Stellungnahme der Solidarwerkstatt Österreich zum 78. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki.



Hiroshima und Nagasaki sind und bleiben Mahnmale – solange es Massenvernichtungswaffen gibt. Die Sorge vor dem Einsatz von Atomwaffen begleitet uns seit eineinhalb Jahren, als am 24. Februar 2022 der völkerrechtswidrige Krieg Russlands gegen die Ukraine begann, mehr als zuvor. Doch die nukleare Bedrohung war lange davor präsent und wird es bleiben, bis unser Ziel der Vernichtung aller Atomwaffen erreicht ist.

An den unmittelbaren Folgen des damaligen Angriffs starben 300.000 Menschen, Hunderttausende leiden bis heute an den Spätfolgen. Heutige Atombomben haben ein Vielfaches der Zerstörungskraft. Wir können uns keine Wiederholung leisten. Hiroshima und Nagasaki leitete den Beginn des nuklearen Wettrüstens zwischen Ost und West ein, dieses war aber gleichzeitig auch ein Ansporn für die Arbeit der Anti-Atom-Bewegung und der Friedensbewegung. Die erzielten Fortschritte – Abrüstungsabkommen, der Atomwaffensperrvertrag etc. – müssen erhalten bleiben und dürfen nicht weiter aufs Spiel gesetzt werden. In diesem Zusammenhang soll, besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um Sky Shield, daran erinnert werden, dass in der Zeit des Kalten Krieges auch die Verwendung von Raketenabwehrsystemen begrenzt wurde. Festgehalten wurde dies im ABM-Vertrag, den die USA im Jahr 2002 kündigten. Die damalige Überlegung ist auch auf heute und sämtliche Akteure anwendbar: Hat eine Konfliktpartei erst einmal ein (tatsächlich oder auch nur so empfundenes) perfektes Abwehrsystem, könnte ein atomarer Erstschlag plötzlich vernünftig wirken. Denn der zu erwartende Gegenschlag hat dann keine abschreckende Wirkung mehr.

Aus Perspektive der Solidarwerkstatt bietet die österreichische Neutralität, wenn sie gewahrt und aktiv gelebt wird, Möglichkeiten für Friedensverhandlungen bewaffneten Konflikten – aktuell im Ukrainekrieg. Eine Verhandlungslösung, die sowohl den Abzug der russischen Truppen und die Souveränität der Ukraine als auch Sicherheitsgarantien für Russland vorsieht, muss endlich wieder ernsthaft versucht werden. Alles, was Österreich dafür tun kann, muss jetzt passieren. Um international glaubwürdig als neutraler Staat wahrgenommen zu werden, muss Österreich Abstand von der militärischen Kollaboration mit Blöcken wie der NATO nehmen – gleichermaßen wie von militärischen Ambitionen der EU. Das ist ein weiterer Grund gegen Sky Shield. Der stellvertretende NATO-Generalsekretär beschreibt Sky Shield wie folgt: „Die neuen Mittel fügen sich nahtlos in die Luftabwehr der NATO ein und werden unsere Fähigkeit, das Bündnis gegen alle Bedrohungen aus der Luft zu verteidigen, erheblich verbessern.“ (Profil online vom 8. Juli 2023)

Zugleich ist das European Sky Shield ein weiterer Baustein für den beschleunigten Aufbau einer imperialen EU-Militärmacht, wie sie im „Strategischen Kompass“ beschlossen wurde. Dieser "Strategische Kompass" sieht eine umfassende Kriegsfähigmachung der Europäischen Union vor, die von neuen EU-Eingreiftruppen bis zur milliardenschweren Aufrüstung am Boden, zur See, im Weltraum, Cyberspace und in der Luft - nicht zuletzt eben auch mit Raketenabwehrsystemen (unter dem Schlagwort „A2/AD“) - reicht.

Friedenspolitik nach außen verlangt auch Frieden im Inneren. Jede Investition in Aufrüstung, sei es im Allgemeinen die geplante Verdoppelung des Bundesheer-Budgets, seien es ganz konkret die zwei Milliarden (oder auch mehr), die Sky Shield kosten würde: all dies ist Geld, das im Sozialsystem, im Klimaschutz, bei der Gesundheit und bei anderem fehlt. Die Krisen unserer Zeit können nicht rein technologisch gelöst werden. Weder die Klimakrise, welche eine globale Kooperation und ein Ende des überbordenden Ressourcenverbrauchs verlangt, noch die aktuellen Kriege. Eine einigermaßen flächendeckende Raketenabwehr in Österreich ist selbst bei noch so hohen Anstrengungen unmöglich. Der Einsatz für die Stärkung des Völkerrechts, für Frieden, Klimaschutz und globale Gerechtigkeit hingegen kann jederzeit passieren und von uns allen ausgehen. Engagement für den Frieden war erfolgreich und wird es wieder sein. Eine friedensorientierte und neutrale Außenpolitik ist ebenfalls eine Sicherheitspolitik – allerdings mit einem anderen Verständnis von Sicherheit.

Dieses friedensorientierte Verständnis von Neutralität und Sicherheit ist unvereinbar mit dem Mitmarschieren Österreichs bei imperialen EU-Streitkräften und dem Mitrüsten im Rahmen des „Strategischen Kompasses“. Sie ist auch nicht vereinbar damit, über EURATOM die Atomlobby mitzufinanzieren, denn „zivile“ und kriegerische Nutzung der Atomenergie sind zwei Seiten einer Medaille.

Die Ziele des Hiroshima-Gedenkens – eine Welt ohne Atomwaffen, ohne AKWs und ohne Krieg – sind eine positive Perspektive, die wieder und wieder hochgehalten werden muss. Zivilgesellschaftliches Engagement und Bewusstsein ist entscheidend auf dem Weg dorthin. Dementsprechend relevant sind die wiederkehrenden Kundgebungen.

Vorstand der Solidarwerkstatt Österreich
2.8.2023

Weitere Hinweise siehe www.hiroshima.at