Am 6. und 9. August jähren sich die Atombomben-Abwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zum 68. Mal. Aus diesem Anlass fordert die Solidarwerkstatt Österreich:
- den sofortigen Austritt Österreichs aus dem EURATOM-Vertrag!
- ein Ende der Unterordnung Österreichs unter die EU-Militarisierung!
- die Ächtung des Einsatzes von Waffen aus abgereichertem Uran!
Am 6. und 9. August jähren sich die Atombomben-Abwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zum 68. Mal. Hunderttausende Menschen wurden dabei getötet oder schwer verletzt, zwei Städte fast vollständig zerstört und die Gebiete rund um Hiroshima und Nagasaki radioaktiv verseucht. Seit Jahrzehnten leiden die Überlebenden (japanisch: „Hibakusha“) an ihren Verletzungen, an Folgekrankheiten und seelischen Nöten. Bis heute erkranken Überlebende der Atombomben-Abwürfe an Krebs und sterben daran.
68 Jahre danach ist die Bedrohung durch Atomwaffen nach wie vor aktuell. Die Sprengkraft der bis heute verbliebenen 17.000 Atomwaffen würde ausreichen, das Leben auf dieser Welt mehrfach auszulöschen. Und die Lage wird immer unübersichtlicher: Neben den bisherigen Atomwaffen-Staaten (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Israel, Indien und Pakistan) greifen immer mehr Staaten und nicht-staatliche Akteure nach dieser Massenvernichtungswaffe.
Auf dem Weg zur EU-Atombombe
Auch in Europa wird die atomare Aufrüstung vorangetrieben. Großbritannien hat die milliardenschwere Modernisierung seines Atomwaffenarsenals eingeleitet. Frankreich investiert schon länger massiv in die Entwicklung neuer atomarer Lang- und Mittelstreckenraketen. Außerdem will Frankreich - ähnlich wie die USA - sogenannte „Mini-Nukes“. Mit diesen sog. „Mini-Atombomben“ (die immerhin ein Drittel der Sprengkraft der Hiroshima-Bombe haben) soll ein Atomkrieg gegen sog. „Schurkenstaaten“ wieder führbar werden, wie der frühere französische Staatspräsident Chirac vor einigen Jahre in einer Rede öffentlich angedroht hat. 2010 unterzeichneten die französische und die britische Regierung einen Vertrag zum gemeinsamen Testen und Erforschung von Atomwaffen – mit einer Laufzeit von 50 Jahren.
Die deutschen Machteliten setzen vor allem auf die „Europäisierung“ der Atomwaffen, um selbst Zugriff auf Massenvernichtungswaffen zu erlangen. In einem Papier des Centrums für Angewandte Politikforschung, eines führenden Beratungsinstitut der deutschen Regierung, heißt es über die Zukunft der EU: „Der Aufbau der Vereinten Europäischen Strategischen Streitkräfte, die sich unter einem gemeinsamen europäischen Oberkommando des Atomwaffenpotenzials Frankreichs und Großbritanniens bedienen können, wird die internationale Rolle der EU verändern. ... Die Supermacht Europa verabschiedet sich endgültig von der Idee einer Zivilmacht und bedient sich uneingeschränkt der Mittel internationaler Machtpolitik.“ (Zukunft Europas, Mai 2003, CAP). Der Aufbau eines „Euro-Militärs“ bis 2025, wo die Streitkräfte der EU-Staaten „unter einer EU-weiten Streitkräftestruktur“ zusammengefasst werden, ist auch das erklärte Ziel des vor kurzem eines von der EU-Agentur ISS publizierten Strategiepapiers zur Vorbereitung des EU-Rüstungsgipfels im Dezember 2013. Ziel dieses „Euro-Militärs“: „Durchführung anspruchsvollster Militäroperationen“ in einem „Raum privilegierten EU-Interesses“, der vom EU-ISS folgendermaßen umrissen wird: „Östliche und südliche Nachbarschaft, die Nachbarn der Nachbarn (von Mali bis Somalia, vom Golf bis Zentralasien), die zentralen Seewege im Indo-Pazifik (von Suez bis Shanghai) und der erweiterte Norden (Arktis und ihr Umfeld.“ (EU-ISS, Mai 2013).
“Vielleicht als erster Atomwaffen einsetzen”
Die USA planen, laut eines Reports des British American Security Information Council (BASIC), rund 700 Milliarden Dollar in ihr Atomwaffenarsenal bis 2021 zu pumpen. Erschreckendes Resümee des BASIC-Berichts: „Was auch immer die gegenwärtige globale Rhetorik über atomare Abrüstungen behauptet, die Fakten weisen auf eine neue Ära der Modernisierung des Wachstums der Atomwaffen hin“ (BASIC, November 2011). Das von USA und EU-Staaten im Rahmen der NATO gemeinsam geplante „Raketenabwehrschild“ dient offensichtlich dazu, einen nuklearen Erstschlag gegen Länder wie Russland führen zu können, indem die Zweitschlagsfähigkeit des Gegners neutralisiert wird. Anfang 2008 publizierten fünf hochrangige ehemalige NATO- und EU-Generäle, ein Strategiepapier, in dem atomare Erstschläge als Bestandteil von EU-und US-Politik proklamiert werden: "Der Ersteinsatz von Atomwaffen muss im Köcher der Eskalation bleiben ... Ein solches Konzept erfordert Eskalationsdominanz, die das volle Arsenal von Zuckerbrot und Peitsche nutzt - und zwar tatsächlich alle Instrumente der weichen und harten Macht, die von diplomatischen Protesten bis hin zum Einsatz von Atomwaffen reicht." (Towards a Grand Strategy in an Uncertain World, CSIS, Lunteren, 2007).
Robert Cooper, damals Generaldirektor für außenpolitische Angelegenheit der EU, signalisierte Zustimmung zu diesem Vorstoß der Generäle: "Vielleicht werden wir eher als alle anderen Atomwaffen einsetzen, aber ich würde mich hüten, das laut zu sagen." (zit. nach Guardian, 22.1.2008).[siehe dazu ausführlicher hier ]
Schleichende atomare Vergiftung durch DU-Munition
Für viele Menschen ist die schleichende radioaktive Vergiftung schon seit vielen Jahren Realität. Denn die westlichen Streitmächte setzten bei ihren Kriegen gegen Irak, Afghanistan und Jugoslawien Bomben aus abgereichertem Uran (DU) ein, um besonders hohe Durchschlagskraft zu erreichen. Die Folgen: Große Gebiete in den bombardierten Gebieten sind auf Jahrzehnte radioaktiv verseucht, die Krebsraten und Missbildungen von Neugeborenen gehen sprunghaft in die Höhe. Es gibt eine Reihe von Hinweisen, dass die NATO auch beim Krieg gegen Libyen diese verbrecherische Uran-Munition eingesetzt hat – zum vorgeblichen „Schutz der Zivilbevölkerung“, was für ein bodenloser Zynismus! Anlässlich des Hiroshima-Tages fordern wir daher erneut: Die DU-Munition muss geächtet werden! Die Kriegstreiberei gegen Syrien muss sofort beendet werden, um dieses grausame Verbrechen, wie zuletzt in Libyen, nie mehr zu wiederholen.
EURATOM-Mitgliedschaft = 100 Millionen jährlich für Atomwirtschaft
In Österreich ist sowohl die zivile als auch die militärische Nutzung der Atomenergie verfassungsmäßig untersagt (Atomsperrgesetz bzw. seit 1999 „Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich“), denn diese sind in der Praxis siamesische Zwillinge. Über die EU-Ebene werden diese Verpflichtungen jedoch ständig ausgehöhlt. Österreich ist Mitglied bei EURATOM, dessen Ziel es ist, „die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen“. Die Ankündigungen der Regierung nach der Atomkatastrophe von Fukushima, den EURATOM-Vertrag von einem Atomfördervertrag zu einem Vertrag zum Ausstieg aus der Atomenergie umzuwandeln, haben sich angesichts der Übermacht der EU-Atomlobby als leeres Lippenbekenntnis herausgestellt. Die EU-Kommission geht bereits wieder in die Atom-Offensive. Von der Kommission vorgeschlagene Szenarien sehen den Neubau von 40 Atomkraftwerken bis 2030 vor.
Das „Anti-Atomland“ Österreich finanziert über EURATOM jährlich mit bis zu 100 Millionen Euro die EU-Atomindustrie. Über die Einbindung Österreichs in die EU-Militarisierung droht auch das Verbot der militärischen Nutzung zunehmend zur Makulatur zu verkommen. Das österreichische Verteidigungsministerium unterstützt offensichtlich die deutsche Linie einer eigenen EU-Atombombe. Im Jahr 2006 forderte einer der (damals) ranghöchsten Beamten im Verteidigungsministerium, Erich Reiter, die „Europäisierung der Atomwaffen“ und stellte fest: „Ja, Europa braucht atomare Abschreckung. Es muss bereit sein, die Atombombe auch einzusetzen“ (News, 06/2006). Die Anfang Juli 2013 im österreichischen Nationalrat beschlossene neue österreichische Sicherheitsstrategie fordert die Teilnahme Österreichs an der EU-Militärpolitik „in all ihren Dimensionen“.
Für Neutralität und Anti-Atompolitik!
Österreich muss wieder zu einer entschiedenen Anti-Atom-Politik zurückfinden und seine verfassungsmäßigen Verpflichtungen erfüllen. Das erfordert den sofortigen Austritt aus EURATOM und ein Ende der Unterordnung unter die EU-Militarisierung. Der im Jahr 2009 in Kraft getretene EU-Reformvertrag verpflichtet die EU-Staaten zur dauerhaften militärischen Aufrüstung und gibt dem EU-Ministerrat ein Mandat für weltweite Militäreinsätze bei der sog. „Bekämpfung des Terrorismus“. Österreich beteiligte sich an den EU-Schlachtgruppen („battle groups“), die für Kriegseinsätze in den rohstoffreichen Regionen von Zentralafrika bis zum Südkaukasus aufgestellt werden. Österreich unterstützte Angriffskriege mit Durchmarsch- und Überflugsgenehmigungen; beim Krieg gegen Libyen standen bereits österreichischer EU-Kampftruppen Gewehr bei Fuß; das Bundesheer beteiligt sich durch die Entsendung von acht Soldaten an der Intervention in Mali, wo der Zusammenhang mit der Atompolitik besonders deutlich zutage tritt. Denn einer der Hauptgründe für die französische geführte Intervention in Mali ist die Absicherung des Uranabbaus in der Region. Der französische Atomkonzern AREVA betreibt im Nachbarland Niger seit Jahrzehnten den ertragreichsten, billigsten Uranabbau.
Das alles ist mit unserer Neutralität nicht vereinbar, die Österreich die Teilnahme an Kriegen und an Organisationen, die der Vorbereitung und Führung von Kriegen dienen, verbietet.
Anlässlich des Hiroshima-Gedenktages fordert die Solidar-Werkstatt daher: Statt bei EU-Kriegseinsätzen mitzumarschieren und EURATOM mitzufinanzieren, soll Österreich eine glaubwürdige Anti-Atom- und Neutralitätspolitik betreiben, die internationale Initiativen für Abrüstung, friedliche Konfliktlösung und die weltweite Vernichtung aller Atomwaffen setzt.
Solidar-Werkstatt Österreich, Juli 2013
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Aktionen zum Gedenken der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki siehe auf http://www.hiroshima.at/