Die Solidarwerkstatt verfasst derzeit eine Anklageschrift gegen die Hauptverantwortlichen des Krieges gegen Libyen. Wir publizieren hier die Kurzfassung eines ersten Entwurfs. Wir werden diese Anklagsschrift beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einbringen. Wir machen uns keine Illusionen über diese Institution. Wir wollen aber klarmachen: Wenn diese UN-Einrichtung sich und ihre Statuten auch nur ansatzweise ernst nimmt, dann müssten Sarkozy, Cameron, Obama, Rasmussen, Asthon und einige andere auf der Anklagebank Platz nehmen.
Hauptangeklagte sind:
1. Frankreichs Staatspräsident und Oberbefehlshaber über die militärischen Streitkräfte Nicolas Sarkozy sowie alle Mitglieder der französischen Regierung.
2. Großbritanniens Premierminister und Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte David Cameron sowie alle Mitglieder der Regierung Großbritanniens.
3. Präsident und Oberbefehlshabe der USA Barack Obama, und alle Mitglieder der amerikanischen Regierung.
4. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, weiters alle Machthaber der beteiligten NATO-Staaten sowie alle Mitbeteiligte in den Regierungen dieser Staaten.
5. EU-Außenbeauftragte Cathrine Asthon, die von Anfang an - gemeinsam mit den EU-Staatschefs - die völkerrechtswidrigen NATO-Militärschläge unterstützte.
Die angeführten direkt Beteiligten haben sich laut Statut des Verbrechens der Aggression (Führen eines Angriffskriegs) und des Kriegsverbrechens (gezielte Tötung von Zivilisten) schuldig gemacht.
Konkrete Anklagepunkte:
1. Planung, Vorbereitung und Durchführung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges in Libyen
Frankreich, Großbritannien und die USA haben schon lange vor der erzwungenen Genehmigung einer Luftraumüberwachung durch den UN-Sicherheitsrat den Angriffskrieg in Libyen geplant und vorbereitet. Am 2. November 2010 schloss Frankreich mit Großbritannien ein Militärabkommen. Gemeinsam trainierten ihre Streitkräfte in einem geheimen Manöver mit der Bezeichnung „Southern Mistral 2011“. In einem imaginären Land namens „Southland“ soll eine Diktatur bekämpft werden, so der Inhalt der Übung. Nach 3 Monaten ging das Training fast nahtlos in den Angriffskrieg über. Das imaginäre Southland entpuppte sich als das reale Libyen. Bei dem Angriff wurden dieselben Kampfflieger verwendet wie zuvor im Manöver. Bereits im Jänner 2011 tummelten sich getarnte Teams der britischen Sondereinheiten SAS (Special Air Service) und SBS (Special Boat Service)´auf libyschem Territorium um strategische Ziele für die Bombardierung zu erkunden und zu markieren.
Trotzdem es keine Beweise für Luftangriffe des libyschen Militärs auf friedliche DemonstrantInnen gab, ja diese Anfang März sogar vom US-Verteidigungsminister dementiert wurden, verabschiedet der UN-Sicherheitsrat am 17. März die Resolution Nr. 1973 zur Einrichtung einer Flugverbotszone unter dem enormen Druck der Westmächte und ihrer Verbündeten. Schon wenige Stunden später begann Frankreich mit dem ersten Bombenhagel auf den östlichen Teil Libyens, die anderen Verbündeten schlossen sich wenig später an. Die Kriegsmächte haben damit die Vereinten Nationen für das Führen eines Angriffskrieges instrumentalisiert. Damit steht die Resolution Nr. 1973 bereits an sich im Widerspruch zu den Grundsätzen der UN-Charta. Doch selbst der Wortlaut dieser Resolution, die nur die Einrichtung von sog. Flugverbotszonen legitimierte, wurde in Folge mit Füßen getreten. Am 23. März 2011 erklärte der Kommandant der britischen Luftstreitkräfte, Greg Bagwell, dass die libysche Luftwaffe jetzt ausgeschaltet sei. Nichtsdestotrotz bombardierte die NATO mehr als ein halbes Jahr lang weiter. NATO und EU erklärten – vollkommen im Gegensatz zur UN-Resolution – den Sturz der Regierung zum Kriegsziel. Proteste von Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates gegen den fortwährenden Verstoß gegen die UN-Resolution wurden vollkommen ignoriert.
2. Missachtung von Friedensverhandlungen und gewaltfreien Lösungsversuchen
Am 18.3. sicherte die libysche Regierung zu, im Konflikt mit den Rebellen auf Gewalt zu verzichten und verlangte internationale Beobachter ins Land zu entsenden. Darauf wurde seitens der UNO nicht eingegangen.
Ein Friedensplan der türkischen Regierung, der sowohl mit der Regierung Gaddafis als auch mit den Oppositionellen in Verhandlung war, konnte durch Angriff Frankreichs nicht weitergeführt werden.
Die libysche Regierung akzeptierte wiederholt einen Friedensfahrplan der Afrikanischen Union, bot sofortigen Waffenstillstand und Wahlen an. Rebellen und NATO lehnten beides kategorisch ab.
Dies sind schwere Verstöße gegen die UN-Charta, alle gewaltfreien Mittel zur Lösung von Konflikten auszuschöpfen.
3. Parteiergreifung und Instrumentalisierung einer gewaltausführenden Gruppe und deren Ausstattung mit Waffen zur Führung eines Krieges
In Libyen wurden die Aufstände sowohl von Seiten des Regimes als auch der Aufständschen von Beginn an mit Gewalt geführt.
Die Annahme, dass die Rebellen für Demokratie und Freiheit kämpfen, konnte bis heute nicht bewiesen werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass durch die sofortige kriegerische Eskalierung des Konflikts jene Kräfte, die für die Demokratisierung Libyens eintraten, rasch an den Rand gedrängt und durch Kräfte ersetzt wurden, die für die Interessen und Absichten der westlichen Kriegsmächte instrumentalisierbar sind.
Laut diversen Berichten von Amnesty International und anderen haben die Rebellen schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen durch Massenhinrichtungen und Folter an Schwarzafrikanern und Gaddafi-treuen Gefangenen begangen.
Trotz des Waffenembargos wurden die Rebellen von Frankreich mittels Fallschirmen mit hochmodernen Waffen versorgt und von westlichen Spezialeinheiten ausgebildet.
Von Diplomaten wurde zugegeben, dass getarnte ausländische Spezialeinheiten (anfangs aus Katar, später verstärkt aus Frankreich, Großbritannien) mithalfen die Rebellen zu einer schlagkräftigen Streitmacht auszubilden und von libyschem Boden aus die NATO-Bomber mit Anriffszielen zu versorgen. Ausländische Spezialeinheiten leisteten entscheidende Unterstützung beim Fall von Tripolis.
4. Tötung von zehntausenden Menschen, Kriegsverbrechen, Zerstörung lebenswichtiger Infrastrukturen
Bei den Unruhen im Februar sind in Libyen laut Angaben von Amnesty International rund 180 Menschen ums Leben gekommen. Viele dieser Toten sind dem gewaltsamen Vorgehen der libyschen Staatsgewalt zuzurechnen, wenngleich schon in den ersten Tagen Gewalt von beiden Seiten verübt wurde. Die von den westlichen Medien verbreiteten Mel- dungen, Gaddafi würde mit Kampfjets friedliche DemonstrantInnen bombardieren, hat sich mittlerweile als Propagandalüge entpuppt, die nicht einmal mehr von den NATO-Mächten aufrecht erhalten wird. Offensichtlich gut vorbereitet eska lierten die mit dem Westen verbündeten Aufständischen den Konflikt sofort zu einem Bürgerkrieg. Zu Beginn der NATO-Bombardements bezifferte das britische Außenministerium die Zahl der bis dahin Getöteten bereits mit 1.000 Menschen. Mitte September, also nach einem halben Jahr Krieg, wird die Zahl der in diesem Krieg getöteten auf 50.000 geschätzt. Als „Schutz der Zivilbevölkerung“ maskiert, führte die militärische Eskalation des Konflikts durch die Westmächte und den ihnen ergebenen Rebellen zum 250-fachen der Toten der anfänglichen Unruhen.
Die NATO flog über 26.000 Kampfeinsätze. Die Berichte über regelrechte Massaker an der Zivilbevölkerung, die dabei verübt wurden, häufen sich (siehe z.B. NATO-Massaker beim Angriff auf Majer, Tripolis und Sirte). Das stellt eindeutig ein Kriegsverbrechen dar.
50.000 Tote, das heißt nochmals zehntausende Verletzte, Verstümmelte und für immer Traumatisierte. Auch zivile Infrastrukturen, Schulen, Krankenhäuser, kulturelle Einrichtungen, Supermärkte, Nachrichtenstationen, Wasserwerke wurden von den NATO-Bomben zerstört.
Die Umstände von Gaddafis Tod legen nahe, dass seine Ermordung auf direkte Anordnung der westlichen Kriegsmächte erfolgte. Eine Anklage Gaddafis in Den Haag hätte für diese wahrscheinlich höchst unliebsame Tatsachen ans Tageslicht gefördert, etwa die Waffenunterstützung des Gaddafi-Regimes durch den Westen oder die finanzielle Unterstützung von brutalen Flüchtlingslagern, mit der sich die EU Armutsflüchtlinge aus Afrika vom Hals schaffen wollte. Bereits im Vorfeld unternahmen die NATO-Mächte eine Vielzahl von gezielten Luftangriffen, um Gaddafi zu töten, wobei einige seiner Familienangehörigen ums Leben kamen.
5. Unterlassung der Hilfeleistung für Flüchtlinge
Durch das ungeheure Ausmaß der Bombardierung sind viele Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Bis zum Eingreifen der Alliierten wird von rund 270.000 ausländischen ArbeiterInnen berichtet, die seit Ausbruch des Bürgerkrieges über die Grenze nach Tunesien geflüchtet sind. Zwei Monate später berichtet die UNO, dass 800.000 aus Libyen geflohen und 200.000 im Land auf der Flucht sind.
Obwohl die NATO die See vor der libyschen Küste kontrollierte, wurde für viele Flüchtlinge jede Hilfestellung unterlassen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfewerks UNHCR sind seit Beginn des Libyen-Kriegs bis Anfang August 1.500 Flüchtlinge bei dem Versuch, das Mittelmeer von Libyen nach Europa zu überqueren, umgekommen.
Wer bei der weiteren Ausformulierung dieser Anklageschrift mitarbeiten will, ist herzlich dazu eingeladen. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Tel. 0732/771094
Kommentar
von Johanna Weichselbaumer
Solidarwerkstatt Oberösterreich
Auch Faymann & Co zur Verantwortung ziehen!
Durch den Ablauf der dramatischen Geschehnisse in Libyen bestätigt sich der Verdacht, dass der vorgebrachte Grund für die “humanitären Intervention”, die Zivilbevölkerung vor den Grausamkeiten des Gaddafi- Regimes zu schützen, von Anfang an gelogen war. Der wahre Grund des mit schamlosen Mitteln geplanten und geführten Angriffskrieges war und ist,
- dass Gaddafi bzw. die libysche Regierung es wagten, sich für die afrikanische Einheit und Unabhängigkeit von den westlichen Großmächten einzusetzen. Die vom Westen eingefrorenen Milliarden Libyens waren für die Einrichtung des Afrikanischen Währungsfonds 2011 in Yaounde gedacht, um Afrika vom Internationalen Währungsfonds, in dem EU und USA diktieren, unabhängig zu machen.
- Dass sich Libyen weigerte, der von der EU konzipierten Mittelmeer-Union beizutreten, die ganz Nordafrika in eine riesige Freihandelszone verwandeln und an die EU anbinden soll.
- Und natürlich auch, um an die gewaltigen Ölressourcen und sonstige Reichtümer des Landes zu kommen.
Dieser Krieg war und ist ein riesiges Verbrechen, zu dem die österreichische Regierung Beihilfe geleistet hat: durch die Unterstützung des NATO-Krieges in den EU-Gremien, durch die Genehmigung von Durchfuhr und Überflug von NATO-Kriegsgerät und durch die Entsendung von österreichischen Offizieren ins EUFOR-Libya-Hauptquartier nach Rom. Damit haben Regierung und Nationalrat klar signalisiert, dass sie bereit sind, österreichische SoldatInnen im Rahmen der EU-Battlegroups in den Libyen-Krieg zu schicken. Dafür müssen wir Faymann & Co zur Verantwortung ziehen!