ImageDer Amstettner Betriebsseelsorger Kaplan Franz Sieder feierte am Sonntag, 12. April 2015 einen Friedensgottesdienst im Wiener Stephansdom. Der Gottesdienst wurde von Pax Christi und der ökumenischen Aktionsgemeinschaft Christinnen und Christen für die Friedensbewegung organisiert.


Das Werden einer gerechteren und friedlicheren Welt. Predigt von Franz Sieder beim Gottesdienst am Sonntag 12. April 2015 im Wiener Stephansdom

Die Botschaft von Ostern hat drei Dimensionen: Die erste Dimension ist die Auferstehung von Jesus. Jesus hat durch seine Auferstehung am stärksten seine Göttlichkeit bezeugt. Wenn Jesus nicht vom Tod auferstanden wäre, dann wäre er auch heute nach 2000 Jahren längst vergessen. Die Auferstehung Jesus ist das Zentrum unseres Glaubens.

Die zweite Dimension der österlichen Botschaft ist unsere eigene Auferstehung. Der heilige Paulus sagt es in seinem Brief an die Korinther: „Wenn Christus auferstanden ist, dann werden auch wir auferstehen zu einem neuen Leben.“ Seine Auferstehung ist auch die
Garantie dafür, dass unser Leben nicht im Nichts endet, sondern dass seine Verheißungen wahr sind und er hat uns verheißen: „Ich gehe heim zu meinem und zu eurem Vater, um euch eine Wohnung zu bereiten, damit wo ich bin, auch ihr einmal sein sollt.“ Das heutige Evangelium mit dem zweifelnden Thomas sagt uns, dass sich auch in unserem Osterglauben Zweifel einschleichen können. Auch wir sind manchmal zweifelnde Thomase. Diese Zweifel machen uns aber noch nicht ungläubig. Der Theologe Romano Guardini sagte: „Glauben heißt, seine Zweifel auch ertragen können.“ Die Botschaft Jesu sagt uns auch, dass am Ende unseres Lebens vor Gott nicht das entscheidende Kriterium darin besteht, ob er unser Leben annimmt oder nicht – das Fürwahrhalten der Glaubenswahrheiten ist – wir dürfen am Ende auch als zweifelnder Thomas vor Gott hintreten.

Was aber dann vor Gott wichtig ist, das ist die dritte Dimension des Osterglaubens. Die dritte Dimension heißt, dass es auch Auferstehung hier auf unserer Welt gibt und dass wir bei diesem Auferstehungsprozess mitarbeiten sollen. Über diese unsere Mitarbeit oder Nichtmitarbeit müssen wir einmal Rechenschaft ablegen, wenn unser Leben zu Ende geht. Jesus sagt uns in seiner Weltgerichtsrede, dass Gott uns dann fragt, ob wir den Hungrigen zu essen gegeben haben oder ob wir Egoisten waren – ob wir ein Herz für die Fremden und Ausländer / Ausländerinnen gehabt haben oder ob wir Ausländerhasser gewesen sind. Jesus hat uns klar und unmissverständlich gesagt, dass unsere erste Aufgabe hier auf dieser Welt ist, dass wir bereit sind, mitzuarbeiten am Werden des Reiches Gottes hier auf Erden – und das ist nichts anderes als bereit zu sein zur Mitarbeit, dass unsere Welt in all ihren Bereichen menschlicher, gerechter und friedlicher wird. Das ist die entscheidende Berufung, die jeder Mensch von Gott hat.

Auch wenn wir noch so viel Ungerechtigkeit begegnen, so gibt es doch einen Wachstumsprozess, was Gerechtigkeit und Frieden angelangt. Ich bin Arbeiter- und Betriebsseelsorger und ich erlebe in der Arbeitswelt, dass durch die Gewerkschaft vieles menschlicher geworden ist. Auch durch Parteien, die nicht den Reichen zuarbeiten, ist politisch ein soziales Netz geknüpft worden. Ich arbeite auch als Friedensaktivist bei den Christinnen und Christen für die Friedensbewegung und bei Pax Christi mit. Wir wissen alle, dass es weltweit noch viele Ungerechtigkeiten und auch militärische Konflikte gibt – aber es ist positiv und nicht selbstverständlich, dass Angriffs- und Eroberungskriege heute weltweit geächtet werden. Ein Napoleon wurde noch für seine Eroberungskriege bewundert und als großer Held verehrt. Wir sollen auch einen Blick bekommen für das Wachsen des Reiches Gottes in unserer Welt. Dort wo Menschen sich einsetzen für Gerechtigkeit und Frieden, dort wirkt Gott mit an diesem Prozess der Auferstehung.

Die Kirche tut heute sehr viel, wenn es darum geht, den Armen zu helfen und Caritas zu üben. Caritas und Almosen sind aber zu wenig, um eine gerechtere Welt herbeizuführen und allen Menschen unserer Erde ein gutes und menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Ich muss leider hier auch zugeben, dass die Kirche immer stark war in der Caritas, dass sie aber schwach war in der Gerechtigkeit. Gerechtigkeit hängt immer mit den Strukturen zusammen, besonders mit den Wirtschaftsstrukturen. Gerechtigkeit ist in Strukturen gegossene Liebe. Die Armut kann nicht vorrangig mit Almosen bekämpft werden. Wir müssen auf der Welt Wirtschaftsstrukturen schaffen, wo die Kluft zwischen Arm und Reich nicht mehr auseinander geht, wo ein gutes Leben für alle Menschen unserer Erde möglich wird.

Momentan gibt es diese Strukturen nicht, weil die Strukturen der neoliberalen Wirtschaft nicht das Wohl des Menschen im Blickpunkt haben, sondern nur die Profitmaximierung. In der Wirtschaft steht nicht der Mensch im Mittelpunkt und darum hat Papst Franziskus Recht, wenn er sagt, dass diese Wirtschaft tötet. Es müssen durch die Politik Strukturen und Regeln geschaffen werden, die eine permanente, eine nachhaltige Umverteilung von Reich zu Arm möglich machen. Wir brauchen eine Dominanz der Politik über die Wirtschaft und nicht umgekehrt. Wir brauchen aber auch eine Politik, die eine klare Option für die Schwachen und Zukurzgekommenen hat. Die Politik ist ungeheuer wichtig, wenn es um Gerechtigkeit und die Bekämpfung der Armut geht. Die Politik ist die effizienteste Form der Nächstenliebe.

Unser momentanes neoliberales Wirtschaftssystem produziert jedes Jahr Millionen von Hungertoten. Der Hunger und die Armut sind kein Schicksal, sondern der Hunger wird gemacht durch ein verbrecherisches System, dass es möglich macht, dass die Reichen immer noch reicher und die Armen immer noch ärmer werden. Ich verurteile nicht einen Bill Gates oder einen Dietrich Mateschitz, weil sie Millionäre sind, aber ich verurteile das System, das es möglich macht und zulässt, dass sie so reich werden. Bert Brecht hat Recht mit seinen Ausspruch: „Wärst du nicht reich, wär ich nicht arm.“ Reichtum und Armut hängen zusammen. Für mich ist auch der Satz unbefriedigend: „Es wäre genug für alle da, wenn es die Gier der Reichen nicht gäbe.“ Wir haben politisch die Möglichkeit, die Gier der Reichen zu zügeln. Steuergerechtigkeit und Umverteilung sind ein Gebot des Evangeliums. Solange es diese eklatante Ungerechtigkeit in der Verteilung der Güter gibt und solange die Schere zwischen Arm und Reich nicht geschlossen wird, wird es auch keinen dauerhaften Frieden auf unserer Welt geben.

Der heilige Ambrosius sagte schon im 4. Jahrhundert nach Christus: „Es ist nicht dein Gut, mit dem du dich den Armen gegenüber großzügig erweist. Du gibst ihnen nur zurück, was ihnen gehört und was zur allgemeinen Nutzung bestimmt ist. Die Erde ist für alle da, nicht nur für die Reichen.“

Das Werden des Reiches Gottes – das Werden einer gerechteren und friedlicheren Welt – das ist der Prozess der Auferstehung hier auf Erden. Dass dieser Prozess sehr langsam vor sich geht, daran ist nicht Gott schuld, sondern die Gleichgültigkeit der Menschen. Papst Franziskus sprach von einer Globalisierung der Gleichgültigkeit. Wir dürfen nicht Zuschauerinnen und Zuschauer spielen im Weltgeschehen. Es ist auch zu wenig nur Caritas zu üben – wir müssen auch Kämpferinnen und Kämpfer für Gerechtigkeit werden.

Buchtipp:
"Gegen den Strom" - Politische Reden und Predigten von Franz Sieder (Band 3)
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