Am 26. Oktober 2021, dem Nationalfeiertag und 66. Jahrestag der Beschlussfassung des Bundesverfassungsgesetzes über die immerwährende Neutralität, lädt die Solidarwerkstatt Österreich auch heuer wieder zu einer Kundgebung in Wien ein. Motto: „Militärblöcke spalten – Neutralität verbindet!“, Ort: Nähe Maria-Theresia Denkmal, 13 bis 16 Uhr. Hier der Aufruf für diese Kundgebung

Militärblöcke spalten – Neutralität verbindet!
Deshalb Souveränität und Neutralität und nicht strategische Autonomie der EU

Der Abzug der USA und ihrer europäischen Alliierten aus Afghanistan markiert eine historische Zäsur. Jahrelang galt die Hypothese: der Westen hat die Macht, überall auf der Welt einzugreifen. Der 31.8.2021 hat diese Hypothese widerlegt. Wer jedoch glaubt, dass damit Vernunft und Respekt vor dem internationalen Recht in alle Hauptstädten zurückgekehrt seien, wird umgehend eines Besseren belehrt. Die Hybris geht weiter. Besonders in den europäischen Zentren. Manch glühende EuropäerInnen phantasieren, die EU hätte den Krieg auf eigene Rechnung fortsetzen können, so man eine „strategische Autonomie“ hätte.

Wenige Wochen später fiel ein 31 Mrd. Eur (Wert 2016) Rüstungsdeal Frankreichs mit Australien dem neuen antichinesischen Militärbündnis AUKUS (Australia, United Kingdom, USA) zum Opfer. Ein weiteres Mal fühlten sich die glühenden Europäer düpiert und phantasierten noch aufgeregter über die jetzt notwendige „strategische Autonomie“. Ein deutsches Kriegsschiff gondelt durch den Indischen Ozean, und niemand frägt, was es dort verloren hat.

Eine konsistente österreichischen Außen- und Sicherheitspolitik auf Grundlage der immerwährenden Neutralität ist inexistent. Weder Regierung noch parlamentarische Opposition sind in der Lage die wesentlichen außenpolitischen Fragen überhaupt zu erfassen. Sofern Resterinnerungen an die Neutralität aktiviert werden, münden sie in der Praxis, bei jedem Unsinn dabei sein zu wollen, im Irrglauben, es aufgrund der Neutralität zu dürfen.

Die Welt braucht keine strategische Autonomie der EU. Und wir brauchen schon gar nicht, dass sich Österreich an einem derartigen Unsinn beteiligt. Die Welt braucht Vernunft, Respekt vor dem internationalen Recht und den Menschenrechten. Wir brauchen ein Österreich, das diese Prinzipien stärkt, indem es seine eigenen Verpflichtungen auf Grundlage der Neutralität Ernst nimmt. Zuvorderst bedeutet dies, seine eigene Souveränität zu verteidigen. Nur sie ermöglicht, wirklich neutral zu bleiben. Und damit gerade bei Konflikten hilfreich zu sein. Das weitere Hineintaumeln in immer neue und engere Abhängigkeiten ist ein fortgesetzter Rechtsbruch gegen das Rechtsstatut der Neutralität. Im türkis-grünen Regierungsprogramm findet sich die Absicht, die Einstimmigkeit in außen- und sicherheitspolitischen Fragen im EU-Rat zu Fall zu bringen. Strategische Autonomie der EU bedeutet für Österreich: Bedingungslose Unterordnung unter globale militärische Machtprojektion der alten ins Hintertreffen geratenen europäischen Imperialmächte. Im Wettstreit gescheitert, soll die Weltgeltung jetzt im Verbund gesichert werden. Das ist mit der Neutralität unvereinbar. Und wir wollen es nicht.

In diesem Sinne fordern wir anlässlich des 66. Jahrestags der Beschlussfassung des Bundesverfassungsgesetzes über die immerwährende Neutralität im Nationalrat:

  • Die sofortige Beendigung der Unterordnung unter die EU-Militarisierung. Austritt aus den EU-Kampfgruppen, der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (EU-SSZ/Pesco)
  • Weg mit dem Kriegsermächtigungsartikel 23j in der Verfassung, Aufkündigung der militärischen Beistandspflicht im EU-Vertrag
  • Austritt aus der EU-Rüstungsagentur und Ausstieg aus allen rüstungsindustriellen Kooperationen und Forschungsprogrammen; kein Mitfinanzieren von EU-Militäreinsätzen und Waffenexporten („EU-Friedensfazilität“)
  • Rückzug aller österreichischen bewaffneten Einheiten von EU-Einsätzen
  • Beendigung von gemeinsamen Militärmanövern und Auflösung der Eingliederung österreichischer Soldaten in gemeinsame Kommandostrukturen mit EU-Staaten, insbes. Deutschlands
  • Sicherung des österreichischen Territoriums: Keine Durchfuhrgenehmigungen für Soldaten und Kriegsgerät fremder Armeen. Stopp den Überflügen von Nato-Staaten, um die zwischenzeitlich nicht einmal mehr um Genehmigung angesucht wird, sondern nur noch einfach angemeldet werden müssen.
  • Keine Nutzung von militärischen Einrichtungen in Österreich für Drohnenmordprogramme * Ausstieg aus Frontex und den EU-Dublin-Richtlinien, Verteidigung des österreichischen Asylrechts

Der Ausstieg Österreichs aus dieser imperialen Machtpolitik, die spaltet, schafft die Voraussetzung für eine aktive Friedens- und Neutralitätspolitik, die verbindet. Wichtige Initiativen eines aktiv neutralen Österreichs können sein:

  • Wiederbelebung des KSZE-Prozesses in Europa, um an einem „gemeinsamen Haus Europa“ unter Einschluss Russlands zu bauen, das sich auf Dialog, Abrüstung, Respekt vor Völkerrecht und Menschenrechten, wirtschaftlicher und kultureller Zusammenarbeit gründet.
  • Engagement für eine friedliche Lösung im Nahen Osten. Das reicht von Initiativen für Verhandlungen auf Augenhöhe zwischen israelischen und palästinensischen VertreterInnen bis hin zum Engagement für eine massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen Osten
  • Statt Beteiligung an den EU-Hungersanktionen z.B. gegen Syrien, Ausweitung der finanziellen Unterstützung des UN-Welternährungsprogramms, um den sich wieder ausweitenden Hungerkatastrophen entgegenzuwirken.
  • Fortsetzung und Intensivierung des Engagements für einen Erfolg des Atomwaffenverbotsvertrags
  • Rasche Umsetzung von Zivilen Friedensdiensten, um eine neutrale Außenpolitik, die sich für friedliche Konfliktlösung einsetzt, durch Versöhnungsarbeit vor Ort zu unterstützen.
  • Klimapolitik ist Friedenspolitik: Statt neoliberaler EU-Freihandelsdiktate (z.B. EPA, EU-Mercosur) brauchen wir faire Handelsbeziehungen mit den Ländern des globalen Südens, die den Raubbau an Rohstoffen und die Zerstörung regionaler Märkte beenden.

Vorstand der Solidarwerkstatt Österreich
(Oktober 2021)