Am 22.12.2023 fand in Linz eine Friedenskundgebung am Linzer Schillerpark statt, veranstaltet von der Initiative Frieden für Palästina und der Palästina Solidarität Linz. Das Motto: "Frieden für Palästina - Waffenstillstand sofort!" Es gab eine Reihe von Reden aus verschiedenen politischen Zugängen. Hier die Rede von Gerald Oberansmayr (Solidarwerkstatt Österreich) bei dieser Kundgebung.


Liebe Freundinnen und Freunde,

drei Botschaften sind mir heute besonders wichtig:

Erstens: WIR MÜSSEN RAUS AUS DER GEWALTSPIRALE!

Konkret heißt das: Kein Verbrechen an der Zivilbevölkerung rechtfertigt ein anderes Verbrechen an der Zivilbevölkerung. Die Unterdrückung durch die israelische Besatzungsmacht, der bereits vor dem derzeitigen Kreig in diesem Jahrhundert über 10.000 PalästinenserInnen zum Opfer fielen, rechtfertigt nicht das Verbrechen vom 7. Oktober 2023, dem 1.200 Israelis zum Opfer fielen. Dieser Angriff rechtfertigt nicht den verbrecherischen Bombenkrieg der israelischen Armee, dem mittlerweile über 20.000 Menschen in Gaza, darunter mehr als ein Drittel Kinder, zum Opfer fielen.

Es wäre schon schlimm genug, wenn es sog. „Kollateralopfer“ wären, wie es oft zynisch im Militärjargon heißt. Aber schlimmer noch, diese Ziviltoten sind bewusste Politik des israelischen Machtapparats: Laut Information von US-Geheimdiensten sind fast 50% alles israelischen Bomben sog. ungelenkte Bomben, die wahllos zerstören und killen. Und das mit voller Absicht. Ich zitiere Generalmajor a.D. Giora Eiland, zuvor Leiter der Operationsabteilung und des Nationalen Sicherheitsrates, der in einem Artikel am 19. November sagt: „Wir dürfen nicht, einfach nicht, das amerikanische Narrativ übernehmen, das uns die 'Erlaubnis' gibt, nur die Hamas-Kämpfer zu bekämpfen, anstatt das Richtige zu tun - nämlich das gegnerische System in seiner Gesamtheit zu bekämpfen, denn gerade der Zusammenbruch der Zivilbevölkerung wird das Ende des Krieges näher bringen."

Das ist die zynische Sprache einer verbrecherischen Politik. Die Unzahl an Ziviltoten, der Zusammenbruch des Gesundheitssystems und der Lebensmittelversorgung, die ganze humanitäre Katastrophe ist die eigentliche Absicht dieses Krieges. Auch israelische Friedensgruppen sagen daher klar: Das verstößt gegen das humanitäre Völkerrecht, das ist ein Kriegsverbrechen! Daher muss unsere Forderung sein: sofortiger und dauerhafter Waffenstillstand!

Zweitens: ÖSTERREICH MUSS SOFORT SEINE POLITISCHE UND MILITÄRISCHE KOLLABORATION BEI DIESEM KRIEGSVERBRECHEN IN PALÄSTINA BEENDEN!

Die österreichische Regierung kollaboriert politisch bei dieser verbrecherischen, völkerrechtswidrigen Politik, indem sie auf UN-Ebene bereits zwei Mal gegen die Forderung einer humanitären Waffenruhe gestimmt hat.

Und – das ist noch immer wenigen Menschen bewusst – sie kollaboriert bereits seit vielen Jahren mit den israelischen Streitkräften und der israelischen Rüstungsindustrie. Seit 2008 unterhält das österreichische Bundesheer ein Kooperationsabkommen mit den Israelischen Streitkräften. Offiziell geht es dabei um Kooperation bei der Ausbildung von Streitkräften. 2016 wurde diese Zusammenarbeit durch ein Militärabkommen zwischen Österreich und Israel vertieft. Der damalige Verteidigungsminister Doskozil begründete dieses Militärabkommen mit dem „irrsinnigen Know-How Israels“ beim „Anti-Terrorkampf“.

Unter der schwarz-blauen Regierung Kurz-Strache wurde schließlich ein „umfassendes strategisches Partnerschaftsabkommen“ mit Israel eingefädelt, das unter der schwarz-grünen Regierung schließlich unterzeichnet wurde. Kanzler Nehammer begründet das damit, „dass Israel eine hohe militärische Kompetenz und eine sehr effiziente Rüstungsindustrie besitze… Schon jetzt gibt es eine Kooperation mit Israel auf dem Rüstungssektor. Besonderes Interesse besteht an Drohnen und die Abwehr von Raketen und anderen Geschossen.“ Mit dem Beitritt zum Raketenabwehrsystem Sky Shield wird das konkret. So sollen unter anderem israelische Arrow-Raketen an Österreich geliefert werden.

Ich sage dazu klar: Mit Staaten, die verbrecherische, völkerrechtswidrige Kriege führen, militärisch zu kollaborieren, ist selbst ein Verbrechen. Das ist nicht nur völlig amoralisch, das verstößt auch gegen die österreichische Neutralität. Werden wir daher nicht müde, zu fordern: Stopp der militärischen Kollaboration mit Israel. Kehren wir zurück zu einer Kreiskyschen Außenpolitik der aktiven Friedens- und Neutralitätspolitik, die sich auf diplomatischen Weg für Verhandlungen und die Vermittlung von Friedensgesprächen engagiert statt Beihilfe zu Kriegsverbrechen zu leisten.

Drittens: FRIEDEN BRAUCHT GERECHTIGKEIT.

Ein nachhaltiger Friede in der historischen Region Palästina „between the river an the sea“ erfordert ein Ende der „strukturellen Gewalt“. Was heißt das? Das bedeutet ein Ende von Besatzung, Landraub, Vertreibung und einem System der Apartheid, das PalästinenserInnen fundamentale Menschen- und Bürgerrechte vorenthält. Aber machen wir es uns nicht zu einfach. Auch Jüdinnen und Juden sind Opfer dieser Politik. Denn diese „strukturelle Gewalt“ im Nahen Osten umfasst auch, dass das zionistische Israel von Anfang an als imperialer Außenposten westlicher Großmächte instrumentalisiert wurde, um ihre geopolitischen und geoökonomischen Interessen in dieser strategisch wichtigen Region durchzusetzen. Das waren zunächst vor allem Großbritannien und Frankreich, dann und bis heute die USA und nun zunehmend mehr Deutschland. Für die deutschen Machteliten hat das eine besondere Bedeutung: Nicht nur, dass das unfassbare NS-Verbrechen des Holocausts auf die Palästinenser projiziert wird. Wir erleben außerdem seit Jahren eine wechselseitige Instrumentalisierung der besonders schaurigen Art: Eine rechtsaußen Regierung in Israel spricht Deutschland von der Last des Holocausts frei, damit Berlin ohne die verbrecherische Bürde des 20. Jahrhunderts wieder militärische Großmachtspolitik im 21. Jahrhundert betreiben zu können; Deutschland verspricht im Gegenzug – und unter Verweis auf die besondere Verantwortung Deutschlands – der Apartheidspolitik der israelischen Machteliten Schutz und Beistand angesichts einer erlahmenden US-Dominanz in Nahost. Im Jahr 2022 lagen die Waffenexporte Deutschlands an Israel bereits fast gleichauf mit denen der USA. Schon 2025 soll eine 5.000 Mann starke EU-Eingreiftruppe unter deutsche Führung bereitstehen, um erklärtermaßen in „Nord- und Zentralafrika, im Nahen und Mittleren Osten“ militärisch zu intervenieren.

Teile und herrsche war schon immer Mittel imperialer Politik. Die Opfer dieser Politik sind alle Menschen in der Region „between the river and the sea“, AraberInnen und JüdInnen. Das heißt auch umgekehrt: Je mehr es gelingt, diesen Konflikt nicht als ethnischen oder religiösen Konflikt zu begreifen, sondern als Ringen um Befreiung und Gleichheit aller dort lebenden Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft und Religion, desto eher kann es gelingen, den Einfluss und die Instrumentalisierung durch imperiale Großmächte zurückzudrängen. In diesem Sinne: „From the river to the sea all people will be free!“

(22.12.2023, Linz)

Hinweis:
Solidarwerkstatt-Dossier zum Krieg in Palästina
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