Hiroshima und Nagasaki sind und bleiben Mahnmale – solange es Massenvernichtungswaffen gibt. Die Sorge vor dem Einsatz von Atomwaffen begleitet uns seit zweieinhalb Jahren, als am 24. Februar 2022 der völkerrechtswidrige Krieg Russlands gegen die Ukraine begann, mehr als zuvor. Doch die nukleare Bedrohung war lange davor präsent und wird es bleiben, bis unser Ziel der Vernichtung aller Atomwaffen erreicht ist. Grußbotschaft der Solidarwerkstatt Österreich zum Gedenken an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki vor 79 Jahren.


An den unmittelbaren Folgen des damaligen Angriffs starben 300.000 Menschen, Hunderttausende leiden bis heute an den Spätfolgen. Heutige Atombomben haben ein Vielfaches der Zerstörungskraft. Wir können uns keine Wiederholung leisten. Hiroshima und Nagasaki leiteten den Beginn des nuklearen Wettrüstens zwischen Ost und West ein. Dieses war aber gleichzeitig auch ein Ansporn für die Arbeit der Friedensbewegung und der Anti-Atom-Bewegung. Die erzielten Fortschritte – Abrüstungsabkommen, der Atomwaffensperrvertrag etc. – müssen erhalten bleiben und dürfen nicht weiter aufs Spiel gesetzt werden.

In diesem Zusammenhang soll, besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um Sky Shield, daran erinnert werden, dass in der Zeit des Kalten Krieges auch die Verwendung von Raketenabwehrsystemen begrenzt wurde. Festgehalten wurde dies im ABM-Vertrag, den die USA im Jahr 2002 kündigten. Die damalige Überlegung ist auch auf heute und sämtliche Akteure anwendbar: Hat eine Konfliktpartei erst einmal ein (tatsächlich oder auch nur so empfundenes) perfektes Abwehrsystem, könnte ein Atomkrieg wieder geführt werden, da der zu erwartende Gegenschlag keine abschreckende Wirkung mehr hat. In diesem Sinn ist Sky Shield keineswegs defensiv orientiert, sondern der Einstieg in die Illusion vom gewinnbaren Atomkrieg. Die wiederholten Drohungen von Vertretern der russischen Föderation mit dem Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Krieg, die Angriffe der Ukraine auf russischen Radaranlagen, die Russland vor dem Angriff atomarer Langstreckenraketen der USA warnen sollen, die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland, mit denen Moskau in 10 Minuten erreicht kann, sowie die Ankündigung einer „symmetrischen Antwort“ durch Russland, das alles führt zu einer brandgefährlichen Spirale der Militarisierung und Gewalt.

Friedensinitiativen in der Ukraine…

Wohl noch nie waren neutrale Vermittler, die sich für Vermittlung und Deeskalation zwischen den Großmächten einsetzen so wichtig, um das Töten zu beenden und aus dieser Eskalationsspirale herauszuführen. Österreich muss diese Verantwortung als neutrale Staat wahrnehmen und sich für Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg einsetzen. Eine Verhandlungslösung, die sowohl den Abzug der russischen Truppen und die Souveränität der Ukraine als auch Sicherheitsgarantien für Russland und die Neutralität der Ukraine vorsieht, muss endlich wieder ernsthaft versucht werden. Das Zerreißen der Ukraine würde die Konfrontation perpetuieren und den Konflikt dauerhaft militarisieren, was nur im Interesse des militärisch-industriellen Komplexes sein kann. Eine sowohl souveräne wie neutrale Ukraine könnte dagegen auf Perspektive eine Brücke zwischen Ost und West sein. Das neutrale Österreich wäre prädestiniert, sich für eine solche Friedenslösung in der Ukraine einzusetzen. Doch Österreich schweigt.

… und Palästina

Auch im Nahen Osten wäre Österreich als Vermittler und Dialogstifter gefragt. Israels Krieg in Palästina sind schon über 39.000 Menschen zum Opfer gefallen, der Großteil Frauen und Kindern. Das renommierte Fachjournal für Allgemeinmedizin „The Lancet“ schätzt die Toten und Folgetoten dieses Krieges infolge der Zerstörung der gesamten zivilen Infrastruktur in Gaza auf „bis zu 186.000 und mehr“ ein. Doch statt sich für einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand und ein Ende des Apartheidregimes einzusetzen, unterhält Österreich ein „umfassendes strategisches Partnerschaftsabkommen“ mit Israel, das die Zusammenarbeit im Rüstungssektor und die Kooperation des österreichischen Bundesheer mit der israelischen Armee vorsieht. So will Österreich neue Pandurpanzer beschaffen, deren Kanone von Elbit, einem der größten israelische Rüstungskonzern, stammt.

Ausstieg aus der EU-Militarisierung

Das Versagen Österreichs in der Friedens- und Neutralitätspolitik ist eklatant, aber nicht zufällig. Um seine Rolle als aktiv neutrale Vermittler und Dialogstifter zurückgewinnen, muss sich Österreich aus der Unterordnung unter die EU befreien. Die Europäische Union ist und war nie eine „Friedensunion“, sondern ein imperialistisches Vehikel, um in der „Konkurrenz der großen Mächte“ (Von der Leyen) eine dominante Rolle zu spielen. Aufrüstung und Militarisierung stehen schon lange auf der Tagesordnung, haben sich aber enorm beschleunigt. Schon 2025 will sie eine neue EU-Eingreiftruppe Gewehr bei Fuß haben, um geopolitisch und geoökonomisch in Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten, bis hin zum Südchinesischer Meer militärisch intervenieren zu können. Mit dem „Strategischer Kompass“ hat die EU sich und den Mitgliedsstaaten ein beispielloses Aufrüstungsprogramm verordnet, das der EU-Militarisierung „einen Quantensprung“ verschaffen soll. EU-Industriekommissar Thierry Breton ruft auf, „auf einen Kriegswirtschaftsmodus umstellen“. Mit dem Mitmarschieren und Mitrüstungen in diesem imperialistischen Machtblock ist Neutralität und Friedenspolitik unverträglich.

Gerade im Hiroshimatag erneuern wir daher unsere Forderung, aus dieser EU-Militarisierung auszusteigen, insbesondere fordern wir:

  • Ausstieg aus der Aufrüstungspflicht und militärischen Beistandsverpflichtung des Artikel 42, EU-Vertrag
  • Ausstieg aus der Ständig Strukturierten Zusammenarbeit (EU-SSZ/Pesco), die zum Mitmarschieren bei EU-Militäreinsätzen verpflichtet und die Militärbudgets Jahr für Jahr in die Höhe schraubt.
  • Ausstieg aus dem „Strategischen Kompass“ der EU, v.a. Ausstieg aus der Schnellen Eingreiftruppe der EU, an der sich Österreich bereits 2025 mit einigen Hundert SoldatInnen beteiligen will; keine Teilnahme an Raketenabwehrsystem European Sky Shield.
  • Ausstieg aus den Gremien und Institution des EU-Militärpolitik (EU-Rüstungsamt, Politisches und sicherheitspolitisches Komitee, EU-Militärausschuss, EU-Militärstab)
  • Keine Einbeziehung Österreichs in den militärisch-industriellen Komplex der EU, keine Beteiligung an der Finanzierung des EU-Rüstungsfonds, der EU-Kriegskasse („Friedensfazilität“) und anderen Fonds zur Militarisierung der EU.
  • Eliminierung des Artikel 23j aus der österreichischen Bundesverfassung. Dieser Kriegsermächtigungsartikel ermöglicht die Teilnahme an EU-Militäreinsätzen auf der ganzen Welt, auch ohne UN-Mandat.
  • Neutralitätskonforme Novellierung des Kriegsmaterialgesetzes und anderer Gesetze; keine neutralitätswidrigen Truppen- und Kriegsmaterialtransporte durch Österreich, kein Aufenthalt von EU-/NATO-Truppen in Österreich
  • Keine Beteiligung an den Wirtschaftskriegen der EU, neutralitätskonforme Außen(wirtschafts)politik ohne doppelte Standards
  • Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag, der zur Förderung der Atomkraft dient; die zivile Nutzung ist ein siamesischer Zwilling der kriegerischen.

Kooperative Weltordnung

Dieser Ausstieg aus der EU-Militarisierung verschafft Österreich den Freiraum für eine unabhängige Außenpolitik, die auf Frieden, Vermittlung und Diplomatie setzt. Die Politik der Konfrontation, die Politik der Aufrüstung – allein auf die NATO-/EU-Staaten, die 10 Prozent der Weltbevölkerung stellen, entfallen mehr als die Hälfte der weltweiten Militärausgaben – führt uns an den Abgrund: Sie kostet uns jene Ressourcen, die wir für Klimaschutz und die Überwindung des Hungers brauchen, sie droht uns in eine – möglicherweise sogar atomare – Eskalation zu führen.

Wir brauchen eine kooperative Weltordnung, nur durch Zusammenarbeit und Frieden und nicht durch Konfrontation und Krieg können die großen Probleme der Menschheit gelöst werden. Es braucht den Druck einer starken internationalen Friedensbewegung und selbstbewusste neutrale Kleinstaaten wie Österreich, die Initiativen in diese Richtung setzen. Die Zeit drängt. Hiroshima und Nagasaki mahnen.

Vorstand der Solidarwerkstatt Österreich, 6.8.2024

www.hiroshima.at