“ ausgewiesen wird, hat mehrere Gründe: So wurden z.B. in der Statistik über afghanische Flüchtlinge in Pakistan nur jene gezählt, die offiziell als solche registriert wurden, nicht aber die unregistrierten Flüchtlinge, deren Zahl in Pakistan 2015 auf 1,3 Millionen geschätzt wurde. Völlig ausgeklammert wurden die Flüchtlingsbewegungen, die durch die US- und EU-Kriege am Balkan oder die Regime-Change-Politik in der Ukraine ausgelöst wurden. Ebenso fehlen die Folgen der westlichen „Anti-Terror-Missionen“ in Afrika (Mali, Niger, Burkina-Faso, Zentralafrikanische Republik, Südsudan usw.).

Die Studie hat auch versucht, die Zahl der Toten dieser Kriege zu eruieren. Alleine in fünf Herkunftsstaaten - Afghanistan, Pakistan, Irak, Syrien, Jemen – sind bei Kampfhandlungen, erneut vorsichtig geschätzt, rund 800.000 Menschen ums Leben gekommen sind; rechnet man die Opfer direkter Kriegsfolgen wie Unterernährung oder Krankheiten ein, kommt man auf mindestens drei Millionen, vielleicht sogar eine zweistellige Millionenzahl an Kriegstoten.

Diese Studie zeigt einmal mehr, dass die sog. „humanitären Interventionen“ alles andere als human sind, und dass der sog „Anti-Terror-Krieg“ selbst der größte Terror ist. Diese Studie unterstreicht auch die völlige Heuchelei der in der EU und Österreich geführten Debatte über Asylpolitik, weil die Fluchtursachen in der Regel ausgeblendet werden. Fast alle der auf den griechischen Inseln festsitzenden Flüchtlinge stammen aus den in der Studie angeführten Kriegsgebieten.

„Machthunger entwickeln“

Wir können davon ausgehen, dass diese aufsehenerregende Studie über „Kriegskosten“ bei uns wenig Aufsehen erregen wird, weil sie von Politik und Medien so gut wie möglich von der Öffentlichkeit ferngehalten werden. Die EU-Machteliten haben nicht vor, aus diesem Debakel des „War on terror“ zu lernen, im Gegenteil: Sie wollen bei Fähigkeit zu Krieg und Militärintervention zu den USA aufzuschließen. Josep Borrell, der Hohe Beauftragte der EU-Außen- und Sicherheitspolitik, forderte im Oktober 2019 unmittelbar vor seinem Amtsantritt, dass die EU in der Lage sein müsse „zumindest 60.000 Soldaten bei globalen Militärinterventionen zum Einsatz zu bringen.“ Als frisch gebackener „Mr. Außenpolitik der EU“ polterte Borrell Anfang 2020 bei der Sicherheitskonferenz in München: „Wir müssen mehr dazu bereit sein, in globalen Krisen zu intervenieren. Die EU muss Machthunger entwickeln“ (3).

Gerald Oberansmayr

Quellen:
(1) https://watson.brown.edu/costsofwar/
(2) Zit. nach https://www.express.co.uk/, 8.10.2019
(3) Zit. nach euronews, 17.2.2020

Aktiv für den Frieden:
Kundgebung "NEUTRALITÄT VERBINDET - MILITÄRBLÖCKE SPALTEN!"
Montag, 26. Oktober 2020
14 Uhr, Nähe Maria Theresien Denkmal, Wien
Veranstalter: Solidarwerkstatt Österreich
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