euromil2EU-Kommissare fordern die Ausgabe von EU-Kriegsanleihen – pardon: „Verteidigungsbonds“, um die Kapitalmärkte für neue Rüstungsgüter wie Drohnen und Kriegsschiffe anzuzapfen. Die Solidarwerkstatt ruft dagegen zur Kundgebung „Aktiv neutral statt EU-militarisiert!“ am 26. Oktober in Wien auf.


Bereits Ende Juni 2016 beschlossen die EU-Staatschefs die neue „EU-Globalstrategie“, die einen neuen Aufrüstungsschub für die EU fordert. EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker schärft in seiner „Rede zur Lage der EU“ Mitte September 2016 nach (1). Als Rezept gegen die „zumindest teilweise existenziellen Krise“ der EU mahnt Juncker die nächsten Schritte der EU-Militarisierung an:

- Militarisierung der Außengrenzen durch eine „Europäische Grenz- und Küstenwache“
- Schaffung eines gemeinsamen Hauptquartiers für Militärmissionen
- Einrichtung eines „Europäischen Verteidigungsfonds“ der der Rüstungsforschung „einen kräftigen Schub“ verleiht.
- Schaffung eines Militärisches Kerneuropa („Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“), wo die militärisch besonders „Ambitionierten“ einen inneren Führungszirkel in der EU etablieren. Die rechtlichen Grundlagen dafür sind bereits mit dem EU-Vertrag von Lissabon gelegt worden (2009).

In diese Richtung sind wenige Tage später Berlin, Paris und Rom beim informellen EU-Verteidigungsministertreffen in Bratislava vorgestoßen. Ende 2016 sollen dann Nägel mit Köpfen gemacht werden.

Die EU wird in Mali verteidigt

Der EU-Kommissionsvizepräsident Jyrki Katainen und die Industrie-Kommissarin Elzbieta Bienkowska legten mit einer weiteren Idee nach: Um die Aufrüstung zu finanzieren, sollen „Europäische Verteidigungsbonds“ (European Defence Bonds) – emittiert werden, um die Kapitalmärkte für neue Rüstungsgüter wie Drohnen, Kriegsschiffe, Cybertechnologie, Kapazitäten zur Militarisierung des Weltraums und der EU-Außengrenzen anzuzapfen. Der früher dafür übliche Ausdruck „Kriegsanleihen“ trifft die Sache wohl besser, wenn man bedenkt, wo Kommissionspräsident Juncker überall die EU „verteidigen“ will: „Europa muss mehr Härte zeigen. Dies gilt vor allem in unserer Verteidigungspolitik. Europa kann es sich nicht mehr leisten, militärisch im Windschatten anderer Mächte zu segeln oder Frankreich in Mali allein zu lassen.“ (1) Die EU wird also in Zukunft in Mali verteidigt – und wo auch immer es darum geht, den „Zugang zu natürlichen Rohstoffen“, zu „offenen Märkten“ und zu „offenen Schifffahrtsrouten“ freizuhalten oder freizuschießen. Das sind nämlich die in der EU-Globalstrategie benannten Aufgaben für EU-Streitkräfte.

In einem früheren Strategiepapier der EU-Agentur „Institut für Sicherheitsstudien“ (ISS) wurde auch die Dimension solcher EU-Kriege angedeutet: „Europa kann seine Verteidigungspolitik nicht auf der Annahme aufbauen, dass es nicht größere militärische Herausforderungen im Mittleren Osten gibt, die von der gleichen oder sogar einer größeren Dimension als der Golfkrieges von 1990-1991 sind.“ (2) Zur Erinnerung: Diesem Krieg fielen hunderttausende IrakerInnen zum Opfer.

Es wächst zusammen,…

Die über „Verteidigungsbonds“ finanzierten Rüstungsgüter sollen in „EU-Besitz“ übergehen – und damit wohl den nächsten Schritt zum Aufbau einer eigenen EU-Armee darstellen. Während also Investitionen in Gesundheit, Bildung und Soziales den strengen Vorgaben des Fiskalpaktes unterworfen bleiben, soll bei der Rüstung endlich geklotzt werden. Rückdeckung findet diese Privilegierung von Rüstungsausgaben im Artikel 42 des Vertrages über die EU (EUV), der alle EU-Staaten dazu verpflichtet, „ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“.

Aufrüstung und Krieg dienen dem Establishment, um einen fortschrittlichen Ausweg aus der Krise, in die das EU-Konkurrenzregime hineingeführt hat, abzublocken und für aggressive Großmachtspläne zu instrumentalisieren. Das findet auch rechtsaußen großen Anklang – die extreme Rechte hat schließlich einen großen Erfahrungsschatz, wenn es darum geht, Wirtschaftskrisen in militärische Aggresssion überzuführen. So spricht sich der stv. FPÖ-Parteivorsitzende Haimbuchner für „eine Vertiefung der EU (aus) … etwa durch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ (OÖN, 13.7.2016). Das ist haarscharf die Linie des EU-Establishments. Es wächst zusammen, was zusammen gehört.

„Aktiv neutral statt EU-militarisiert!“

Für uns zeigt sich einmal mehr, dass EU-Mitgliedschaft und Neutralität überhaupt nicht zusammengehören. Die Solidarwerkstatt ruft daher auch heuer unter der Losung „AKTIV NEUTRAL STATT EU-MILITARISIERT!“ zu einer Kundgebung am Nationalfeiertag in Wien auf. In diesem Aufruf heißt es: „Wir lassen uns unsere Neutralität nicht wegnehmen. Um unserer Haltung und unserem Anliegen, Nachdruck zu verleihen, versammeln wir uns, am 26. Oktober 2016 in Wien, dem 61. Jahrestag der Beschlussfassung über die immerwährende Neutralität im Nationalrat. Das Mitmarschieren bei Militärblöcken und Großmächten erfordert Duckmäusertum und Rücksichtslosigkeit. Neutralität erfordert Mut und Kreativität. Wir haben unsere Entscheidung getroffen.“

Gerald Oberansmayr
(5.10.2016)

Quellen:
(1) Rede zur Lage der Union: Hin zu einem besseren Europa – Einem Europa, das schützt, stärkt und verteidigt, Straßburg, 14. September 2016
(2) Institut für Sicherheitsstudien, European Defence – A proposal for a White Paper, Mai, 2004