ImageBeim EU-Gipfel Ende des Vorjahres haben die EU-Regierungschefs beschlossen, aufs militärische Gaspedal zu steigen. Sie wollen neue Rüstungsprogramme insbesondere in den Bereichen Drohnenkrieg, Luftbetankung, Satellitenkommunikation und Cyber-Defence starten. Wissenschaft und Forschung sollen noch viel stärker in die Militarisierung eingebunden werden. Regierung und extreme Rechte finden das super. Friedensorganisationen mobilisieren dagegen.

Am 19./20. Dezember 2013 fand ein EU-Gipfel mit dem Schwerpunkt Rüstung statt. Denn die EU-Granden machen sich Sorgen, da „ihre Verteidigungshaushalte begrenzt sind, was die Möglichkeit einschränkt, militärische Fähigkeiten zu entwickeln, zu verlegen und im Einsatz zu halten.“ (1) Zur Erläuterung, was die EU-Staatschefs unter „begrenzten“ Militärausgaben verstehen: Diese betragen „mehr als die Rüstungsbudgets von Russland, China und Japan zusammengenommen“ (2) Die EU-Militärausgaben sind im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts laufend angestiegen, seit 2010 aber unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise etwas gesunken. Das lässt bei den EU-Eliten die Alarmglocken läuten. In der Krise wollen sie zwar überall sparen, aber doch bitte nicht bei Rüstung und Militär. Immerhin hat die EU mit Vertrag von Lissabon allen EU-Staaten den unverrückbaren Verfassungsauftrag gegeben, „ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ (Artikel 42, Abs. 3, Vertrag über die Europäische Union)

Also beschlossen die EU-Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel Ende Dezember 2013, aufs militärische Gaspedal zu treten, um „die Fähigkeit zur Durchführung von Missionen und Operationen (zu) verbessern und Synergien im vollen Umfang zu nutzen, die Entwicklung und die Verfügbarkeit der erforderlichen zivilen und militärischen Fähigkeiten zu verbessern, was durch eine stärker integrierte, tragfähigere, innovativere und wettbwerbsfähigere technologische und industrielle Basis der europäischen Verteidigung unterstützt werden sollte.“ (1) Wenige Tage vor dem 24. Dezember stellte sich der Europäische Rat als wahrer Weihnachtsmann bei der EU-Kriegswaffenindustrie ein. Vier Rüstungsprojekte sollen besonders gefördert werden:

- Ein EU-Drohnenprogramm, um beim Töten per Mausklick mit den USA nachzuziehen.
- Ein Luftbetankungsprogramm, um dafür zu sorgen, dass bei Militärmissionen in entfernten Regionen der Sprit nicht ausgeht.
- Militärische Satellitenkommunikation, die beim modernen High-Tech-Krieg unverzichtbar ist
- „Cyber-Defence“, vor allem in Hinblick auf „EU-Missionen und Operationen“.

Ein Schwerpunkt soll auf die Militarisierung von Wissenschaft und Forschung gelegt werden. Das Zauberwort heißt: „Dual Use“, also Forschung mit zivilem und kriegerischem Verwendungszweck. So wird die Kommission und die Europäische Rüstungsagentur „ersucht, eng mit den Mitgliedsstaaten zusammenzuarbeiten, um Vorschläge auszuarbeiten, wie die Dual-use-Forschung noch stärker angekurbelt werden kann.“ (1) Das EU-Forschungsprogramm "Horizon 2020" steht bereits ganz unter dem Vorzeichen der Verquickung von ziviler und militärischer Forschungsarbeit.


Kriegsfähigkeit in "Regionen privilegierten EU-Interesses"

Durch diese rüstungspolitischen Maßnahmen soll die „die Krisenreaktionsfähigkeiten der EU verbessert (werden), einschließlich durch EU-Gefechtsverbände mit verbesserter Flexibilität und Verlegefähigkeit.“ Als Motiv dafür wird in der Schlusserklärung des EU-Gipfels unter anderem "Herausforderungen im Bereich der Energiesicherheit" (1) genannt.

Ein paar Monate vor diesem Rüstungsgipfel hat das EU-Institut für Sicherheitsstudien die damit verbundenen militärischen Ambitionen etwas ausführlicherer erläutert: Die EU müsse sich „darauf konzentrieren, ihre Fähigkeit zu verbessern, ihre Streitkräfte zeitweilig in die geographischen Regionen ihres privilegierten Interesses zu projizieren bzw. dauerhaft auszudehnen.“ (3). Und zwar durch „Vornepräsenz“ und „expeditionary/offensive force projection“, was man etwas salopp durchaus mit „Angriffskrieg“ übersetzen kann.

Als „Gebiete von privilegiertem EU-Interesse“ werden angeführt: „Östliche und südliche Nachbarschaft, die Nachbarn der Nachbarn (von Mali bis Somalia, vom Golf bis Zentralasien), die zentralen Seewege im Indo-Pazifik (von Suez bis Shanghai) und der erweiterte Norden (Arktis und ihr Umfeld).“ In diesem EU-Strategiepapier werden entsprechende Einsatzszenarien durchgespielt. Unter anderem heißt es: „Mit einer Reichweite von 5.500 km“ interveniert „eine „großangelegte EU-Expeditionsstreitmacht, unterstützt von beträchtlichen und hochentwickelten See- und Luftplattformen sowie taktischen und strategischen Raketenabwehrsystemen, die am Golf, im Schwarzen Meer oder im östlichen Mittelmeer stationiert sind.“(3)

Entsprechend solcher Szenarien, die das Augenmerk auf die Kriegsführung zur und von der See aus legen, fordert der Europäische Rat die Kommission und die EU-Außenbeauftragte auf, "bis Juni 2014 eine EU-Strategie für maritime Sicherheit sowie anschließende Aktionspläne auszuarbeiten, damit auf maritime Herausforderungen reagiert werden kann." (1) Damit zeichnet sich ab, dass auch der nächste EU-Gipfel im Juni 2014 unter dem Vorzeichen Aufrüstung und Kriegsfähigmachung stehen wird.

Regierung und extreme Rechte gemeinsam für EU-Militarisierung

Man fragt sich natürlich, was Bundeskanzler Faymann bei diesem EU-Rüstungsgipfel gemacht hat. Man kann es kurz fassen: Er hat alles abgenickt, gibt sich aber öffentlich wortkarg. Redseliger ist Verteidigungsminister Klug. Österreich wolle sich in die militärische EU-Kooperation dort einbringen, „wo man gut aufgestellt sei“. Klug nennt dabei „die ABC-Abwehr, die Spezialeinsatzkräfte (Jagdkommando), die Katastrophenhilfe oder den Kampf im Hochgebirge.“ Der Verteidigungsminister „bekennt sich zu den EU-Battlegroups“, will aber, dass diese endlich zum Schuss kommen. Klug: "Klar ist aber, dass wir diese Krisenfeuerwehr auch einmal zum Einsatz bringen müssen." (4)

Unterstützung für diesen EU-Militarisierungskurs kommt auch von rechtsaußen. Der FPÖ-Abgeordnete im EU-Parlament Andreas Mölzer „begrüßt eine starke gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU“ und mahnt eine völlig eigenständige EU-Militarisierung an „unabhängig von raumfremden Mächten wie den USA.“(5) Das ist keineswegs überraschend, bereits seit vielen Jahren spricht sich der FP-Chefideologe „für eine starke europäische Armee mit internationalen Eingreiftruppen“ aus, da „dieses Europa eine unabhängige Weltmacht sein muss, das seine vitalen Interessen auch weltweit zu vertreten und durchzusetzen weiß.“ (6) Im Sommer 2013 haben die Rechtsextremen gemeinsam mit den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP die neue österreichische Sicherheitsstrategie beschlossen, die sich zur Teilnahme Österreichs an der EU-Militärpolitik „in allen ihren Dimensionen“ bekennt, einschließlich der Teilnahme österreichischer Truppen an EU-Militäraktionen von Nordafrika über die Schwarzmeerregion bis zum Kaukasus.

Friedensorganisationen: Raus aus EU-Rüstungsagentur und Battlegroups!

Der EU-Rüstungsgipfel und die volle Unterordnung Österreichs unter diesen Militarisierungskurs unterstreichen die Notwendigkeit der Vorjahr gestartete Initiative „Drohnen-Krieg – Nein Danke!“. Die Forderungen, die von mittlerweile 14 Friedensorganisationen, darunter der Solidarwerkstatt, erhoben werden, sind angesichts der Ergebnisse dieses Gipfels aktueller denn je: Keine Teilnahme Österreichs bzw. österreichischer Unternehmen und Forschungseinrichtungen an EU-Drohnenprojekten, eine aktive Friedens- und Neutralitätspolitik und was konsequenterweise die Voraussetzung dafür ist: Ausstieg aus der EU-Rüstungsagentur und den EU-Battlegroups.

Im Vorfeld des EU-Gipfels hat die Solidarwerkstatt gemeinsam mit anderen Gruppen eine Mahnwache vor dem Bundeskanzleramt organisiert, wo wir diese Forderungen an die Regierung überreicht haben. Bis jetzt gibt es keine Reaktion von Kanzler oder Außenminister. Wir werden also noch viel mehr und lauter werden müssen. Jede Unterschrift unter diesen Appell ist wichtig!

Der Aufruf "Drohnen-Krieg - Nein Danke!" kann hier online unterstützt werden. Auf Wunsch schicken wir gerne Unterschritslisten auch per Post zu. Mail an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Quellen:
(1) Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, 19./20.12.2013, Brüssel
(2) Cathrine Ashton, EU-Außenbeauftragte, Towards a more competitive an
d efficient defence and security sector, Vorbereitungspapier für den Rüstungsgipfel, 19/20.12.2013
(3) „Die Zukunft ermöglichen – Europäische Militärkapazitäten 2013-2015: Herausforderungen und Wege“
(4) Kleine Zeitung, 03.01.2014
(5) Andreas Mölzer, Bei EU-Sicherheitspolitik müssen europäische Interessen im Mittelpunkt stehen, 17.12.2013
(6) Andreas Mölzer, Europa im rechten Licht, Zur-Zeit Editionen, Wien 2004