Bomben schaffen keinen Frieden!Ein explosives Mail an die US-Außenministerin Hillary Clinton gibt Einblick in die Hintergründe für den verbrecherischen Bombenkrieg gegen Libyen im Jahr 2011.

 

Anfang 2011 drängte vor allem Frankreich, gemeinsam mit Großbritannien und den USA auf den Krieg gegen den libyschen Machthaber Gadaffi. Der UNO-Sicherheitsrat wurde unter dem Vorwand, bloß eine „Flugverbotszone“ einrichten zu wollen, düpiert. Eine libysche Flugabwehr existierte nach drei Tagen nicht mehr. Gebombt wurde noch weitere 8 ½ Monate, in denen die NATO 26.300 Angriffseinsätze flog.

Angst vor Verlust der neokolonialen Vorherrschaft in den frankophonen Staaten Afrikas

Was trieb die Großmächte zu einem derartigen Furor gegen das Ghaddafi-Regime? Es ist dem „schlampigen“ Umgang der US-Außenministerin Hillary Clinton mit ihrer Mailkommunikation zu verdanken, dass dadurch nun ein Mail an die Öffentlichkeit gelangte, das die geopolitischen und wirtschaftlichen Motive der Aggressoren beim Namen nennt. Die explosive E-Mail datiert auf den 2. April 2011 und stammt von Sidney Blumenthal, einem langjährigen engen Vertrauten Clintons, der sich als Lobbyist und „Informationsvermittler“ zwischen Politikern, Geheimdienstlern und Konzernchefs einen Namen gemacht hat. In seinem Schreiben führt Blumenthal aus, dass „Gaddafis Regierung über 143 Tonnen an Goldreserven und eine ähnliche Menge an Silber im eigenen Land verfügt“. Das Gold sei angehäuft worden „mit dem Zweck, eine gesamtafrikanische Währung aufzubauen, und zwar auf der Grundlage eines mit Gold gedeckten libyschen Dinar“. Dieser Plan sei entwickelt worden, „um den frankophonen afrikanischen Ländern eine Alternative zum französischen Franc (CFA) zu bieten“. Um eben dies zu verhindern, hätten die Franzosen den Krieg gegen Libyen begonnen, denn auf der Franc-Abhängigkeit beruht maßgeblich der neokoloniale Einfluss Frankreichs in vielen westafrikanischen Staaten, einschließlich der Kontrolle über Uranminen, von denen das zivile und militärische Atomprogramm Frankreichs abhängig ist.

Der Nachricht über Libyens Vorhaben, Afrika von dieser neokoloniale Unterdrückung zu befreien, folgt Blumenthals Einschätzung an Clinton: »Französische Geheimdienstler entdeckten diesen Plan, kurz nachdem die Rebellion begonnen hatte. Laut gut informierten Personen wird Gaddafis Gold und Silber auf mehr als sieben Milliarden Dollar geschätzt. Dies war einer der Faktoren, die Präsident Nicolas Sarkozy zum Angriff auf Libyen veranlassten. Gemäß dieser Personen seien Sarkozys Pläne auch von folgenden Punkten getrieben: 1. dem Wunsch, einen größeren Anteil an der Ölproduktion Libyens zu gewinnen; 2. den Einfluss Frankreichs in Nordafrika zu stärken; 3. die innenpolitische Situation in Frankreich zu verbessern; 4. um dem französischen Militär die Möglichkeit zu geben, seine Position in der Welt zu behaupten; 5. um auf die Sorgen seiner Berater über Gaddafis langfristige Pläne einzugehen, nämlich Frankreich als die dominierende Macht aus dem frankophonen Afrika zu verdrängen.“ (1)

Bomben schaffen keine Frieden!Viele dieser Gründe wurden von KriegsgegnerInnen, darunter der Solidarwerkstatt , seit langem vermutet und aufgezeigt, während die Medien und die politischen Parteien in ihrer übergroßen Mehrheit das Märchen von der „humanitären Intervention“ auftischten. Dass nun diese Vermutungen der KriegsgegnerInnen vom US-State-Department – also einer pazifistischer und linker Neigungen völlig unverdächtigen Seite – bestätigt werden, findet freilich weder bei der herrschenden Politik noch im Blätterwald Erwähnung. Zu krass wäre wohl der Kontrast zwischen Propaganda und Wirklichkeit, zu monströs das Verbrechen dieses Krieges, der von den französischen Eliten angeheizt, von der NATO exekutiert und von der EU in jeder Phase politisch und militärisch unterstützt wurde. Wie bei vielen Kriegen zuvor leistete auch Österreich Beihilfe zu diesem Krieg, indem der Transport von Kriegsgerät durch unser Land genehmigt wurde. Der österreichische Nationalrat hatte zudem bereits grünes Licht für die Entsendung österreichischer SoldatInnen nach Libyen - im Rahmen der EU-Battlegroups – gegeben.

Verheerende Folgen des Krieges

Bis zum Eingreifen von NATO und EU hatte der Bürgerkrieg im Jahr 2011 rd. 1.000 Menschen das Leben gekostet, das Eingreifen der Westmächte führte zu einem horrenden Vervielfachung der Opferzahlen, die mittlerweile auf 50.000 bis 60.000 Menschen (2) geschätzt werden. Das Land, das bis 2011 den höchsten Lebensstandard in Afrika hatte, versinkt seither in einem Hexenkessel von Armut, Gewalt und Verfolgung, in dem rivalisierende Milizen um die Macht ringen. Nach dem Ende des weggebombten Regimes gab es keine Staatsgewalt mehr, die den Milizen Einhalt gebieten konnte. Damit war dem Aufstieg von insbesondere radikalislamistischen Milizen und Terrorgruppen Tür und Tor geöffnet. Von Libyen schwappte der Krieg bald danach in andere Länder über. Tuareg-Aufständische und Islamisten bedienten sich der Waffenflut aus dem Libyenkrieg, um in Mali einen neuen Krieg gegen die dortige Regierung zu beginnen. Human Rights Watch sprach im Zuge dessen von der größten „Verbreitung von Waffen, die wir jemals gesehen haben“ (3). Auch in Syrien, auf dem Sinai und in weiteren Konfliktregionen kommen Waffen aus Libyen aus Libyen zu Einsatz. Islamistische Kämpfer beteiligten sich nach dem Krieg gegen Gaddafis Regime am Syrienkrieg und am Krieg in Mali. Frankreichs Militär kämpft in Mali gegen radikale Islamisten, die es im Krieg gegen Gaddafis Regime in Libyen noch unterstützte. Jihadistische Terrorgruppen haben seit dem Krieg eine stabile Basis in Libyen; der „Islamische Staat“ ist auf dem Vormarsch. Die Wiedereinführung der Scharia unter den neuen Herrschaftsklüngeln bedeutet gerade für Frauen, deren Rechte und soziale Stellung in der Zeit Gaddafis massiv gestärkt worden waren, einen verheerenden Rückschlag.

Dass derzeit dieselben Mächten, die 2011 auf der Seite von Jihadisten bombardierten, nun deren Präsenz in Libyen zum Anlass für eine weitere Militärintervention nehmen, offenbart das ganze Ausmaß der Heuchelei und des Scheiterns der Kriegspolitik von EU und USA. Wieder einmal rücken die Brandstifter aus, um mit Benzin zu löschen.

ImageFlüchtlingselend

Der Krieg in Libyen hat nicht nur zehntausenden Menschen das Leben gekostet, er hat auch hunderttausende Menschen zu Flüchtlingen gemacht. Diesen wird das Leben oft zur Hölle gemacht. Menschenrechtsorganisationen erheben diesbezüglich schwere Vorwürfe gegen Libyen und die EU. Flüchtlinge, die auf dem Weg nach Europa vom libyschen "Grenzschutz" aufgegriffen und interniert würden, seien in den dortigen Flüchtlingslagern Misshandlung und Folter ausgesetzt, heißt es in einem aktuellen Bericht von Human Rights Watch. Medizinische Versorgung sei faktisch nicht vorhanden, die Unterbringung verheerend, Schläge mit Eisenstangen oder sexuelle Gewalt an der Tagesordnung. Auch würden Gefangene mit Elektroschocks gequält. Die Lager werden von der EU mitfinanziert. In der Tat bestand eine der ersten Maßnahmen der EU nach Gaddafis Sturz darin, Druck auf die - zunächst vor allem um die Stabilisierung des Landes bemühte - Übergangsregierung auszuüben, um sie so schnell wie möglich zur umfassenden Grenzabschottung zu bewegen. Seit Mitte 2013 ist mit EUBAM Libya eine EU-"Mission" im Land, um die Migrationsabwehr zu perfektionieren (4). Immer wieder nehmen Menschen die riskante Flucht über das Mittelmeer im Kauf, um dieser Hölle zu entfliehen. Alleine seit 2013 sind 7.000 im Mittelmeer ertrunkene Flüchtlinge dokumentiert.

(31.1.2016)


Anmerkungen:

(1)  Zitiert nach Rupp, Rainer (2016): Libyen-Kriegsverschwörung, in: Junge Welt, 15.1.2016
(2)  sh. Crome, Erhard (2012): Lessons learned? Der NATO-Krieg 2011 gegen Libyen, in: Kasseler Schriften zur Fridenspolitik, Bd. 19, 2012
(3)  Zitiert nach Hager, Marius (2015): Der endlose Bürgerkrieg Libyens, in: IMI-Analyse, 2015/037
(4)  Quelle: Nachrichtenportal www.german-foreign-policy.com, Libyens Freunde im Norden, 27.6.2014