ImageDie Stärkung der Demokratie ist mit Sicherheit nicht der Grund für das westliche Eingreifen, im Gegenteil: An die Macht gebombt soll eine neue gefügige Clique neoliberaler Hardliner werden.


Auch in Libyen erhoben sich zunächst die Proteste mit sozialen und demokratischen Forderungen, verbaten sich die Demonstranten anfangs jede westliche Einmischung. Wir wissen nicht, ab wann die westlichen Mächte die Führung der „Opposition“ übernommen haben. Wir wissen aber: Spätestens mit dem militärischen Eingreifen von USA und EU-Staaten kontrollieren die westlichen Mächte die aufständische Bürgerkriegspartei. Das zeigt nicht zuletzt das Führungspersonal der Opposition.

Wenige Tage nach dem Beginn der NATO-Bombardements übernahm Machmud Dschibril das Amt der Ministerpräsidenten der sogenannten „Übergangsregierung“. Er studierte in den USA und gilt als beinharter Neoliberaler ohne jede Berührungsangst mit Diktaturen. Als „Wirtschaftsfachmann“ und machte er sich einen Ruf als Berater nahezu aller Diktatoren im Nahen Osten und in Nordafrika: Tunesien, Ägypten, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Bahrein, Marokko, Kuwait. Zuletzt wurde er vom zunehemend auf Westkurs einschwenkenden Gaddafi nach Libyen geholt, um dort als Leiter des wirtschaftlichen Ausschusses für Entwicklung die Privatisierung der großteils staatlich gelenkten Wirtschaft voranzubringen. In dieser Funktion verhalf er amerikanischen und britischen Firmen in Libyen Fuß zu fassen. Zuletzt allerdings überwarf er sich mit Gaddafi, da dieser in letzter Zeit von einem allzu scharfen Privatisierungskurs Abstand nahm.

Ebenfalls eine Spitzenposition in der „Übergangsregierung“ nimmt Ali al-Essawi ein. Er war einige Jahre libyischer Wirtschaftsminister, fiel aber in Ungnade, da er das zu langsame Tempo der Privatisierungen kritisierte, und wurde daher auf den Posten des libyschen Botschafters in Indien abgeschoben. Für den Westen kann er hervorragende Referenzen vorweisen. An der Wirtschaftsakademie Bukarest erlangte Essawi seinen Doktortitel im Bereich Privatisierung,  2005 wurde er Direktor des Privatisierungsfonds Ownership expansion program.

Wirtschaftspolitischer Kopf der „Übergangsregierung“ ist Ali Abdussalam Tarhouni, 1973 in die USA emigriert und dort als Wirtschaftswissenschafter in den Beratungsausschüssen verschiedener Technologieunternehmen  und Lobbyist tätig. In von Wikileaks enthüllten geheimen Dossiers gilt er „als aufgeschlossener Gesprächspartner mit einem klaren Verständnis für die Bedürfnisse des Westens.“ Und diese „Bedürfnisse“ liegen wohl nicht zuletzt beim unbeschränkten Zugriff auf die immensen Öl-, Gas- und Wasservorkommen Libyens (sh. Kasten).   

Mit der Entfesselung des Kriegs lenkten die Westmächte den demokratischen und sozialen Impuls des Anfangs in einen Krieg für die Rekolonialisierung des Landes um. Ähnlich wie im ehemaligen Jugoslawien können die Kolonialmächte dabei auf Stammesfehden und rassistische Haltungen im Land aufbauen. So wird in von der Opposition „befreiten“ Gebieten Menschenhatz auf Schwarzafrikaner gemacht, weil ihnen pauschal unterstellt wird, Gaddafi zu unterstützen. Dutzende schwarze Gastarbeiter wurden in Bengashi gelyncht “Niemand mit einem schwarzen Gesicht ist mehr sicher”, kommentierte ein Al-Dschasira-Reporterin in Bengasi die Lage (Spiegel-online, 8.03.2011).  

Immer offener setzt die NATO auf die Spaltung des Landes in einen bevölkerreichen, aber ölarmen Westen, wo möglicherweise der Gaddafi-Clan noch eine Zeit lang die Macht behaupten kann, und einen bevölkerungsarmen, aber ölreichen Osten, wo EU und USA – siehe Kosovo – ein ölsprudelndes „Protektorat“ errichten, um mit Militärstützpunkten die Kontrolle über diese strategische Region zu behalten. Damit soll verhindert werden, dass der demokratische Bazillus auf die west- freundlichen Ölscheichtümer überspringt und strategische Rivalen wie China verstärkten Einfluss in der Region erhalten.