Die Solidarwerkstatt lädt am Nationalfeiertag, 26. Oktober 2019, an dem vor 64 Jahren das österreichische Neutralitätsgesetz beschlossen wurde, zur einer Kundgebung in Wien ein: 13 bis 16 Uhr, Ringstraße (beim Maria-Theresia-Denkmal). Hier unser Aufruf für diese Aktion.


AUFRUF

Ja zur Neutralität!
Nein zur EU-Kriegsunion (EU-SSZ/Pesco)!

Am 26. Oktober d. Jahres jährt sich der Beschluss des Bundesverfassungsgesetzes über die immerwährende Neutralität im österreichischen Nationalrat zum 64. Mal. Mit diesem Beschluss besiegelte die Republik ihre Wiedererstehung als freier, demokratischer und friedliebender Staat, nachdem es 1938 durch den Anschluss an Hitlerdeutschland von der Landkarte radiert wurde und die Menschen in Österreich in die größte Katastrophe der neueren Geschichte geführt wurden. Viele Österreicherinnen und Österreicher haben sich an der Auslöschung der Republik und den folgenden monströsen, nationalsozialistischen Verbrechen aktiv beteiligt. In Österreich, in Europa, weltweit. Umso wichtiger war das breit eigenständig getragene Bekenntnis zur Republik, das mit der Verankerung der immerwährenden Neutralität zum Ausdruck gebracht wurde. Kein Wunder, dass der sich politisch restrukturierende Deutschnationalismus 1955 gegen die Neutralität optierte.

Seit nunmehr fast 25 Jahren ist Österreich Mitglied der Europäischen Union. Den Menschen wurde von Seiten des politischen Establishments versichert, dass Neutralität und Beitritt zur EU vereinbar seien. An dieser Stelle ist es notwendig an die Rechtspflichten eines immerwährend neutralen Staates zu erinnern. Ein derartiger Staat verpflichtet sich nicht nur, sich an keinen Kriegen zu beteiligen, er verpflichtet sich darüber hinaus auch in Friedenszeiten dafür Sorge zu tragen, dass er nicht in kriegerische Konflikte involviert wird. Dazu gehört die Bewahrung seines Territoriums vor der Instrumentalisierung durch mögliche Kriegsparteien ebenso, wie die Verpflichtung keine militärische Beistandsverpflichtung oder andere vertragliche Verpflichtungen, die seine Rechtspflichten als neutraler Staat gefährden könnten, einzugehen. Mit anderen Worten lässt sich sagen, die Rechtspflichten des neutralen Staates zwingen ihn zur absoluten Wahrung seiner Souveränität, vor allem in sicherheitspolitischen Fragen, aber nicht nur. Er ist insofern in seiner Souveränität beschränkt, weil er freiwillig seine Souveränität nicht einschränken lassen darf. Dass bezeichnet auch das spezifisch österreichische an unserer Neutralität. Die Souveränität wurde von den Siegermächten deshalb an die Republik zurückgegeben, weil diese angekündigt hat, sich zu ihrer uneingeschränkten Selbstbehauptung zu verpflichten. Vor diesem Hintergrund ist der Beitritt zur EU, der gesamte Integrationsprozess, insbesondere auch das aktuelle Handeln der politischen Entscheidungsträger zu beurteilen.

1995 ist Österreich der EU auf Grundlage des sogenannten Maastrichter Vertrags aus 1992 beigetreten. In diesem Vertrag ist eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik verankert, die sich zur einer Gemeinsamen Verteidigungspolitik entwickeln könne. Aus dem Konjunktiv wurde mit dem Amsterdamer- und dem Nizzavertrag, ein Indikativ, eine entschlossene Ankündigung. Das österreichische politische Establishment hat diese Entwicklung ohne Wenn und Aber nachvollzogen: In die Bundesverfassung wurde der Kriegsermächtigungsartikel 23j verankert, der es dem Kanzler und dem Außenminister gestattet im Namen Österreichs Kriegsmissionen zuzustimmen, auch ohne ein Mandat des UN-Sicherheitsrates. Mit dem nunmehr gültigen Lissaboner Vertrag aus 2008 wurde eine militärische Beistandsverpflichtung aufgenommen, ebenso eine Aufrüstungsverpflichtung und eine Agentur, die die Einhaltung dieser Verpflichtung überwachen soll. Es wurde die rechtliche Möglichkeit zur Einrichtung einer „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ (EU-SSZ/Pesco) geschaffen, damit diejenigen Staaten, die sich in ihren militärischen Ambitionen vom Einstimmigkeitsprinzip nicht mehr behindern lassen wollen, bei der Militarisierung voranschreiten können. 2017 wurde noch unter der rot-schwarzen Regierung dieses Instrument (EU-SSZ/Pesco) eingerichtet. Mit österreichischer Beteiligung. All diese Militarisierungsschritte seien mit der Neutralität vereinbar. Die argumentativen Verrenkungen muten komisch bis absurd an und sind in einigen Fällen kriminell. Insbesondere, wenn wir die praktischen Umsetzungsschritte betrachten. Österreich ermöglich die Durchfuhr jeglicher Art von Truppen und Kriegsgerät, beteiligt sich laufend an Militärmissionen mit eigenen SoldatInnen, unterhält permanente militärische Verbindungsbüros, insbesondere mit Deutschland, gemeinsame militärische Einheiten, meist unter dem Kommando fremder Mächte. Österreich beteiligt sich an allerlei Sanktionen gegen Mächte außerhalb der EU, auch wenn kein Mandat des UN-Sicherheitsrates vorliegt. Die Sicherheitspolitik des Neutralen sollte bewirken, dass alle fremden Mächte darauf vertrauen können, dass er sie ernst nimmt. Das österreichische politische Establishment lässt keine Möglichkeit unversucht, dieses Vertrauen zu zerstören. Das erscheint beispiellos in der Geschichte und es wird sich erst erweisen, wie das Handeln der dafür Verantwortlichen auch rechtlich zu bewerten ist.

Die Europäische Union ist Trägerin des Friedensnobelpreises und sieht sich selbst gerne als Friedensprojekt. Es geht hier heute nicht darum Absichten zu verhandeln. Betrachten wir die Wirklichkeit, die wirklichen Auswirkungen dieses Projekts. Der EU-Binnenmarkt verwandelt Europa in eine Freihandelszone, in der Konkurrenz zum obersten Prinzip erklärt wurde. Mit der EU haben sich die Mitgliedsstaaten dieser Konkurrenz nicht nur unterworfen, der Integrationsprozess bedeutet nichts weniger, als dass insbesondere den kleineren und peripheren Staaten fortlaufend alle Instrumente aus der Hand geschlagen werden, mit der sie sich gegen diese Unterordnung wehren könnten. Das erzeugt tiefe Verwerfungen innerhalb der Union. Doch dieser Prozess wirkt nicht nur nach innen, sondern auch nach außen. Er erfordert gewissermaßen die permanente Vergrößerung des Raums, in dem er wirken soll. Seit Jahrzehnten können wir deshalb beobachten, wie das EU-Projekt zur Destabilisierung von Gesellschaften an seinen Rändern beiträgt, diese vielfach in kriegerische Auseinandersetzungen stürzt. Wir sahen das in Jugoslawien, in vielen Ländern des Nahen Ostens und Afrikas, wir sehen es in der Ukraine. EU-Strategiepapieren nennen große Teile Afrikas, die Arktis, den Nahen und Mittleren Osten, den indo-pazifischen Raum und die südostasiatische Küstenregion als Ziel für „zeitweilige oder auch dauerhafte“ EU-Kriegseinsätze. Wir erachten es als brandgefährlich, wenn die Militarisierung dieses Projekts weiter vorangetrieben wird, insbesondere wenn die Entscheidungsgewalt über Krieg und Frieden weiter zentralisiert wird.

Der Warschauer Vertrag wurde aufgelöst, die Teilung Europas galt 1989/91 scheinbar als beendet. Natürlich musste die im Fortlauf vorangetriebene Osterweiterung der Nato, die Beunruhigung Russlands hervorrufen. Dem wurde durch die scheinbare Einbeziehung Russlands in diverse Gremien begegnet, die aber nie über ihren konsultativen Charakter hinauskamen. Gleichzeitig wurde auch die Osterweiterung der EU vorangetrieben. Dieser Prozess hat bedeutend tiefgreifendere Wirkungen auf die jeweiligen Gesellschaften. Ein Momentum dabei ist, dass diese nicht zu groß sein dürfen, um dem Integrationsprozess unterworfen werden zu können. Dies würde die Hegemonie der großen europäischen Mächte über diesen Prozess unterlaufen und gefährden. Russland ist ein zu großer Brocken. Es kann nicht auf einmal geschluckt werden. Und eine Zeit lang sah es tatsächlich so aus, als könnte es gelingen, Russland zu Filetieren und damit zu Peripherisieren. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt.

Wir sind heute, 2019, mit einer Reihe von Konflikten auch in Europa konfrontiert: Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Transnistrien, Ukraine, Donetsk, Lugansk, Krim, Südossetien, Abchasien. Auch im Westen sind Konturen derartiger Konflikte erkennbar: Schottland, Nordirland, Katalonien. Die EU kann diese Konflikte nicht lösen: weder militärisch, noch politisch.

Wir brauchen einen Neustart im Sinne der Formel Michael Gorbatschows eines Gemeinsamen Hauses Europa. Die konkreten Widersprüche in Hinblick auf Selbstbestimmung und territoriale Integrität, Frieden und gemeinsame Sicherheit, Abrüstung, kulturelle, wissenschaftliche und wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe lassen sich nur gemeinsam, unter Einschluss aller Seiten bearbeiten. Wir sollten den politischen Prozess zu einer Konferenz, ähnlich der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in den 1970er Jahren anstoßen.

Österreich wäre auf Grundlage seiner Neutralität prädestiniert, hier als Katalysator zu wirken. Damit Österreich aber als ehrlicher Makler wirken kann, bedarf es des konsequenten Bruchs mit der Unterordnung unter die Militarisierung der EU.

Insbesondere fordern wir deshalb:

  • Sofortiger Ausstieg aus der EU-SSZ/Pesco, Rückzug von EU-Militärkooperationen und Missionen, Aufkündigung der Beistandsverpflichtung im EU-Vertrag, Rückzug aus der EU-Aufrüstungsagentur und Abschaffung des Kriegsermächtigungsartikels 23j d. BVG, Rückzug aus der Nato – Partnership for Peace
  • Beendigung der Unterordnung unter die Außenpolitik der großen EU-Mächte, sofortiger Ausstieg aus dem Sanktionenregime der EU, insbesondere gegenüber Russland.
  • Für eine aktive Neutralitätspolitik, die die friedliche Lösung von Konflikten unter Einbeziehung aller Interessen vorantreibt.

Für ein souveränes Österreich, das seine Rechtspflichten als immerwährend neutraler Staat ernst nimmt und damit einen wichtigen Beitrag für Frieden und Verständigung in Europa und darüber hinaus leistet.

Es lebe ein freies, solidarisches, neutrales und weltoffenes Österreich!
Es lebe der 26. Oktober!

>> Bitte Petition unterstützen:
Ja zur Neutralität - Nein zur EU-SSZ!
Hier online
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