Vor fünf Jahren, am 19. Mai 2017, starb Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow, der Mann, der die Welt vor dem Atomkrieg rettete. Hier ein kurzer Beitrag aus dem Friedenskalender der Solidarwerkstatt Österreich über diesen Menschen, der nie einen Friedensnobelpreis erhielt, obwohl er möglicherweise Milliarden von Menschen das Leben rettete. 

Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow
(1939 – 2017)

Der Mann, der die Welt vor dem Atomkrieg rettete

Am 26. September 1983 rettete Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow die Welt vor einem atomaren 3. Weltkrieg „aus Versehen“. Petrow war leitender Offizier in der Kommandozentrale der sowjetischen Satellitenüberwachung. Am 26.9.1983 kurz nach Mitternacht meldete dieses System einen Angriff der USA mit nuklearen Interkontinentalraketen auf die UdSSR. Ab einem feindlichen Raketenstart hatte die sowjetische Führung 28 Minuten Zeit, um – unwiderruflich – über einen Gegenschlag zu entscheiden. Petrow blieb eine Viertelstunde für die Unterrichtung seines Vorgesetzten. Petrow entschied sich dafür, der Militärführung einen Fehlalarm zu melden. Kurze Zeit später meldete das Computersystem eine zweite, dritte, vierte und fünfte abgefeuerte Rakete. Wiederum meldete Petrow einen Fehlalarm, da ein tatsächlicher Atomschlag seiner Ansicht nach mit deutlich mehr Raketen hätte stattfinden müssen. Dabei standen ihm keine anderen Daten zur Verfügung, um seine Einstufung im maßgeblichen Zeitraum überprüfen zu können. Das landgestützte sowjetische Radar konnte keine zusätzlichen Daten liefern, da dessen Reichweite dafür zu gering war. Erst später wurde aus den Daten der Bodenradare klar, dass tatsächlich keine Raketen heranflogen.

Bedenkt man den politischen Hintergrund der damaligen Zeit, ist die Entscheidung Petrows umso bemerkenswerter. Denn im angespannten Herbst 1983 rechnete die sowjetische Führung mit einem Überraschungsangriff. Immerhin hatte Colin S. Gray, Vordenker der US-amerikanischen Regierung unter Präsident Ronald Reagan, 1982 angekündigt, die USA könnten mittels eines atomaren Erstschlags „dem sowjetischen Huhn das Haupt abschlagen.“ Hätte Petrow die falschen Satellitendaten als atomaren Raketenangriff weitergeleitet, wären wohl die sowjetischen Interkontinentalraketen abgefeuert und ein Atomkrieg „aus Versehen“ ausgelöst worden.

Am Morgen stellte sich heraus, dass das satellitengestützte sowjetische Frühwarnsystem Sonnenreflexionen auf Wolken in der Nähe der Malmstrom Air Force Base in Montana, wo US-amerikanische Interkontinentalraketen stationiert waren, als Raketenstarts fehlinterpretiert hatte.

Eine ursprünglich für sein Handeln geplante Ordensverleihung blieb aus, denn als sich der Grund für die Anfälligkeit des Systems herausgestellt hatte, zogen Vorgesetzte die Geheimhaltung vor, um ihr eigenes Gesicht zu wahren. Aus Gründen der militärischen Geheimhaltung und wegen politischer Spannungen wurde Petrows Vorgehen erst in den 1990er Jahren publik.

Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow erhält bis heute nicht die Würdigung, die er verdient. Zu offensichtlich würde dadurch werden, wie knapp die Welt angesichts der atomaren Overkill-Kapazitäten auchheute jederzeit am Rande des Abgrunds stehen kann - auch aus Versehen. Die Heldentat von Petrow sollte uns ständiger Antrieb sein, das Engagement für die weltweite Abschaffung von Atomwaffen fortzusetzen.

Hier ein weiterer Beitrag zu Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow:
https://www.heise.de/tp/features/Der-einsame-Tod-des-Mannes-der-die-Welt-gerettet-hat-7096489.html