ImageAm 11./12. Juli 2014 veranstaltete die Solidarwerkstatt von 17 - 7 Uhr die „Lange Nacht des Friedens“ unter dem Motto: „Die Waffen nieder! Aktiv neutral statt EU-militarisiert!“ Anlass dafür war der 100ste Jahrestag des Beginns des 1. Weltkriegs ebenso wie die aktuelle kriegerische Eskalationen und neue EU-Hochrüstungsprogramme. Auch die kirchliche Friedensorganisation Pax Christi Oberösterreich und die „Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg“ (IPPNW) stellten ihre Aktivitäten vor.

 

ImageBei der „Langen Nacht des Friedens“ wurden verschiedene Friedensprojekte präsentiert, z.B. der Aufruf „Drohnenkrieg- Nein Danke!“, für den die Solidarwerkstatt gemeinsam mit einigen 14 anderen Friedensgruppen Unterschriften sammelt; die Kampagne gegen den Export von Kleinwaffen, die von IPPNW (Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs) organisiert wird; die Initiativen von Pax Christi Österreich gegen Besatzung und Unterdrückung in Palästina. Eindrucksvoll war auch eine Ausstellung und die Schilderungen einer Augenzeugin des Massakers, das Anfang Mai 2014 in der ukranischen Stadt Odessa stattfand. Dieses Massaker wird in unseren Mainstream-Medien totgeschwiegen bzw. verharmlost, weil diejenigen, die die für die Morde an dutzenden Menschen verantwortlich sind, aus den Reihen jener rechtsextremen Milizen stammen, die eine wesentliche Rolle beim prowestlichen Staatsstreich in Kiew spielten.

Soziale Ungleichheit und Gewalt

Boris Lechthaler (Solidarwerkstatt) wies bereits am Anfang auf Parallelen zwischen der Zeit vor 100 Jahren und heute hin, vor allem auf den Zusammenhang zwischen wachsender sozialer Ungleichheit und Gewalt: „Die Zeit vor dem Ausbruch des 1. Weltkriegs war eine Zeit dramatischer sozialer Ungleichheit. Das Vermögen der Reichen überstieg das 6-Fache der Wirtschaftsleistung der damaligen entwickelten Länder. Vor kurzem hat der französische Ökonom Piketty eine Analyse vorgelegt, die zeigt, dass wir auch heute wieder eine Situation haben, wo das Vermögen der Reichen das 6-Fache der Wirtschaftsleistung der entwickelten kapitalistischen Länder beträgt. Wir erleben eine Situation, wo nicht davor zurückgescheut wird, diesen Reichtum mit Gewalt, mit militärischen Mitteln zu verteidigen. Nach Ende des Ost-West-Konflikts gab es eine kurze Phase der Hoffnung auf Vernunft und Abrüstung. Doch mittlerweile erleben wir seit Jahren, dass die Rüstungsausgaben neue Rekordhöhen erreichen.“

Image„Kleine Waffen ziehen große Kreise“

Auch die „Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs“ (IPPNW) nahmen mit einem Infostand und einer Ausstellung an der „Langen Nacht des Friedens“ teil. Michael Schober präsentierte die IPPNW-Ausstellung „Kleine Waffen ziehen große Kreise“: „Ich möchte mich recht herzlich für die Einladung der Solidarwerkstatt zur Langen Nacht des Friedens bedanken. Meine KollegInnen und ich waren auch im Ausland schon tätig und haben gesehen, wieviel Leid Waffen und Gewalt für die Menschen vor allem in Afrika, Südamerika und Asien bringen. Unsere Mediziner-KollegInnen dort müssen dadurch nicht nur die Herausforderungen bewältigen, die HIV, Malaria, Unterernährung und Meningitis bringen sondern mit den mehr als knappen Ressourcen auch noch Opfer von Krieg, Waffen und Gewalt behandeln. Prävention von Waffengewalt würde unseren PatientInnen und KollegInnen mehr nutzen als viele andere entwicklungspolitische Maßnahmen.

Darum haben wir die Posterausstellung "Kleine Waffen ziehen große Kreise" zusammengestellt, um auf die vielen Auswirkungen des Waffenhandels und - Gebrauchs hinzuweisen. Über Kindersoldaten, Entwicklungshemmnisse, Waffenhandelsverträge, österreichische Waffen und die Zusammenhänge mit unserem eigenen Leben mit Förderung von Gewalt Weltweit handeln die Poster. Und auch davon, was man selbst tun kann. Wir wünschen Ihnen interessante Einblicke in diese Thematik, sind für Fragen gerne da und die Posterausstellung steht auch für Firmen, Vereine, Schulen etc. zur Verfügung!“

ImageStoppt die Spirale der Gewalt!

Auch die christliche Friedensorganisation Pax Christi präsentierte ihre Arbeit bei der „Langen Nacht des Friedens“. Meinrad Schneckenleithner (Pax Christi) nahm Bezug auf die aktuelle Eskalation der Gewalt in Israel Palästina: „Pax Christi schließt sich den Aufrufen zur Mäßigung und zu einem sofortigen Waffenstillstand an. Stoppt die Spirale der Gewalt! Militärische Lösungen sind keine! Krieg löst keine Probleme, Krieg schafft unendliches Leid auf beiden Seiten. Der israelisch-palästinensische Konflikt kann nur gelöst werden, wenn den Palästinensern in den von Israel gesetzten Gebieten und im hermetisch abgeriegelten Gazastreifen die vollen Rechte als Menschen und Bürger zugestanden werden und so ein menschenwürdiges Dasein ermöglicht wird. Ansonsten wird es von Zeit zu Zeit immer wieder zu Gewaltausbrüchen von Palästinensern und zu kriegerischen Überreaktionen auf Seiten Israels kommen. Frieden kann nur auf Basis einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung erreicht werden.“

 

 

 

Antidrohnen-Kampagne unterstützen!

ImageEveline Steinbacher (Solidarwerkstatt) erklärte ihr Motivation, sich für die Lange Nacht des Friedens zu engagieren: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts. Ich habe vor kurzem das Buch "die Waffen nieder" von Berta von Suttner gelesen. Ihr Schreibstil, die Art mit der sie das Leben in jener Zeit und die Gräuel des Kriegs beschreibt, ihre Motivation, hat mich sehr bewegt. Sie war eine große Kämpferin für den Frieden, eine Pazifistin und Frauenrechtlerin. Ihr Motto war: die Waffen nieder. Was wir heute erleben ist leider das Gegenteil davon. Beim EU-Gipfel Ende 2013 haben die Staatschefs erklärt: ‚Rüstung hat Priorität“. Bei diesem EU-Gipfel wurde beschlossen, weiter aufzurüsten, u.a wurde im Drohnenbereich beschlossen EU Killerdrohnen zu entwickeln, und im Bereich Forschung und Entwicklung soll zivile- und militärische Forschung stärker verquickt werden. In Deutschland ist das schon Usus und auch bei uns soll es das werden. Dagegen muss man angehen, dagegen müssen wir uns wehren, dafür stehe ich, ich stehe für Frieden. Wir können auch aktiv was machen, und auch Sie die hier Anwesenden können aktiv etwas machen, indem sie bei uns am Infostand die laufende Anti-Drohnenkampagne unterschreiben, und uns so unterstützen.“

Rüstungsexportweltmeister EU

ImageGerald Oberansmayr (Solidarwerkstatt) lud die TeilnehmerInnen ein, sich bei der Ausstellung der Solidarwerkstatt „Die Waffen nieder!“ näher mit der Frage der aktuellen EU-Militarisierung auseinanderzusetzen: „Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhundert stiegen die Umsätze der EU-Rüstungskonzerne um 180%, die EU ist zum Rüstungsexportweltmeister aufgestiegen. Seit vielen Jahren laufen ambitionierte EU-Rüstungsprogramme im Bereich Boden-, Luft-, See- und Weltraummilitarisierung, um sie sog. „netzwerkszentrierte Kriegsführung“ erreichen zu können, also jene hochtechnologische Form der Blitzkriege, wie sie die USA am Golf oder in Afghanistan vorexerziert haben. Hand in Hand mit der Aufrüstung geht einer Militarisierung der EU-Außenpolitik. Diese reicht vom Krieg gegen Jugoslawien, der Teilnahme am Krieg in Afghanistan, Militäreinsätzen in Afrika, dem Krieg gegen Libyen, der Unterstützung von Gotteskriegern im syrischen Bürgerkrieg bis hin zum Brandstiften in der Ukraine, wo die EU gemeinsam mit den USA neofaschistische und antisemitische Kräfte gefördert hat, um ein neoliberales Freihandelsabkommen durchzusetzen.“

„Humanitären Intervention“ sind inhuman

Stefan Krenn, langjährig in Friedens- und Solidaritätsbewegungen aktiv, las einen Offenen Brief der Antifaschistin und Feministin Florence Hervé vor, in dem sie begründete, warum sie die Annahme des Bundesverdienstkreuzes durch den deutschen Bundespräsidenten ablehnte. In dem Brief heißt es unter anderem: „Sogenannte humanitäre Interventionen, an denen auch die Bundeswehr beteiligt war und ist, haben sich längst als inhuman erwiesen. Erinnert sei nur an Kundus und den Kosovo-Krieg. Die Opfer sind in besonderem Maße unbeteiligte Zivilisten, Frauen und Kinder. Die Zunahme des Rüstungsexports und die angekündigte stärkere, notfalls auch militärische Interventionspolitik stehen im Widerspruch zu einer Politik des Friedens. ‚Die Waffen nieder’ rief schon die österreichische Friedenskämpferin Bertha von Suttner vor 125 Jahren. Der Waffenexport der Bundesrepublik – häufig sogar in Konfliktregionen – trägt nicht zum friedlichen Zusammenleben der Völker bei. Das stimmt für die Vergangenheit mit Lieferungen von Waffen an den NATO-Partner Türkei im Kampf gegen die Kurden ebenso wie für jetzt, da Panzer und andere Waffen in die Golf-Diktaturen Katar und Saudi-Arabien verkauft werden. Das gilt auch für die Lieferung von atomwaffenfähigen U-Booten an Israel.“

Österreichische Neutralität ist hochaktuell!

ImageAuch Johanna Weichselbaumer (Solidarwerkstatt) rief dazu auf, nicht der Propaganda von der „humanitären Intervention“ auf den Leim zu gehen und sich für die österreichische Neutralität – als Grundlage einer aktiven Friedenspolitik: „Es sind viel zu wenige Menschen gegen die Angriffskrieg in Jugoslawien und Jahre später in Libyen auf die Straße gegangen. Dies ist meiner Meinung darauf zurückzuführen, weil diese schon lange geplanten völkerrechtswidrigen Angriffskriege durch viele Kriegslügen als humanitäre Interventionen getarnt worden sind. Es muss allen einmal bewusst werden, es gibt keine humanitäre Intervention in diesem Sinne. Die wahre Katastrophe hat erst durch die Intervention begonnen, Massenflucht, tausende Tote, Zerstörung der Infrastruktur, Chaos und Leid viele Jahre lang. Gerade heute ist unsere Neutralität hochaktuell und als starke Basis für alle friedens- und sicherheitspolitischen Aufgaben gefordert. Wir dürfen uns das nicht kleinreden lassen. Neutralität, aktive Neutralitätspolitik ist mit den EU-Außen- und Sicherheitsstrategien, der EU-Militarisierung völlig unvereinbar. Statt mit EU-Kampftruppen mitzumarschieren und uns diesem Moloch unterzuordnen, könnten wir durch eine aktive Neutralitätspolitik, die eine ganze Bandbreite an friedenspolitischen Möglichkeiten bietet, Vorbild sein und international wirkliche Wertschätzung erlangen. Andere Länder könnten sich uns anschließen und eine intensive Zusammenarbeit mit den Blockfreien wäre möglich. Daher muss die Rückforderung der Neutralität Österreichs eine Grundforderung aller friedensbewegten Menschen und jeder Friedensorganisation in Österreich sein.“

ImageViel Zuspruch fanden nicht nur die politischen Beiträge, sondern auch die Musik von „Sleepless Mate“, die mit ihren stimmungsvollen Liedern die „Lange Nacht des Friedens“ begleiteten. Ab den späteren Abendstunden ging schließlich das politische und kulturelle Programm in eine Mahnwache rund um das Friedensdenkmal im Schillerpark über, beendet durch ein gemeinsames Friedensfrühstück jener rund ein Dutzend AktivistInnen, die lebhaft diskutierend bei Fackellicht bis in die Morgenstunden ausharrten.

Die vielen positiven Rückmeldungen zur „Langen Nacht des Friedens“ ermutigen uns, auch für nächstes Jahr eine solche Friedensaktion im Sinne von Suttners „Die Waffen nieder“!“ ins Auge zu fassen.

ImageHier ein paar Videoaufnahmen dazu, von Rudi Schober.

Teil 1 http://www.dorftv.at/video/20725
Teil 2 http://www.dorftv.at/video/20726