Der steirische KPÖ-Landtagsabgeordnete Werner Murgg wird von schwarz, grün und Pink wegen seiner Äußerungen zum Ukraine-Krieg zum Rücktritt aufgefordert. Wir fragen aus friedenspolitischer Perspektive nach, was der wirkliche Skandal ist.


Der steirische KPÖ-Landtagsabgeordnete Werner Murgg steht unter scharfem Beschuss insbesondere von grün, pink und schwarz. Er müsse wegen seiner skandalösen Äußerungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg sofort zurücktreten, fordern sie mit großem medialem Trommelfeuer. Vieles davon ist eher durchsichtiges Parteiengeplänkel. Wer sich näher damit beschäftigen will: Die Positionen der Murgg-KritikerInnen findet man mit etwas Googeln faktisch in allen Medien, die Position der steirische KPÖ bzw. von Werner Murgg finden sich hier.

Viel interessanter aus Sicht friedensbewegter Menschen ist eine Frage, die nicht angesprochen wird, obwohl sie wie ein Elefant im Raum steht: Welche Haltung haben die Skandalisierenden und der Skandalisierte tatsächlich zu völkerrechtswidrigen Kriegen – sowohl zum Krieg in der Ukraine als auch zu den Kriegen, die in den Jahren davor stattfanden. Die Beantwortung dieser Fragen hilft uns zu klären, was hier wirklich der Skandal ist.

Ukraine-Krieg:

  • Werner Murgg verurteilt eindeutig den russischen Angriff auf die Ukraine: „Der Angriffskrieg Russlands war ein Völkerrechtsbruch“ (O-Ton Murgg). Er weist aber auch auf die Vorgeschichte des Krieges hin (z.B. die andauernde NATO-Osterweiterung oder den prowestlicher Staatsstreich in der Ukraine im Jahr 2014, der zu einem blutigen Bürgerkrieg führte, usw.). Er setzt sich für einen Verhandlungsfrieden ein und hält eine Neutralität der Ukraine für eine mögliche Friedensperspektive. Das ist übrigens ein Vorschlag, den auch die ukrainische Regierung im März 2022 für einen gangbaren Kompromiss hielt und liegt nah am Vorschlag des eh. italienischen Außenministers Di Maio. Das neutrale Österreich soll sich für einen solchen Verhandlungsfrieden engagieren, statt sich an Waffenlieferungen und Wirtschaftskrieg zu beteiligen.
  • Grün, pink und schwarz verurteilen ebenfalls den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands. Über die Vorgeschichte des Krieges hüllen sie den Mantel des Schweigens. Vielleicht weil es ihnen peinlich wäre, auf die Unterstützung von neofaschistischen und antisemitischen Kräften beim prowestlichen Staatsstreich in der Ukraine 2014 angesprochen zu werden. Aktuell unterstützen diese Parteien die Waffenlieferungen an die Ukraine und die Wirtschaftssanktionen. Offensichtliches Ziel ist ein Siegfrieden der Ukraine, was möglicherweise auf einen sehr langen Krieg mit unkalkulierbaren Eskalationen hinausläuft.

Afghanistan-Krieg:

  • Werner Murgg verurteilte von Anfang an den völkerrechtswidrigen Angriff auf Afghanistan und die Teilnahme Österreichs an westlichen Militärmissionen am Hindukusch.
  • Die Kritiker Murggs befürworteten den völkerrechtswidrigen Angriff der USA und ihrer Verbündeten und machten sich dafür stark, dass sich auch die EU an diesem Krieg beteiligt und österreichische Soldaten an den Hindukusch geschickt wurden. Pink gab es zu Beginn des Krieges noch nicht, aber Kritik an Krieg und Besatzung waren auch später nicht wahrzunehmen; die NEOS stimmten u.a. für die Entsendung österreichischer Truppen nach Afghanistan.

Irak-Krieg:

  • Werner Murgg verurteilte von Anfang an den völkerrechtswidrigen Angriff auf den Irak.
  • Und die Kritiker-Murggs: Die Grünen waren gegen diesen Krieg, kritische Äußerungen zur nachfolgenden blutigen Besatzung sind zumindest nicht auffindbar; die ÖVP unter Bundeskanzler Schüssel sympathisierte durchaus mit dem US-amerikanischen Angriffskrieg, wenn auch verhalten. Pink gab es zum Zeitpunkt der Invasion noch nicht, aber als Kritiker des Krieges bzw. der Besatzung sind sie auch später nicht wahrnehmbar gewesen.

Libyen-Krieg:

  • Werner Murgg verurteilte von Anfang an den völkerrechtswidrigen Angriff der NATO auf Libyen, der von der EU unterstützt wurde.
  • Schwarz und grün befürworteten – gemeinsam mit der SPÖ - die achtmonatigen Bombardements, die dazu beigetragen haben, die ganze Region in einen Scherbenhaufen zu verwandeln. Diese Parteien unterstützten auch einen Antrag im Nationalrat, österreichische SoldatInnen im Rahmen der EU-Battlegroups in diesen Krieg zu schicken. Die NEOS waren während des Krieges noch nicht im Nationalrat. Kritik am Libyen-Krieg ist weder vom Vorgänger „Liberales Forum“ (LIF), mit dem die NEOS fusionierten, noch danach von den NEOS bekannt, die die NATO als Pakt „zur Aufrechterhaltung von Frieden und Freiheit“ auf ihrer Webpage feiern.

Jugoslawien-Krieg

  • Werner Murgg verurteilte den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien.
  • Die ÖVP befürwortete diesen Angriffskrieg (wie auch der damalige SPÖ-Kanzler Klima in den EU-Gremien). Die Grünen erlebten in diesem Krieg ihre bellizistische Metamorphose. Unter dem neuen Bundessprecher Alexander van der Bellen schwenkten sie auf den Kurs der Kriegsbefürwortung der deutschen Grünen ein. NEOS gab es zum Zeitpunkt des Krieges noch nicht, aber die Vorgängerpartei, das Liberale Forum, unterstützte explizit den NATO-Bombenkrieg.

Spannend ist auch die Frage, wie der skandalisierte Murgg bzw. seine skandalisierenden KritikerInnen zur österreichischen Neutralität stehen, die ja eng mit der Frage Krieg und Frieden zusammenhängt.

  • Murgg befürwortet ohne Wenn und Aber die österreichische Neutralität und kritisiert deshalb auch die Teilhabe Österreichs an der voranschreitenden EU-Militarisierung (EU-Battlegroups, EU-SSZ/Pesco, Strategischer Kompass etc.). Er tritt für eine eigenständige Friedens- und Neutralitätspolitik Österreichs ein, die sich international für friedliche Konfliktlösungen und Abrüstung einsetzt.
  • Schwarz, grün, pink befürworten uneingeschränkt das Mitmarschieren Österreichs bei der EU-Militarisierung, bis hin zum Aufbau einer eigenen EU-Armee für globale Militäreinsätze und einschließlich der Aushebelung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU-Außenpolitik – also das faktische Ende einer eigenständigen österreichischen Außenpolitik. Das ist klarerweise mit der Neutralität völlig unvereinbar, auch wenn Parteien wie die ÖVP und Grünen rhetorisch daran festhalten. Die Neos stellen die Neutralität ohnehin offen in Frage.

Ein kurzes Resümee:

Werner Murgg hat sich gegen alle diese völkerrechtswidrigen Kriege gestellt, sich immer für die österreichische Neutralität eingesetzt und war ein verlässlicher Unterstützer von Friedensaktionen gegen diese Kriege. Für einen beleidigenden Sager hat er sich rasch entschuldigt.

Schwarz, grün und pink (inkl. LIF) unterstütz(t)en seit vielen Jahren – in unterschiedlicher Ausprägung – völkerrechtswidrige Angriffskriege westlicher Großmächte, die Millionen von Menschen das Leben gekostet bzw. in die Flucht getrieben und ganze Volkswirtschaften zerstört haben. Ob diese Parteien gegen völkerrechtswidrige Kriege sind, entscheidet sich offenkundig anhand von geopolitischen Kalkülen und nicht von friedenspolitischen Überzeugungen. Eine solche Politik doppelter Standards untergräbt das Völkerrecht. Entschuldigt hat sich noch keine/r der VerantwortungsträgerInnen dieser Parteien für diesen Bellizismus, der so viel Leid verursacht hat. Im Gegenteil: Schwarz, grün und besonders radikal die NEOS setzen sich dafür ein, dass sich österreichische SoldatInnen im Rahmen der EU-Aufrüstung, die derzeit auf Hochtouren läuft, in Zukunft an solchen Kriegen weltweit beteiligen können und sollen. Ein weiterer Großangriff auf die österreichische Verfassung und die Neutralität, an deren scheibchenweisen Demontage schon lange gearbeitet wird.

Es sei daher abschließend nochmals die Frage gestellt: Was ist der wirkliche Skandal?

Vorstand der Solidarwerkstatt Österreich
(12.10.2022)