SozialdemokratInnen gründen Initiative „Aktiv neutral für Frieden, Sicherheit und Souveränität“. Sie fordern, Neutralität und Friedenspolitik wieder in den Mittelpunkt zu stellen. Ein Bericht von David Stockinger, einer der Aktivisten dieser Initiative.
Bald nach dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine Ende Februar 2022, die den bereits 2014 ausgebrochenen Krieg in der Ukraine eskalierte und international zuspitzte, fanden sich etliche sozialdemokratische Aktivistinnen und Aktivisten sowie SPÖ-Abgeordnete in einer Initiative rund um den ehemaligen SPÖ-Sozialminister Erwin Buchinger zusammen.
Die sozialdemokratische Initiative gab sich den Namen „Aktiv neutral für Frieden, Sicherheit und Souveränität“ und möchte in bester österreichischer sozialdemokratischer Tradition für die Verteidigung der österreichischen Neutralität und für eine proaktive Friedenspolitik Österreichs in der SPÖ, deren Vorfeldorganisationen und auch darüber hinaus in Kooperation mit anderen friedens- und neutralitäts-bewegten Kräften wirken.
Warum fand sich die Initiative gerade jetzt zusammen?
Wir beobachteten sofort nach dem 24.02.2022 eine zunehmende Tendenz in der medialen und politischen Landschaft auch die noch vorhandene Kern-Neutralität Österreichs in Frage zu stellen. Die NEOS, Vertreter der Grünen und ÖVP aber auch Personen aus dem Umfeld und aus der Sozialdemokratie versuchten und versuchen an diesen Grundfesten der 2. Republik zu rütteln und ein neues Narrativ zu schaffen. Dies lautet: Österreich müsse in einem neuen internationalen „Werte-Konflikt“ zwischen dem „Werte-Westen“ und „autoritären Systemen“ auch endgültig militärisch Partei beziehen. Und dazu wäre eine Teilnahme an einer weiteren EU-Militarisierung und/oder ein NATO-Beitritt nötig. Das Festhalten an der Neutralität sei „ewiggestrig“ und „isolationistisch“. Begleitet und unterstützt wird dieses Narrativ auch von einem guten Teil der Medienlandschaft. Wer dabei nicht mitspielt, läuft Gefahr „gecancelt“ zu werden.
Neutralität mehr als zeitgemäß!
Die Initiative „Aktiv neutral für Frieden, Sicherheit und Souveränität“ hingegen hält die österreichische Neutralität für mehr als zeitgemäß. Man muss mit ihr aber ehrlich und seriös umgehen. Fakt ist, dass die Neutralität in den letzten 30 Jahren durch den EU-Beitritt, etliche Abkommen mit der NATO, Aufweichung konkreter gesetzlicher Bestimmungen usw. auf ihren Kern zurechtgestutzt wurde. Dennoch oder gerade deswegen müssen wir jetzt für sie „in die Bresche springen“ und ihr „neues Leben einhauchen“, da wir die Neutralität als passende Grundlage für einen Kleinstaat und dessen Beitrag für den Weltfrieden und damit auch als das passende Konzept für die eigene Sicherheit betrachten, um sich nicht in Kriege hineinziehen zu lassen. Die Lehren aus 2. Weltkriegen und dem Faschismus sind für uns sakrosankt.
Die inhaltlichen Eckpunkte der Initiative sind:
- Gegenüber der EU-GASP müssen wir bekräftigen, dass sich Österreich an militärischen Auslandseinsätzen nur im Rahmen eines Mandates des UN-Sicherheitsrates oder eines entsprechenden Beschlusses der OSZE beteiligen wird.
- Eine aktualisierte österreichische Sicherheits- und Verteidigungsstrategie wird weiterhin auf Grundlage der österreichischen Neutralität, ergänzt um eine umfassende Landesverteidigung und einer souveränen – an einer proaktiven Neutralität ausgerichteten – Außenpolitik sowie der Solidarität mit den EU-Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der österreichischen Neutralität (z.B. humanitäre Hilfe) beruhen.
- In den einschlägigen einfachgesetzlichen und verfassungsrechtlichen Regelungen mit Bezug auf die völkerrechtliche Stellung Österreichs (KSE-BVG, KMG, StGB, TrAufG…) ist der Bezug auf die Neutralität und der Verweis auf ein Mandat des UN-SR anstatt auf die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen (wieder) ausdrücklich aufzunehmen.
- Die Mitwirkung Österreichs an PESCO und PfP wird beendet/regelmäßig überprüft in Hinsicht auf die Vereinbarkeit mit seinem neutralitätsrechtlichen Status.
- Im Zusammenhang mit der militärischen Landesverteidigung bekennt sich Österreich weiterhin dazu, seine Neutralität mit allen zu Gebote stehenden Mitteln auch militärisch zu verteidigen. Eine entsprechende erforderliche Ausstattung des österreichischen Bundesheeres steht außer Streit. Eine generelle Aufrüstung wird freilich in Österreich und in der EU abgelehnt.
- Ganz wesentlich: Das Einstimmigkeitsprinzip für Abstimmungen im Rat der EU, wie es im Titel V des EU-V vorgesehen ist, wird von Österreich bekräftigt. Ein Abgehen davon ist für Österreich neutralitätsrechtlich nicht erwünscht und wird daher abgelehnt.
Österreich als Ort für Dialog anbieten
Grundsätzlich betrachtet die Initiative das formale Neutralitätsgesetz als die Voraussetzung um darum eine Neutralitätspolitik zu entwerfen und zu leben. Das bedeutet für Österreich, sich u.a. proaktiv für die Beilegung bewaffneter Konflikte diplomatisch einzusetzen, schon im Vorfeld alles zur Vermeidung militärischer Konfrontationen zu unternehmen und unser Land als den Ort für Friedensbemühungen, –verhandlungen und für den Dialog über Abrüstung und sicherheitspolitischen sowie wirtschaftlichen Ausgleich zwischen Ost und West bzw. Nord und Süd anzubieten. Dafür muss Österreich aber wieder glaubwürdig werden, eine Glaubwürdigkeit, die die 2. Republik lange- gerade unter Bundeskanzler Kreisky- auszeichnete. Schließlich geht es um nichts weniger als eine militärische Großkonfrontation zwischen den militärischen Großmächten in Europa, ja vielleicht sogar einen 3. Weltkrieg zu verhindern. Das sollte es uns wert sein!
Mehr Infos zur Initiative „Aktiv neutral für Frieden, Sicherheit und Souveränität“ findet man unter
https://www.facebook.com/SPNeutralFriedenSouveraen
Der Friede vermag alles, der Krieg nichts. (Bruno Kreisky)
*) zum Foto: Vertreter der Initiative "Aktiv neutral für Frieden, Sicherheit und Neutralität" beim inhaltlichen Austausch mit Bundespräsident a.D. Dr. Heinz Fischer im Ban-Ki-Moon-Center in Wien.