Was an US-amerikanischen und deutschen Universitäten bereits gang und gäbe ist, droht nun auch in Österreich überhand zu nehmen: die Vermischung von militärischer und ziviler Forschung an unseren Universitäten, Fachhochschulen und bei Forschungsprojekten. Sparmaßnahmen von Seiten der Bundesregierung bei den Universitäten zeigen ihre Auswirkung. Erst spürbar durch immer mehr Sponsoring und damit Einflussnahme aus zivilen Wirtschaftszweigen, sind nun Sponsoren und Projektpartner aus der Militär- und Rüstungsbranche bei Forschungsprojekten und Universitäten fixe Partner.

Universitäten, Firmen, Forschungseinrichtungen, Ministerien, Firmen u.a. auch Rüstungsfirmen aus vielen Staaten, beteiligten sich bis 2013 im Rahmen des 54 Mrd. schweren 7. Rahmenforschungsprogrammes (FP7)  der EU (FP7), denn mit diesem sind die Forschungsförderungstöpfe der EU erstmals direkt für Militär und Rüstung geöffnet worden. Für das ab 2014 anlaufende Nachfolgeprogramm „Horizon 2020“ stehen bereits 80 Mrd. zur Verfügung. Auch Österreich ist mit an Bord: 949 Millionen Euro der 54 Mrd. gingen an österreichische Forscher und Unternehmen. 38 Prozent an Universitäten, 23 Prozent an außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie das Austrian Institute of Technology (AIT) und 7 Prozent an große Industriebetriebe wie AVL, das auf 30 Beteiligungen kam, kleine und mittlere Unternehmen auf 19 Prozent.[1]

Doch wer oder was wird hier gefördert? Sehen wir uns einige Projekt des FP7 genauer an, an denen österreichische Forschungseinrichtungen beteiligt sind:

CAST: Das Kernelement des Projekts ist ein einheitlicher Ausbildungsgang für Einsatzkräfte um Naturkatastrophen, Terrorszenarien und Pannen in technischen Industrieanlagen mit katastrophalen Auswirkungen zu bewältigen.

Hierbei arbeiteten die Universität Salzburg und die Sigmund Freud Privatuniversität Wien u.a. mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung, sowie den Rüstungsfirmen SAAB Training Systems Sweden und Diamond Aircraft Industries.

INDECT: bedeutet soviel wie „Intelligentes Informationssystem zur Unterstützung von Überwachung, Suche und Entdeckung für die Sicherheit von Bürgern in städtischer Umgebung.“ Es ist ein System das Software zur automatisierten Videoüberwachung und Objekterkennung, das eine auf soziale Netzwerke spezialisierte Internet-Suchmaschine und diverse Datenbanken der Polizei mit fliegenden Kameras koppelt und damit „abnormales Verhalten“ im öffentlichen Raum erkennen soll. Als „Traum der EU vom Polizeistaat“ bezeichnet die Zeitung „Zeit[2]“ das Projekt INDECT. Aus Österreich sind das FH Technikum Wien und das burgenländische Multimedia-Unternehmen X.Art beteiligt.

Wird man vom Überwachungsprogamm INDECT als „verdächtig“ eingestuft, so könnte man auch ins Visier des ebenfalls FP7-geförderte Drohnenprojekt AEROCEPTOR[3] kommen. Dieses Drohnenprogramm dient dazu, mögliche „nicht kooperative“ Fluchtfahrzeuge durch Lahmlegen der Elektronik oder durch Einsatz von Gummigeschossen, Leuchtraketen, Rauch- oder Blendschockgranaten zu stoppen. Auf der Liste der 15 Projektpartner finden sich Forschungseinrichtungen, Technologie- und Rüstungskonzerne aus der EU, der Türkei und Israel. Aus Österreich sind das Austrian Institute of Technology (AIT) und die Sigmund Freud Universität (CEUSS) dabei. Man fragt sich, was hat eine Ausbildungsstätte für Therapeuten, wie die Sigmund Freud Privatuni, mit unbemannten Fluggeräten zu tun? Das SFU-CEUSS widme sich „ethischen, soziologischen und rechtlichen Fragen“, erklärt Aeroceptor-Sprecherin Agnieszka Spronska im Profil Interview vom 6.11.2013. Aufschlussreicher ist die Erklärung des ehemaligen Leiters des CEUSS Alexander Siedschlag[4]. Als am Forscherhorizont die europäischen Drohnen auftauchten, sei die SFU interessiert gewesen: „Es gab bereits einen Doktorratslehrgang, in den sich viele Bundesheerangehörige eingeschrieben hatten. Man wollte ihn zu einem Lehrstuhl ausbauen, um den Offizieren zu ermöglichen, im sozial- und humanwissenschaftlichen Bereich zu promovieren.“

Sicherheitsforschungsprogramm KIRAS[5]

Das erste Sicherheitsforschungsprogramm in Europa, wurde 2005 mit „KIRAS“ in Österreich unter Leitung des Ministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) geschaffen. Ca. 30 Mill. Euro an Steuergeldern wurden für 90 österreichische Sicherheitsprojekte bis 2011 aufgewendet. Im Projektbericht von KIRAS für 2009-2011, wird behauptet, der Sicherheitsbegriff im Sinne von Kiras beziehe sich auf „nichtmilitärische Gefahren und Risken.“ In Anbetracht dessen, dass bei von KIRAS geförderten Forschungsprojekten auch Rüstungsfirmen als Projektpartner zu finden sind, und im Fall des Projekts SKILLS sogar eine mit der Projektleitung betraut wurde, erscheint dies jedoch wenig glaubhaft.  Hier einige Beispiele:

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EU will Dual Use ankurbeln

Unter „Dual use“ versteht man Güter mit doppeltem Verwendungszweck, also Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können, im übertragenen Sinne aber auch die Verwendung von Forschungsergebnissen sowohl für den zivilen als auch den militärischen Bereich.

Liest man den Punkt 18 der Schlussfolgerungen des EU-Rüstungsgipfels vom Dezember 2013 stellt man fest, dass genau diese früher verpönte Verschmelzung von ziviler und militärischer Forschung für die EU mittlerweile ein erstrebenswertes Ziel ist: „Der Europäische Rat ersucht die Mitgliedsstaaten, ihre Investitionen in kooperative Forschungsprogramme und insbesondere die kooperativen Investitionen zu erhöhen und für größtmögliche Synergien zwischen nationalen und EU-Forschungsvorhaben zu sorgen. Die zivile Forschung und die Verteidigungsforschung verstärken einander, auch auf den Gebieten Schlüsseltechnologien und Energieeffizienztechnologie. Der Europäische Rat begrüßt deshalb die Absicht der Kommission, zu evaluieren, wie die unter dem Programm „Horizont 2020“ erzielten Ergebnisse auch für die industriellen Fähigkeiten im Sicherheits- und Verteidigungssektor nutzbar gemacht werden könnten. Er ersucht die Kommission und die Europäische Verteidigungsagentur, eng mit den Mitgliedsstaaten zusammenzuarbeiten, um Vorschläge auszuarbeiten, wie die Dual-Use-Forschung noch stärker angekurbelt werden kann.“

Man trachtet offensichtlich durch die Verschränkung von militärischer mit ziviler Forschung Militärausgaben zu senken bzw. zu verschleiern.

Rüstungsfirmen und Bundesheer kaufen sich ein

Auch an Österreichs Universitäten und Fachhochschulen wird die Vermischung von ziviler mit militärischer Forschung vorangetrieben, wie wir bei den Projekten von Kiras und des FP7 gesehen haben. Darüberhinaus kooperiert z.B. die JOANNEUM RESARCH Forschungsgesellschaft mbH mit dem Bundesheer in den Bereichen Cyber Security und Aufklärungssysteme. Sein Geschäftsführer Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Pribyl dazu: „Exzellente Forschung kann nur in Zusammenarbeit mit den Anwendern, deren Wissensstand, Kompetenz und Ansehen erfolgreich funktionieren. Das Österreichische Bundesheer ist daher ein wichtiger Partner für die zentralen Herausforderungen der Zukunft“[6]

An der Uni Linz ist der Rüstungskonzern Siemens mittlerweile der größte Kooperationspartner für Forschungsprojekte. Geforscht wird u.a. an Navigationssystemen mit erweiterter Realität. Potentielle Anwendungsbereiche liegen in der militärischen Flugsystem-Navigation und –Planung. Auch der „Cybersoldier“ kann mithilfe solcher Systeme eine Vielzahl taktischer Informationen zur Orientierung im Gelände direkt in sein Gesichtsfeld einblenden. Auch die größte kontinentaleuropäische Rüstungsschmiede EADS zählt mittlerweiler zu den Auftraggebern an der Linzer Universität. So heißt es im Entwicklungsplan 2006 - 2012 der Uni Linz in Bezug auf die Finanzierung des Aufbauschwerpunkt „Informationselektronik“: „Die verbleibenden 50% der Kosten bis 2009 sowie die Gesamtkosten ab 2010 müssen von Bund, Land und Wirtschaft abgedeckt werden, u.a. durch Kompensationsgeschäfte mit EADS“. Ist es ein Zufall, dass 2007, als EADS beim Eurofighter-Deal der Zahlung von Schmiergeldern verdächtigt wurde, zwei Juristen der Uni Linz dem Rüstungskonzern ein sehr gefälliges Gutachten ausstellten, um EADS vom Verdacht der Bestechung reinzuwaschen? EADS bekam aber auch von der Uni Innsbruck Beistand in Person des damaligen Stiftungsprofessors des Instituts für Europäische Sicherheitspolitik Alexander Siedschlag, dessen Lehrstuhl vom Verteidigungsministerium unter ÖVP-Ressortchef Günther Platter gestiftet und u.a von EADS gesponsert wurde. Auf der Webpage der Uni Innsbruck verhehlt man die Zusammenarbeit nicht: „So wie mit zahlreichen anderen Unternehmen pflegt die Uni Innsbruck auch mit der EADS im Bereich der Forschung und der Forschungsfinanzierung gute Kontakte. Eine mögliche Zusammenarbeit von Universitätsinstituten oder deren spin-offs mit EADS ist auch im Lichte der im Rahmen des Eurofighterankaufes angepeilten Gegengeschäfte äußerst sinnvoll."[7]

Das Militär nutzt auch die mit der Universitätsreform 2001 und dem sog. „Bologna-Prozess“ eingeleitete Entdemokratisierung des tertiären Bildungssektors dazu aus, sich direkt in die Ausbildung an den Hochschulen einzukaufen. Seit 2013 gibt es einen Doktorratslehrgang des Bundesheers an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien. Die Landesverteidigungsakademie hat - trotz Zweifel von Seiten einiger Kontrollstellen des Ministeriums ob der Sinnhaftigkeit als auch Rechtskonformität - dieser Kooperation zwischen Uni und Militär, mit der Uni Wien eine bis 2019 dauernde Zusammenarbeit abgeschlossen. Mit 500.000,- Euro pro Jahr sollen die Kosten für Symposien und Konferenzen, Publikationen, Zugang zu universitären Wissensdatenbanken, die Teilnahme am maßgeschneiderten dreijährigen PhD-Programm "Interdisciplinary Legal Studies" sowie spezielle universitäre Lehrveranstaltungen im Rahmen von Gastprofessuren abgedeckt sein. [8]

Bewegung für Zivilklauseln

Wenn wir in Österreich keine Weiterentwicklung zu weitgehend entdemokratisierten, militarisierten und aus Privat- und Rüstungsmitteln finanzierten Universitäten, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen wie in den USA, und anderen europäischen Ländern wollen, ist es an der Zeit aktiv zu werden. Ein Vorbild dafür kann die Bewegung an deutschen Hochschulen sein, so sich StudentInnenvertretungen gegen die Vermengung und Tarnung des Militärischen mit dem Zivilen, gegen die Umarmung der Militärindustrie und ihrer Verbündeten engagieren - gegen erheblichen Widerstand von Hochschulleitungen, Politik und Rüstungsindustrie. Bereits an 13 deutschen Unis konnten sogenannte Zivilklauseln erkämpft werden. Die von der Studentvertretung an der  Uni Kassel lautet zum Beispiel folgendermaßen:

 „Forschung, Lehre und Studium an der Universität Kassel dienen ausschließlich zivilen und friedlichen Zwecken. Unter Berücksichtigung der Frage, ob zivile Zwecke verfolgt werden, sind alle Drittmittel in Bezug auf Drittmittelgeber, Zeitraum, Projektverantwortliche, Finanzvolumen, Zielsetzung und Fragestellung vor Beginn des Projekts öffentlich bekannt zu geben.“ [9]

ImageCornelia Seiberl von der Studierendenvertretung Berlin weist freilich darauf hin, dass „es nicht ausreicht, die Klausel bloß als Absichtserklärung in die Satzung aufzunehmen. Man muss sie mit Leben füllen und die Universitätskultur grundsätzlich verändern. Das bedeute auch, dass man sich langfristig von der Finanzierung durch Drittmittel löse.“[10]

Da und dort dringt mittlerweile an die Öffentlichkeit, wie eng Militär und Universitäten auch in Österreich liiert sind. So etwa, wenn an der Montanuni ungeniert dem Führen von Rohstoffkriegen das Wort geredet wird: „Der gesicherte Zugang zu Rohstoffreserven ist daher auch eines der wichtigsten Anliegen der Leobener Universität, denn der Wohlstand unserer Gesellschaft ist untrennbar mit dieser Ressourcenverfügbarkeit verbunden. Mineralische Rohstoffe sind in der hochtechnisierten westlichen Welt allerdings nur in geringem Maß vorhandenen, die großen Vorkommen sind oftmals in Ländern zu finden, deren politische Stabilität kaum oder nur in sehr geringem Ausmaß gegeben ist, weswegen den Streitkräften zukünftig weltweit eine entscheidende Rolle in der Sicherstellung eines geordneten Zugangs zu den Rohstoffreserven zufallen wird. Die Kooperation zwischen der Montanuniversität und dem österreichischen Bundesheer ist daher mehr als nur naheliegend, was sich auch im Rahmen der größten europäischen Rohstoffkonferenz – der "EUMICON 2012" in Leoben – durch einen Vortrag von Generalleutnant Günter Höfler zur oben beschriebenen Thematik manifestierte.“[11]

Mit der Einbindung Österreichs in die EU-Militarisierung schreitet auch die Instrumentalisierung österreichischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen für die Interessen des Militärisch-industriellen-Komplex der EU rasant voran. Das ist mit einer glaubwürdigen Neutralität ebenso unvereinbar wie das Mitmarschieren bei EU-Battlegroups. Es ist höchste Zeit, dass die Friedensbewegung (wieder) an den österreichischen Bildungs- und Forschungseinrichtungen Fuß fasst.

Eveline Steinbacher