ImageDie Zahl der Toten und Verletzten im Gaza-Streifen wächst stündlich. Ebenso die Angst der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten vor einer weiteren Eskalation der Gewalt. Was macht das offizielle Österreich: Es schaut zu und wartet ab, was in Brüssel und Berlin vorgegeben wird – und ist hinterrücks mit jener Armee verbündet, die derzeit wieder einmal Tod und Verderben in den Gaza-Streifen bringt.

Seit 2008 unterhält das österreichische Bundesheer ein Kooperationsabkommen mit den Israelischen Streitkräften (IDF). Offiziell geht es dabei um Kooperation bei der Ausbildung von Streitkräften. Angesichts der Bilder des bombardierten Gazastreifens fragt man sich, was das Bundesheer von den IDF lernen will? Wie man 1,8 Millionen Menschen auf engstem Raum abriegelt, menschlicher Lebensbedingungen beraubt und zum Versuchskaninchen für neueste Waffentechnologien macht? Die Situation in Israel-Palästina ist zweifellos komplex, umso mehr wäre jetzt eine aktive Neutralitätspolitik Österreichs in diesem Dauerkonflikt gefordert. Was sind aus unserer Sicht Anforderungen an eine solche Politik:

1. Engagement für ein sofortiges Ende der offenen Gewalthandlungen – Waffenstillstand und Verhandlungen!

Nur ein sofortiger Waffenstillstand auf beiden Seiten kann das weitere Abschlachten beenden und die Grundlage für Verhandlungen schaffen. Keine Seite kann sich das Gegenüber bei Verhandlungen aussuchen – Frieden muss man mit Feinden schließen, nicht mit Freunden. Eine glaubwürdige Neutralität, die von allen Konfliktparteien anerkannt wird, erfordert jedoch, die militärischen Verstrickungen mit den Konfliktparteien sofort zu beenden – im diesem Fall: Das Kooperationsabkommen des Bundesheeres mit den IDF muss sofort beendet werden!

2. Engagement für ein Ende des Gewaltexports – Stopp den Waffenlieferungen in den Nahen Osten.

Die westlichen Großmächte haben kein Interesse an Frieden im Nahen Osten und den angrenzenden Regionen, denn nur wenn die verschiedenen Staaten, Völker und Religionen permanent in Widerstreit miteinander liegen, lässt sich diese ressourcenreiche Region von außen dominieren. Dafür werden demokratische Regierungen gestürzt (zB Iran 1953), Despotien und Miltärdiktaturen hofiert (zB Tunesien, Türkei, Ägypten, Katar, Saudi-Arabien, Iran, Irak,…), dafür hetzt man Staaten in den Krieg und beliefert skrupellos beide Seiten, damit sich die Kontrahenten gegenseitig verbluten (zB Irak-Iran Krieg), dafür werden direkte Militärinterventionen (zB Irak 1991, 2003; Afghanistan ab 2003, Libyen 2011) und indirekte (zB Syrien seit 2011) durchgeführt, die hunderttausenden Menschen, möglicherweise sogar Millionen das Leben gekostet haben. Dafür werden ohne jede Scheu israelische Rechtsaußen-Regierungen genauso mit US- und EU-Kriegsgerät versorgt wie islamistische Dijahd-Kämpfer. Es gibt nur einen wirklichen Fokus dieser imperialen Politik: Geopolitische Kontrolle der Region, Ausbeutung der wirtschaftlichen Reichtümer, Ankurbelung der Rüstungsindustrie und eine Teile-und-Herrsche-Politik, die die souveräne Entwicklung der Menschen und Staaten in dieser Region unterbindet.

Nicht nur die PalästinenserInnen, auch die Menschen in Israel sind Opfer dieser neokolonialen Politik, da sie als Vorposten im abendländischen Kulturkampf instrumentalisiert werden, um die Vorherrschaft des Westens abzusichern. USA und EU überschütten das israelische Establishment ebenso mit Waffen wie die Feudaldespotien am Golf, die ihrerseits – vor allem Katar – die Hamas politisch und finanziell unterstützen. Fast ein Fünftel aller weltweiten Kriegswaffenexporte gehen in die Golfregion, fast 80% stammen aus NATO-Staaten (48% aus den USA, über 31% aus den EU-Staaten) (1). Deutschland z.B. liefert U-Boote an Israel, die als Abschussrampen für die israelischen Atomraketen geeignet sind, und bezieht seinerseits Drohnen aus israelischen Rüstungsschmieden. Gleichzeitig genehmigt die deutsche Regierung den Export von milliardenschwerem Kriegsgerät (Panzer, Panzerhaubitzen) an Katar, dem Sitz der Hamas-Führung. Das Herrscherhaus Katars ist wiederum maßgeblich an deutschen Großkonzernen beteiligt (zB an Volkswagen, Deutsche Bank, Porsche, Hochtief).Die Forderung nach sofortigem Stopp von Waffenlieferungen in den Nahen Osten kann nur dann glaubwürdig sein, wenn Österreich nicht nur selbst keine Waffen in den Nahen Osten exportiert, sonder auch die militärische und rüstungswirtschaftliche Kooperation mit den Waffenexporteuren beendet. Dazu gehört unter anderem
- Ausstieg aus den EU-Battlegroups, in denen österreichische SoldatInnen unter deutschem Kommando für globale Militärinterventionen trainiert werde
- Entfernung der Vertreter von Rüstungskonzernen aus der Verstaatlichten-Holding ÖIAG (in einem gewissen Rotationsverfahren geben sich dort seit Anfang 2000 die Vertreter deutscher Rüstungskonzerne die Klinke in die Hand: Daimler, Thyssen-Krupp, Siemens, Volkswagen, Deutsche Bank,…)

3. Engagement für ein Ende der strukturellen Gewalt – gleiche Menschenrechte statt Apartheid:

Auch wenn keine Schüsse fallen, wird im Westjordanland und Gaza andauernd Gewalt ausgeübt – durch Besatzung, Blockade, Landraub, wirtschaftliche Strangulierung, Vertreibung. Ein Ende dieser strukturellen Gewalt erfordert das Ende der israelischen Besatzung im Westjordanland und ein Ende der Blockade des Gazastreifens. Letztlich sind diese ständigen Erfahrungen von Unterdrückung, Demütigung und sozialem Elend der Nährboden für Radikalismus und eine nicht abreißende Spirale der Gewalt. Auch wenn sich die Unterdrückten mit falschen Mitteln gegen ihre Unterdrücker wehren, kann das niemals die Unterdrückung rechtfertigen! Ohne Ende der strukturellen Gewalt kann es keinen wirklichen Frieden in Israel-Palästina geben. In diesem Sinn ist eine Solidarität mit den PalästinenserInnen auch eine wirkliche Solidarität mit den Juden und Jüdinnen.

Wenn die israelischen Machthaber nicht bereit sind, die völkerrechtswidrige Besiedelung der besetzten Gebiete rückgängig zu machen, gibt es letztlich nur eine Alternative zum Apartheidsregime: einen gemeinsamen demokratischen Staat von Juden und PalästinenserInnen – mit gleichen Rechten und Pflichten für alle Menschen unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft und Religion. Erfreulicherweise findet die Idee eines solchen gemeinsamen Staates sowohl bei Jüdinnen und Juden als auch PalästinenserInnen wachsende Resonanz. An einem solchen gemeinsamen israelisch-palästinensischen Staat haben freilich US- und EU-Machthaber kein Interesse, denn ein solcher Staat könnte seine Identität eben nicht aus kolonialem Herrenmenschendünkel oder religiösem Eiferertum beziehen, sondern aus der Sicherung gemeinsamer Menschenrechte, sozialem Ausgleich und der Überwindung rassistischer Ideologien (2). Zu einer aktiven Friedens- und Neutralitätspolitik gehört daher auch die Unterstützung von Versöhnungsprojekten in der Region, die Brücken zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen und Ethnien bauen und ein friedliches Zusammenleben fördern.

Sage niemand…

Sage niemand, ein kleines neutrales Land könne nicht wesentliche Friedensimpulse auf internationaler Ebene setzen. Gerade die Kreiskysche Außenpolitik konnte in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Nahen Osten eine viel beachtete positive Rolle spielen. Erst die EU-Einbindung hat die österreichische Außenpolitik zu einem provinziellem Gartenzwerg gemacht, der kaum mehr einen Schritt ohne Rückfrage in Brüssel und Berlin wagt. Mehr noch: Die Unterordnung unter den Auswärtigen Dienst der EU hat Österreich zum Komplizen beim Gewaltexport gemacht – in Afrika, in der Ukraine, im Nahen Osten. Österreich aus dieser Unterordnung zu befreien, um wieder Spielraum für eine aktive Neutralitätspolitik bekommen, die diesen Namen verdient, sehen wir als die Hauptaufgabe der österreichischen Friedensbewegung. Nur so kann Österreich auch im Israel-Palästina-Konflikt Teil der Lösung werden statt Teil des Problems zu sein.
(20.7.2014)

Quelle:
(1)
Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI); Waffenexporte 2001 – 2010, www.sipri.org
(2) siehe dazu auch das Positionspapier der Solidarwerkstatt "Kolonialismus und Ethnizismus überwinden!"