ImageDie Solidarwerkstatt spricht sich entschieden gegen die westlichen Militärschläge gegen Libyen aus. Dieser Krieg ist völkerrechtswidrig und dient zur Desavouierung der Demokratiebewegung in Libyen und anderen arabischen Staaten. Ziel ist es, die dauerhafte Präsenz der westlichen Großmächte in der rohstoffreichen Region abzusichern. Die Solidarwerkstatt ruft zu Antikriegsaktionen auf.

Vor kurzem haben Frankreich, Großbritannien, Italien, die USA und Canada begonnen mit Fliegerbomben und Raketen Libyen anzugreifen. Diese militärische Aggression wird in der Zwischenzeit auch von Katar, den Vereinigten Arabischen und anderen Mitgliedern des Golfkooperationsrates materiell unterstützt. Die Aggression steht in klarem Widerspruch zum völkerrechtlich gebotenen Gewaltverbot gegen souveräne Staaten. Dieses Gewaltverbot darf nur bei einer Gefährdung des Weltfriedens aufgehoben werden. Diese Begründung ist den Aggressoren bis zuletzt nicht gelungen. In Libyen herrscht Bürgerkrieg. Es gibt militärische Gewalthandlungen von beiden Seiten. Vorgänge, die eine Aggression rechtfertigen würden, wurden vielfach behauptet, konnten aber bis zuletzt nicht bewiesen werden. Auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist in seinen Entscheidungen an das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen gebunden. Eine rechtswidrige Entscheidung kann keine Rechtsbindung entfalten. Mit dieser Entscheidung schwächen die Großmächte die Autorität des Sicherheitsrates.

Militärintervention desavouiert die Demokratiebewegung

Der Angriff gegen Libyen steht im Zusammenhang mit den Entwicklungen der vergangenen Monate im arabischen Raum. Die Demokratiebewegung setzte einen Machtwechsel bei mit den Aggressoren verbündeten Regimes in Tunesien und Ägypten durch. In zahlreichen anderen Ländern erschüttert die Demokratiebewegung bestehende Strukturen. Auch die libysche Gesellschaft wurde von dieser Bewegung erfasst. Jetzt wird der Eindruck vermittelt, die westliche Militärintervention in Libyen diene der Durchsetzung der Demokatiebewegung. Die Militärintervention desavouiert jedoch die Demokratiebewegung. Sie soll den Menschen in der Region vorführen, dass sie nur dann eine Chance auf Durchsetzung ihrer Wünsche und Hoffnungen haben, wenn sie sich der westlichen Vorherrschaft unterordnen. Die Aufständischen von Benghasi und Misrata werden nicht einfach nur militärisch unterstützt, sie wurden noch vor Beginn der Angriffe militärisch direkt an die Interventionisten angebunden. Unterstrichen wird dieser Eindruck auch durch das Faktum, dass Regimes, die selbst an der gewaltsamen Unterdrückung demokratischer Bewegungen beteiligt sind, wie in Bahrein, in Libyen als Verbündete des Aufstands bereitwillig die arabische Legitimationskulisse für die Militärintervention abgeben. Ob das herrschende Regime in Libyen rasch zusammenbricht, hängt davon ab, inwieweit es Unterstützung in der libyschen Gesellschaft findet. Über die Umstände in dieser Frage gibt es zur Zeit keinerlei verlässliche Informationen, von keiner Seite.

Balkanisierung des Konflikts

Luftschläge allein werden die Machtverhältnisse am Boden nicht verändern. Eingeschränkt werden kann lediglich die Bewegungsfreiheit der Streitparteien. Ein, offensichtlich einkalkuliertes Ergebnis ist eine dauerhafte Spaltung des Landes, die Balkanisierung des Konflikts. Die Etablierung abhängiger religiös, ethnisch oder tribalistisch begründeter Einheiten ist eines der gängigsten Instrumente, die dauernde Präsenz von Großmächten in einer Region politisch abzusichern. Libyen ist ein weites Land mit einer vergleichsweise geringen Bevölkerung, es liegt mit Kampfflugzeugen von Europa aus erreichbar und verfügt über enorme Erdöl- und Erdgasvorräte. Das Regime hat international wenig Symphathien. Wie geschaffen für mediale Stimmungsmache.

Widerwärtige Verlogenheit

Besonders widerwärtig ist die Verlogenheit, mit der jetzt die zahlreichen Verbindungen zum Gadhafi-Regime vertuscht werden und die Westmächte sich das Bild des ehrlichen Maklers der Interessen der Menschen in Libyen pflegen. Viele der Waffen, mit denen jetzt die Kombattanten auf beiden Seiten aufeinander schießen, stammen aus den Waffenschmieden der Aggressoren (siehe hier). Es gab nichts, was man nicht gegen die libyschen Petrodollars verkauft hätte. Auch für die Abwehr afrikanischer Flüchtlingen wurde bezahlt. Gadhafi wurde in allen europäischen Hauptstädten hofiert. Mit Bomben und Raketen soll diese Erinnerung ausgelöscht werden. Man wollte sich aber nicht allein auf Hilferufe aus der Region verlassen. Mobilisiert wurde auch an der Heimatfront über die "Zivilgesellschaft". Beim Irakkrieg 2003 gingen noch Millionen Menschen auf die Straße. Jetzt sammelt eine dubiose Organisation namens AVAAZ eine Million Unterschriften an den UN-Sicherheitsrat für eine Militärintervention gegen den libyschen Diktator. So durchsetzungsstark war Zivilgesellschaft noch selten. Ein eklatantes Beispiel für die Instrumentalisierung zivilgesellschaftlicher Strukturen und Prozesse für die Durchsetzung des Elitenkonsenses.

Aktive Neutralitätspolitik statt Mitmarschieren!

Die Militärintervention in Libyen zeigt einmal mehr, dass in einer Gemeinsamen Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik Österreich bloss die Unterordnung unter die Hegemonialpolitik der Großmächte bleibt. Oft wurde behauptet, Neutralität sei sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei. Die ausgeführten und angekündigten Hilfsdienste bei Interventionen entpuppen sich jedoch als besonders widerliche Trittbrettfahrerei. Anstatt seine Möglichkeiten zu einer Deeskalation und Förderung einer politische Lösung zu nutzen, beteiligt sich Österreich an allen taktischen Wendungen und kündigt die österreichische Beteiligung im Rahmen der EU-Battle Groups an, sobald dies den Großmächten opportun erscheint. Österreich und österreichische Firmen haben über Jahre gute Geschäfte mit Libyen gemacht. Pseudoskrupulöse Wendungen helfen jetzt niemandem. Österreich muss alle Möglichkeiten nutzen, insbesondere seine Verbindungen zu beiden Seiten im Konflikt, auf der Grundlage eines Waffenstillstands politische Verhandlungen zu erreichen. Um dieser Aufgabe gerecht werden zu können, muss Österreich das Mitmarschieren bei den Großmächten beenden und jegliche Kriegsbeteiligung verweigern. Auf der Grundlage aktiver Neutralitätspolitik, die bewusst auf die Anwendung und Androhung militärischer Gewalt verzichtet, kann Österreich für die Menschen in Libyen hilfreich und nützlich sein. Bedeutend wirkungsvoller, als im Rahmen eines Reservebataillons für neokoloniale Machtprojektion.

Wir wenden uns aus diesen Gründen gegen diese Militärintervention und fordern die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen!

Wir fordern alle Streitparteien zu einem sofortigen Waffenstillstand auf! Über die Zukunft Libyiens müssen politische Verhandlungen entscheiden!

Bomben schaffen keinen Frieden!

Wir fordern:
* sofortige Einstellungen aller Kampfhandlungen, sofortiger Waffenstillstand
* über die Zukunft der lybischen Gesellschaft muss in politischen Verhandlungen entschieden werden
* keine Kriegsbeteiligung Österreichs
* eine aktive Außenpolitik zur Unterstützung einer politischen Lösung auf der Grundlage der immerwährenden Neutralität
* Humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung und die Flüchtlinge 
 
Solidarwerkstatt Österreich

Stehen wir auf! Kommt zur Mahnwache „BOMBEN SCHAFFEN KEINEN FRIEDEN!“, Fr., 1. April 2011, 17 Uhr, Taubenmarkt/Linz.
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_extcalendar&Itemid=57&extmode=view&extid=420

Weitere Informationen zu diesem Thema siehe Libyen-Dossier