ImageNicht nur die Begründung „Schutz der Zivilbevölkerung“ ist heuchlerisch, nicht minder ist es die Begründung, man wolle die „Demokratiebewegung“ stärken.

EU und USA haben kein Problem mit Despoten und Folterern, solange es „ihre“ Despoten und Folterer sind. Die französische Verteidigungsministerin hat dem tunesischen Tyrannen Ben Ali noch wenige Tage vor dessen Sturz militärischen Beistand angeboten. Die Feudaldiktaturen Sau- di-Arabien und Katar wurden, kurz nachdem sie in Bahrein einmarschiert waren und dort ein Blutbad unter den aufständischen Demonstranten angerichtet hatten, herzlich in der Kriegsallianz gegen Gaddafi empfangen. Die despotischen Golfregime gehören zu den Lieblingen der EU-Waffenexporteure. Saudi-Arabien, eine islamistische Diktatur, in der die Scharia gilt und wo laut Amnesty International Folter und Misshandlung von Gefangenen auf der Tagesordnung sind, erhielt von EU-Staaten zwischen 2002 und 2009 Waffen im Wert von unglaublichen 20 Milliarden US-$. Ebenfalls hoch im Kurs bei der EU stehen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Parteien und Gewerkschaften sind verboten, Auspeitschungen gehören zum Alltag. Die EU-Staaten lieferten zwischen 2002 und 2009 Waffen im Wert von 6,3 Milliarden US-$ an die Scheichs.   

Aber auch mit Gaddafi wusste man Geschäfte zu machen. Libyens Gaddafi hat sich seit etlichen Jahren zum engen Verbündeten von EU und USA entwickelt. Alleine im Jahr 2009 wurden von EU-Staaten Exportlizenzen für Kriegsgerät im Wert von 344 Millionen Euro an das Regime in Libyen erteilt(1). Von 2006 bis 2009 wurden Waffenexportgeschäfte zwischen Libyen und den big 4 der EU (Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien) im Wert von über 1,2 Milliarden US-$ vereinbart (2). Noch im November 2010 gaben sich Manager der EU-Rüstungskonzerne bei der Waffenmesse Libdex 2010 in Tripolis die Türklinke in die Hand und umschwänzelten den libyschen Diktator. Belegt ist auch, dass Sakrozy in den vergangenen Jahren darum buhlte, Gaddafi ein Atomkraftwerk „made in France“ zu verkaufen. Gaddafi kooperierte eng mit der EU bei Abwehr von Flüchtlingen. So wurden mit EU-Unterstützung Flüchtlingslager in der libyschen Wüste errichtet, in denen es laut Auskunft von Menschenrechtsorganisationen und Journalisten zu Folter und Ermordung von Internierten gekommen ist (3). Die Repressionsorgane Libyens wurden u.a. mit deutscher Hilfe trainiert und ausgerüstet. Auch Österreich mischte mit: Drohnen, die von der Wiener Firma Schiebel 2009 an Libyen geliefert wurden, genehmigte das österreichische Wirtschaftsministerium, um das Gadaffi-Regime "als Bollwerk gegen den Flüchtlingsstrom" zu stärken (Standard, 1.3.2011).  

Freilich blieb Gaddafi bis zuletzt ein – aus Sicht des Westens – unsicherer Kantonist: im Unterschied zu den Feudaldiktaturen am Golf war er keine politische Marionette und ließ die Ölmultis nur unter strengen Auflagen ins Land. So mussten 80% der Produktionserlöse an die staatliche libysche Ölgesellschaft NOC abgetreten werden. Kein ausländisches Unternehmen darf ohne Kooperation mit einem heimischen Partnerunternehmen aktiv werden. Oft erhielten kleinere Firmen und Staatskonzerne aus Entwicklungsländern den Vorzug vor den Ölmultis des Westens. 2007 entschied Libyen keine neuen Ausschreibungen durchzuführen und stattdessen die bestehenden Verträge nachzuverhandeln. Verstärkt wurde versucht, die Exploration von Erdöl und Erdgas mit eigenen Mitteln voranzutreiben, was von westlichen Konzernen als “Ressourcennationalismus” gegeißelt wurde. Die radikalste Privatisierungsfraktion innerhalb der libyischen Führung verlor an Boden, ihre Köpfe finden sich heute an der Spitze der “demokratischen” Opposition.