Angesichts des 75. Jahrestages der verheerenden Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki ruft die Solidarwerkstatt auf, für ein Österreich zu kämpfen, das Teil der Lösung und nicht Teil des Problems ist.

„Der Welt droht ein nukleares Wettrüsten“

Die globale Aufrüstung erreichte 2019 mit über 1,9 Billionen US-Dollar einen neuen Höhepunkt. Teil dieser Aufrüstung ist der Modernisierung der Atomwaffen. Zwar sinkt die Zahl der nuklearen Sprengköpfe, doch die Atommächte investieren Unsummen, um eine neue Generation nuklearer Waffensysteme, darunter Atomsprengköpfe, Raketen- und Flugzeugträgersysteme zu schmieden. „Der Welt droht ein neues nukleares Wettrüsten“, warnt das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI (1).

Bis zu 90 Millionen Tote bei „begrenztem Atomkrieg“ mit Mini-Nukes

So arbeiten die USA an der Entwicklung von „Mini-Atomwaffen“ mit einer Sprengkraft von unter 5 Kilotonnen, um – so eine streng geheime, „versehentlich“ an die Öffentlichkeit gelangte US-Doktrin -  „grundlegend das Ausmaß einer Schlacht (zu) verändern und Bedingungen (zu) schaffen, die beeinflussen, wie Kommandeure in einem Konflikt siegen werden.“ (2) Mit diesen „Mini-Nukes“ soll also ein „begrenzter Atomkrieg führbar“ gemacht werden. Mit bis zu 90 Millionen Toten rechnen Wissenschaftler des „Princeton’s Science and Global Security Lab“ (3) bei dieser Art von „begrenzter Atomkrieg“.

Auf dem Weg zur EU-Atombombe

Auch Frankreich, die drittgrößte globale Atomstreitmacht, arbeitet fieberhaft an der nuklearen Aufrüstung: Für mehr als 35 Milliarden Euro sollen die Sprengköpfe für U-Boote und Bomber der „Force de Frappe“ in den kommenden Jahren modernisiert werden. Die deutschen Machteliten orientieren bereits seit langen darauf, über die EU zur Atom(bomben)macht aufzusteigen, da ihnen der direkte Zugriff auf die Atombombe durch internationale Verträge verwehrt ist. Bereits 2003 regte der regierungsnahe Münchner Think Tank „Centrum für angewandte Politikforschung“ (CAP)  an, „Vereinte Europäische Strategische Streitkräfte“ mit Zugriff auf Atomwaffen aufzubauen, „um sich uneingeschränkt der Mittel internationaler Machtpolitik zu bedienen“ (4).

„Führende Militärmacht der Welt ohne nukleares backing schlechterdings nicht vorstellbar“

Trotz innerer Widersprüche schreitet die Militarisierung der EU voran. Die 2018 gestartete „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (EU-SSZ/Pesco) fordert nicht nur die ständige Erhöhung der Militärbudgets der SSZ-Staaten und deren Teilnahme an globalen EU-Militärmissionen, die EU-SSZ dient – so die damalige deutsche Verteidungsministerin und heute EU-Kommissionspräsidentin Ursula van der Leyen - auch als „ein weiterer Schritt in Richtung der Armee der Europäer“ (5), also einer imperialen Armee unter zentralem Brüsseler Kommando. Der französische Staatspräsident Macron hat im Februar 2020 in einer Grundsatzrede die EU-Staaten die „stabilisierende Tugend der Atomwaffen“ gelobt. In dieser Rede rief er die EU-Staaten zu einem „strategischen Dialog“ über die „Rolle der nuklearen Abschreckung Frankreichs“ auf und bot ihnen die Einbindung „in die Übungen der französischen Nuklearkräfte“ an (6). Tom Enders, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), machte sich umgehend dafür stark, dieses Angebot aufzugreifen: beginnend als „deutsch-französischen Nuklearkooperation“ und letztlich mit dem Ziel der gemeinsamen EU-Atombombe. Enders: „In konventioneller Hinsicht hat die EU mit ihren 450 Millionen Bürgern ohne Zweifel das Potenzial, eine der führenden Militärmächte der Welt zu werden. Allerdings ist der Aufbau einer schlagkräftigen Europäischen Verteidigungsunion ohne nukleares backing schlechterdings nicht vorstellbar“ (7). Die DGAP gilt als Sprachrohr des dEUtschen Militärisch-industriellen-Komplexes, finanziert wird sie vom deutschen Außenamt, der deutschen BANK-AG und dem größten EU-Rüstungskonzern Airbus, dessen Vorstandsvorsitzender DGAP-Präsident Tom Enders bis 2019 war.

Halbe Billionen für „Kampfflugzeug der 6. Generation“

Ein konkreter Schritt in die Richtung der deutsch-französischen Nuklearkooperation bahnt sich mit dem von Berlin und Paris initiierten gemeinsamen Bau des „Future Combat Arial Systems“ (FACS) an, eines „Kampfflugzeugs der 6. Generation“. Dieses FACS toppt mit prognostizierten Kosten bis zu einer halben Billionen Euro (!) nicht nur alle bisherigen EU-Rüstungsprojekte, es soll auch als zukünftiges Trägerflugzeug für Atomraketen dienen. Kofinanziert wird dieses deutsch-französische Kampfflugzeug aus den neu eingerichteten EU-Rüstungstöpfen, für die auch Österreich zahlt.

Österreichs Machteliten ordnet sich EU-Militarisierung unter…

Die UNO-Vollversammlung hat 2017 mit großer Mehrheit einen Atomwaffenverbotsvertrag beschlossen, der die Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz von Atomwaffen verbietet. Österreichs Außenpolitik hat sich um den Beschluss des Atomwaffenverbotsvertrags verdient gemacht. Doch diese Verdienste werden durch die laufende Unterordnung unter die EU-Militarisierung konterkariert, zum Beispiel

  • durch den Bereitschaftsdienst für die EU-Battegroups, der innerhalb weniger Tage – auf Zuruf des EU-Rats - in einen Kriegseinsatz in Afrika, im Nahen oder Mittleren Osten umschlagen kann, um dort gewaltsam den „Zugang zu natürlichen Rohstoffen“ und „freien Märkten“ zu erzwingen (EU-Globalstrategie, 2016).
  • durch die Teilnahme an der EU-SSZ/Pesco, zu der u.a. auch die Verpflichtung gehört, die österreichischen Verkehrswege „panzerfit“ zu machen, also mit enormen Geldaufwand so zu präparieren, dass schweres EU/NATO-Kriegsgerät zu Militäreinsätzen rasch Richtung Osten bzw. Süden rollen kann
  • durch die Unterordnung unter die konfrontative EU-Außenpolitik, die in vielfältiger Form die kriegerischen Eskalationen am Balkan, in Afghanistan, in Libyen, in Syrien, in der Ukraine usw. angeheizt und damit auch die nukleare Aufrüstung angekurbelt hat.
  • durch die Teilnahme an EU-FRONTEX-Einsätzen, die ein grausames, menschen- und völkerrechtswidriges Grenzregime an den EU-Außengrenzen befestigen, zehntausenden Flüchtlingen das Leben kosten und das Recht auf Asyl aushebeln.
  • durch die Teilnahme an EU- und NATO-Militäreinsätzen am Balkan, in Afghanistan und am afrikanischen Kontinent. Diese Einsätze sind keine „Friedensmissionen“, im Gegenteil: sie dienen geopolitischer Machtprojektion und neokolonialer Ausbeutung.
  • durch die Mitgliedschaft in EURATOM, wodurch Österreich Jahr für Jahr mit über hundert Millionen Euro die EU-Atomlobby fördert. Diese Förderung der „zivilen“ Nutzung der Atomenergie kann nicht von der militärischen losgelöst werden. So kommen etwas Wissenschaftler der Universität von Sussex (8) zu dem Ergebnis, dass der britische Atomreaktor Hinkley Point C, für den EU-Kommission und EuGH grünes Licht gegeben haben, weniger für die Energiegewinnung, sondern vor allem für die atombetriebenen U-Boote benötigt wird, die als Abschussbasis für die nuklearen Trident-Raketen dienen.

… und treiben diese an

Die EU-Militarisierung hat vor allem seit der Einrichtung der EU-SSZ wieder enorm an Dynamik gewonnen, doch der Aufbau zentraler EU-Streitkräfte ist bislang am Einstimmigkeitsprinzip in militärischen Fragen gescheitert. Die türkis-grüne Regierung hat nun in ihrem Regierungsprogramm festgeschrieben, sich für die Beseitigung dieser Einstimmigkeit auf EU-Ebene einzusetzen. Damit würde jede Form einer unabhängigen Außen- und Sicherheitspolitik – die Grundvoraussetzung für die Neutralität! – über Bord geworfen. Damit geht die türkis-grüne Regierung weiter in Richtung Militarisierung und Zerstörung der österreichischen Neutralität und Unabhängigkeit als jede vorherige! Die Nebelgranaten, die Verteidigungsministerin Tanner derzeit rund um das Bundesheer zündet, dienen als Ablenkung von diesem Skandal.

Unterstützt wird diese verfassungswidrige Regierungspolitik durch Bundespräsident Van der Bellen. Eine seiner ersten Amtshandlungen war die öffentliche Unterstützung der Lubljana-Initiative (9) für eine neue EU-Verfassung. Dieser Verfassungsentwurf sieht eine EU-Armee „bestehend aus einem EU-Heer, EU-See- und Luftstreitkräften“ vor, die global „im Anti-Terrorkampf“ eingesetzt werden soll. Des Weiteren soll die EU die „ausschließliche Kompetenz“ im Bereich der Atomenergie erhalten, ua mit folgende Zielen: „Förderung der Atomforschung“, „Investitionen und Betriebsstätten für Basiseinrichtungen, die für die Entwicklung der Atomenergie in der EU notwendig sind“„regelmäßige und angemessene Versorgung mit Erzen und Nukleartreibstoff“. Auch das „Recht auf Eigentümerschaft in Bezug auf besondere Spaltstoffe“ soll auf die EU übergehen. Offensichtlich steht hinter der geschichtsvergessenen Polemik des Bundespräsidenten gegen die „österreichische Kleinstaaterei“ das Bedürfnis, Österreich in ein militärisch hochgerüstetes, atomares EU-Imperium einzugliedern.

Teil der Lösung statt Teil des Problems!

75 Jahre nach den Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki und 75 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs ruft die Solidarwerkstatt Österreich daher dazu auf, Widerstand gegen diese gefährliche Politik des österreichischen Establishments zu leisten. Wir treten für ein unabhängiges und neutrales Österreich ein, das sich für internationale Solidarität und faire Handelsbeziehungen stark macht, statt bei EU-Kriegseinsätzen zur Durchsetzung neoliberalen Freihandelsverträge mitzumarschieren. Wir treten für eine glaubwürdige Anti-Atompolitik Österreichs ein, die sich international für die Beseitigung aller Atomwaffen und den Ausstieg aus der Atomenergie engagiert, statt beim Aufbau einer atomaren EU-Großmachtsarmee mitzumachen und die EU-Atomlobby mitzufinanzieren. Wir treten für ein weltoffenes Österreich ein, dass sich für Dialog und friedliche Konfliktbeilegung engagiert, statt im Rahmen des EU-Regimes die Spaltungen und Konfrontationen innerhalb- und außerhalb Europas anzuheizen.

Kämpfen wir ein Österreich, das - angesichts der vielfältigen globalen Herausforderungen - Teil der Lösung und nicht Teil des Problems ist!

Quellen:

>>> Aktionen der Friedensbewegung anlässlich des 75. Jahrestages der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki siehe www.hiroshima.at