Rede von Boris Lechthaler (Solidarwerkstatt Österreich) bei der Friedenskundgebung DIE WAFFEN NIEDER vor dem Parlament am 26. Oktober 2022.


Heute ist der 26. Oktober, unser Nationalfeiertag. Seit Jahren fahren wir an diesem Tag immer nach Wien, um an die Beschlussfassung des Bundesverfassungsgesetzes über die Immerwährende Neutralität zu erinnern und eine aktive Neutralitätspolitik einzufordern. Heuer findet dieser Tag unter besonderen Umständen statt. Wir können uns erinnern: die deutsche Außenministerin Annalena Bärbock hat am 24. Februar verkündet: „Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht.“ Am 27. Februar hat der deutsche Kanzler Scholz von einer „Zeitenwende“ gesprochen. Es sei eine „neue Epoche“ angebrochen, eine Epoche des Krieges, oder vielmehr eine „Rückkehr des Krieges“, eine Rückkehr der Gestaltung der internationalen Beziehungen durch Gewalt.

Wir kommen aus einer Epoche der Kriege

Ich denke: Wo haben diese Menschen die letzten Jahrzehnte verbracht? Auf welchem fernen Stern haben sie gelebt? Im August 2021 haben wir erlebt, wie die US-Armee gemeinsam mit ihren Verbündeten Afghanistan verlassen hat. Wir kommen in Wahrheit, wenn man es nüchtern bilanziert, aus einer Epoche der Kriege, der permanenten Kriege, der permanenten Verletzung des Völkerrechts. Wöchentlich wurde "targeted Killing“ vollzogen, d.h. ohne Kriterien der modernen Rechtssprechung haben sich militärisch potente Mächte angemaßt, einfach Menschen zu töten. Und vielen Fällen sind dabei auch gewaltige „Kollateralschäden“ entstanden. Wir haben erlebt, wie der damalige deutsche Kanzler Gerhard Schröder im März 1999 davon gesprochen hat, dass das Aufsteigen der Bomberflotten gegen die Bundesrepublik Jugoslawien ein „europäischer Geburtsakt“ sei, und „wie so oft geschieht dieser nicht im Jubel, sondern im Schmerz“. Es sind diese Ereignisse, es ist diese Politik des permanenten Krieges, aus der wir herauskommen. Und was wir erleben, ist, dass diese Kriege alle gescheitert sind. Dass die Versuche, mit militärischer Gewalt politische Ziele durchzusetzen, katastrophal ihr Ende gefunden haben. Und dass gerade die Russische Föderation in dieser Situation beginnt, sich auch dieser Methoden zu bedienen. Und nur wenige Monate später sehen wir, dass auch dieser Versuch kläglich scheitern wird, dass er nur Leid und Zerstörung hervorruft.

Warum wurde die Friedensbewegung immer schwächer?

Wir erleben also nicht eine neue Epoche der Kriege, sondern das Scheitern der Epoche der Kriege. Aber ob es zu einer neuen Epoche des Friedens kommen wird, hängt nicht allein von diesem Scheitern ab. Es hängt davon ab, ob es uns gelingt, zu einer neuen Friedensbewegung zu gelangen. Wir haben erlebt bei den vergangenen Kriegen, in Afghanistan, Libyen, Syrien und vielen anderen Orten der Welt, dass die Friedensbewegung immer schwächer geworden ist. Meines Erachtens gibt es dafür einen Grund. Der einfache Grund ist, weil es insgesamt ein gesellschaftspolitisches Klima des „There is no Alternative!“ geherrscht hat. Man hat sich keine Alternative mehr zu bestehenden Ordnung, Unordnung, Konkurrenzordnung vorstellen können. Und damit verbunden war auch ein Schwächer werden der Friedensbewegung.

Vor gewaltigen Herausforderungen

Wir stehen aber heute vor Herausforderungen der Überwindung der Klimakrise, unter der die Armen und Ärmsten ganz besonders leiden. Vor der Herausforderung der Überwindung der gewaltigen sozialen Ungleichheit, die sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten aufgetan hat. Und vor diesen Herausforderungen brauchen wir eine neue Friedensbewegung, denn nur durch internationale Kooperation auf Augenhöhe werden wir diese Probleme bewältigen können.

Es wird oft davon gesprochen, dass die Europäische Union ein Friedensprojekt sei. Doch schauen wir uns die konkrete Politik in Bezug auf die Ukraine an. Ich möchte nicht die ganze Vorgeschichte erzählen, oder die aktuelle Geschichte jetzt, wir sehen einfach: die Europäische Union kann nicht zu einem Verhandlungsfrieden beitragen, weil sie sich selbst als Imperium versteht, weil sie selbst als Imperium ihre Politik gegenüber Mittel- und Osteuropa und anderen Teilen entwickelt. Deshalb: Wenn wir heute von einem „Friedensprojekt Europa“ sprechen, müssen wir uns rückbesinnen an die Losung von Michael Gorbatschow vom „Gemeinsamen Haus Europa“, das weit über die EU hinausgeht.

Und dafür kann das immerwährend neutrale Österreich einen entscheidenden Beitrag leisten. Deshalb fordern wir das volle Engagement der österreichischen Regierung und des österreichischen Nationalrats für einen Verhandlungsfrieden, für ein gemeinsames Haus Europa, den Ausstieg aus den aktuellen EU-Militarisierungsprojekten, Nein zur Aufrüstung und statt dessen Geld für Klimaschutz und Armutsbekämpfung, keine Teilnahme Österreichs an den EU-Wirtschaftskriegen, Wiederherstellung einer neutralitätskonformen Verfassung, in diesem Zusammenhang die Aufhebung des Kriegsermächtigungsartikels 23j in der Bundesverfassung, und die Verteidigung des Einstimmigkeitsprinzips im EU-Rat in der Außen- und Sicherheitspolitik. Denn wenn dieses Einstimmigkeitsprinzip fällt, dann können wir nicht mehr davon sprechen, dass Österreich neutral ist.

Liebe Freundinnen und Freunde, ich danke euch für eure Aufmerksamkeit. Wir haben bessere Zeiten erlebt, aber wir werden trotzdem nicht mutlos. Wir werden weiter streiten für ein aktiv neutrales Österreich, für ein aktiv neutrales Österreich, für Frieden, Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit.


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